Zürcher Bahnhofstrasse: Droht mit dem Manor-Umbau auch Apple die Schliessung?
In Zürich ist vor einigen Jahren ein grosser Mietstreit entbrannt. Es geht um ein Gebäudekomplex an der unteren Bahnhofstrasse. Die Handelskette Manor ist als Mieter im Clinch mit dem Eigentümer Swiss Life. Sprichwörtlich mittendrin in diesem Streit ist Apple mit seinem Zürcher Flagship-Store.
An der Zürcher Bahnhofstrasse ist im Gebäudekomplex zwischen der Uraniastrasse und der Pestalozzi-Anlage seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts Warenhäuser eingemietet. 1899 erbaute Julius Brann an der Bahnhofstrasse 75 (Höhe Uraniastrasse) für sein neues «Kaufhaus Brann» ein Geschäftshaus. Schnell wurde der Platz knapp, weshalb bereits 1912 ein grösseres Gebäude an gleicher Adresse zu stehen kam. 1929 wurde an das Gebäude das «Nörr-Haus» mit der Nummer 77 gebaut. Drei Jahre später (1932) wurde der Block mit dem «Näfenhaus» an der Bahnhofstrasse 79 hin zum Pestalozzi-Platz komplettiert. 1939 erwarb Oscar Weber die Gebäude 75 und 79. Die Nummer 77 blieb im Besitz der Erbauer-Familie Nörr. Das zwischen den anderen beiden Gebäuden eingeklemmte Haus wurde an Oscar Weber vermietet. Die ganze Liegenschaft wurde dann 1941 in die «Oscar Weber AG» umfirmiert. Anfang der 1980er-Jahre wurden schweizweit aus vielen Oscar-Weber-Filialen «EPA»-Läden. An der Zürcher Bahnhofstrasse hingegen übernahm 1984 die Handelskette Manor den Oscar-Weber-Standort. Die Basler Warenhauskette erhielt einen 30-jährigen Mietvertrag für den Gebäudeblock – das von der Oscar Weber AG gemietete Nörr-Haus wurde Manor mit untervermietet. 2001 übernahm der Lebensversicherer Swiss Life die Oscar Weber AG und damit die Liegenschaften sowie den Mietvertrag mit Manor. Mit dem Gebäudekomplex an der Bahnhofstrasse hat die Swiss Life für die Zukunft anderes vor – die Versicherung will die Gebäude umnutzen: Künftig sollen mehrere kleinere Geschäfte in den Gebäuden angesiedelt werden. Für ein grosses Warenhaus hat es keinen Platz mehr.
Bevor der 30-jährige Mietvertrag mit Manor Ende Januar 2014 auslief, ist es deshalb zu einem Streit um die weitere Nutzung der Oscar-Weber-Liegenschaft gekommen.
Im Mietvertrag mit Manor gab es eine Klausel, welche nach den 30 Jahren eine Verlängerung um fünf weitere Jahre zu «marktüblichen Konditionen» vorsah. Swiss Life offerierte Manor eine Verlängerung zu einem Jahreszins von 19 Millionen Franken. Zuvor zahlte die Wahrhenhauskette gut 6 Millionen Franken für die Liegenschaft. Manor war in der Folge nicht bereit, die saftige Mietzinserhöhung zu zahlen. Seither streiten die beiden um die Höhe des Mietpreises. Auch wird um eine Miet-Erstreckung gestritten.
Streit um den Zins – und den Verbleib des Warenhauses
Manor argumentiert, bei der Offerte von Swiss Life handle es sich nicht um ein «marktübliches» Angebot und zog den Fall vor Gericht. Dort sollte geklärt werden, ob der zu offerierende Mietzins «marktüblich» sein soll für eine Liegenschaft an der Bahnhofstrasse oder aber für die Nutzung als Warenhaus.
Die Zürcher Bahnhofstrasse gehört zu den zehn teuersten Einkaufsmeilen der Welt. Die Mietpreise an der exklusiven Strasse zwischen dem Hauptbahnhof und dem Zürichsee betragen pro Quadratmeter teilweise 15’000 Schweizer Franken.
Nicht nur über die Miete an sich wird gestritten, sondern auch über den Verbleib eines Warenhauses an der unteren Bahnhofstrasse. 2013 reichte Swiss Life zwei Baugesuche zur «Revitalisierung» seines Gebäudekomplexes ein. Die Eigentümerin möchte eine komplette Umnutzung der Gebäude. Vorgesehen ist eine interne Strukturveränderung – statt wie heute offene Geschossflächen für ein Warenhaus, soll es neu kleinteilige Büro- und Geschäftsräume für mehrere Mieter geben. Swiss Life möchte sich den Umbau 100 Millionen Franken kosten lassen. Vom ersten Unter- bis in das erste Obergeschoss sind mehrere Verkaufsläden und exklusive Boutiquen geplant, für die oberen Stockwerke werden Büros für Anwälte, Berater oder Treuhänder anvisiert.
Es formierte sich in der Folge eine Interessengemeinschaft, die das Warenhaus in der City behalten möchte (IG Manor Bahnhofstrasse). Die Manor-Unterstützer bekamen auch tatkräftige Beihilfe des Heimatschutzes.
Einzelne Teile der betroffenen Gebäude stehen schon länger unter Denkmalschutz. Der Heimatschutz versuchte zudem, auch die Nutzung der Liegenschaft als Warenhaus schützen zu lassen. Die zuständigen Gerichte entschieden jedoch, dass es dafür keine Rechtsgrundlage gebe. Die Nutzung eines Gebäudes könne laut dem kantonalen Planungs- und Baugesetz nicht unter Schutz gestellt werden.
Von der Bausektion des Zürcher Stadtrats hat Swiss Life eine rechtsgültige Baubewilligung für die Renovations-Pläne erhalten. Früher oder später wird es an der Bahnhofstrasse 75 bis 79 also kein Warenhaus mehr geben.
Der Mietstreit ist in den vergangenen Jahren von einem Gericht zum anderen getragen worden. Vom Mietgericht ging es an das Obergericht, an das Handelsgericht und zwei Mal sogar bis hin zum Bundesgericht. Aus Lausanne wies man den Fall zuletzt im Sommer zurück an das Zürcher Obergericht, welches im November urteilte, Swiss Life müsse der Warenhauskette eine neue Offerte für die Fortsetzung des Mietverhältnisses unterbreiten – mit einem üblichen Zins für ein Warenhaus. Das Obergericht bestätigte damit den Entscheid des Mietgerichtes, welchen bereits im Dezember 2014 erstinstanzlich auf das gleiche Verdikt kam. Swiss Life wird den jüngsten Entscheid des Obergerichtes an das Bundesgericht weiterziehen.
Gleichzeitig ist ein Verfahren um eine Erstreckung des Mietverhältnisses noch beim Obergericht hängig. Zuletzt hiess es diesbezüglich, es brauche noch keine Erstreckung, da sich die Parteien noch in einem gültigen Mietverhältnis befänden. Erst wenn dieses auslaufe, müsse in diesem Verfahren geurteilt werden – was nun per Ende Januar 2019 der Fall sein wird.
Mietvertrag läuft Ende Januar 2019 aus
Trotz hängiger Gerichtsverfahren sieht es die Swiss Life als «rechtlich unbestritten» an, dass zwischen Manor und Swiss Life ab nächstem Monat «in jedem Fall kein Mietvertragsverhältnis mehr besteht». Dass sei auch dann der Fall, wenn die Anträge der Handelskette vollumfänglich gutgeheissen würden, so ein Swiss-Life-Sprecher vergangenen Dezember gegenüber der NZZ. Der Lebensversicherer sei daher der Meinung, dass Manor demnächst aus der Bahnhofstrasse ausziehen müsse.
Der 1984 auf 30 Jahre abgeschlossene Mietvertrag bestand mit fehlerhafter oder gültiger Offerte für eine fünfjährige Verlängerung über den Januar 2014 hinweg weiter und läuft nun Ende Januar 2019 definitiv aus. Mit einem Erstreckungsgesuch könnte das Mietverhältnis um maximal sechs Jahre erstreckt werden. Es ist allerdings fraglich, ob darauf eingetreten werden kann. Sollte auch das Bundesgericht entscheiden, dass die Offerte der Swiss Life ungültig gewesen ist, würde die Erstreckungsfrist für Manor Ende Januar 2025 enden. Urteilt das Bundesgericht aber im Sinne der Swiss Life, also dass die Offerte gültig war, würde die Erstreckungsfrist schon Ende Januar 2020 enden. Bei beiden Varianten davon ausgegangen, dass Manor tatsächlich eine Erstreckung erhält und dies für die für Geschäftsliegenschaften maximal möglichen sechs Jahre.
Eine Einigung der beiden Parteien scheint derzeit sehr unwahrscheinlich. Sicher ist, dass Manor früher oder später aus dem Gebäudekomplex an der Bahnhofstrasse ausziehen muss – entweder muss das nun sehr zügig, binnen eines Jahres oder innerhalb der nächsten sechs Jahre geschehen. Wohin die Handelskette ziehen wird, ist jedoch unklar. Manor sucht seit längerem nach neuen Standorten in der Stadt Zürich. Swiss Life bot Manor an der Sihlporte einen Ersatzstandort an, welchen die Kette aber als «ungeeignet» ablehnte. In der Limmatstadt bleiben will Manor aber sicher, denn dort sehe man weiterhin ein grosses Potenzial.
Apple mittendrin
Als Apple im Mai 2009 nach fünfjähriger Planung im Nörr-Haus an der Bahnhofstrasse 77 einen Retail Store eröffnete, hätte es sich der Mac-Hersteller wohl nicht träumen lassen, dass wenige Jahre später ein erbitterter Mieterstreit um die Liegenschaft entbrennen wird.
Der Store in Zürich galt damals mit seinen 400 Quadratmetern auf zwei Stockwerken zu den «Flagship»-Stores des Unternehmens. Die Miete soll bei der Eröffnung über 2.5 Millionen Schweizer Franken betragen haben. Wenige Jahre später war schon von 3 bis 4 Millionen Franken die Rede. Offizielle Zahlen gibt es jedoch keine.
Weltpremiere: An der Zürcher Bahnhofstrasse eröffnete der weltweit erste Apple Store, bei dem es neben den Verkaufsflächen auf Strassenhöhe auch noch unterirdisch ein zweites Stockwerk gab. Alle anderen Apple Stores bis dahin verfügten entweder über weitere Stockwerke «nach oben» oder waren komplett unterirdisch (z.B. 5th Avenue, New York).
Dass die Zürcher Bahnhofstrasse ein teures Pflaster ist, ist gemeinhin bekannt (siehe Box). Während sie bei den Mietpreisen zu den absolut teuersten Einkaufsmeilen der Welt gehört, schafft es die Bahnhofstrasse in Zürich verschiedenen Studien zufolge bei der Kaufkraft sogar ganz an die Spitze. 2013 hiess es, Apple generiere in Zürich pro Quadratmeter über 225’000 Schweizer Franken Umsatz im Jahr. Aktuellere Zahlen dazu haben wir keine gefunden. In Anbetracht der Tatsache, dass Apples weltweite Retail-Sparte alleine zwischen 2013 und 2014 ein Umsatz-Wachstum von über 11 Prozent und Apples gesamte Geschäfte im Europäischen Raum zwischen 2013 und 2018 ein Umsatz-Wachstum von über 66 Prozent verzeichnen konnte, dürfte der von Apple pro Quadratmeter in Zürich generierte Umsatz heute noch wesentlich höher ausfallen.
Ausführliche Analysen und Grafiken zu Apples Umsatz, Gewinn und Verkaufszahlen seit dem Jahr 2000 haben wir in einem Wissensartikel im Lexikon zusammengetragen.
Inwiefern nun der lukrative Standort von Apple an der Zürcher Bahnhofstrasse vom Mieterstreit zwischen Swiss Life und Manor betroffen ist, bleibt unklar. Im ganzen Gezanke zwischen den beiden Parteien war auch das Nörr-Haus oft Thema. Manor soll vor dem Prozess der Ansicht gewesen sein, dass es bei der Mietverlängerungs-Offerte immerzu um den gesamten Komplex 75 bis 79, also inklusive dem Nörr-Haus an der Nummer 77, gegangen sei. Swiss Life hingegen machte im Prozess klar, dass es nur um zwei der drei Gebäude gehe. Das Obergericht bekräftigte dies denn auch, denn die Mietumstände beim Nörr-Haus seien schliesslich anders als bei den beiden vollends Swiss Life gehörenden Gebäuden. Die Verlängerung betreffe entsprechend nur die beiden Gebäude um das Nörr-Haus herum. Apple hat sich bei der Swiss Life eingemietet – nicht bei Manor. Die Swiss Life wiederum mietet das Nörr-Haus von der Familie Nörr.
Der Zürcher Apple Store platzt seit der Eröffnung vor nun bald 10 Jahren notorisch aus allen Nähten. Eine Vergrösserung von Apples Verkaufsfläche in der Zürcher City ist längst überfällig. Es gibt schon länger Gerüchte, dass sich Apple in Zürich um eine grössere Liegenschaft umsieht. Trotz hartnäckiger Spekulationen gibt es bisher keine Anzeichen, dass Apple dabei fündig geworden ist.
Muss auch Apple gehen?
Nun stellt sich die Frage, ob Apple mit dem kommenden Manor-Auszug und den grossen Umbauarbeiten rund um das Nörr-Haus ebenfalls bald die Koffer packen und aus der Bahnhofstrasse 77 ausziehen muss.
Die Architekten, die Swiss Life für die «Revitalisierung» der Liegenschaften 75 und 79 engagiert hat, rechnen mit einer dreijährigen Umbauphase. Die Planung des Bauvorhabens wurde 2017 abgeschlossen. Die Baugesuche umfassen die Bahnhofstrasse 77 nicht. Unklar ist deshalb, wie umfangreich die wohl ebenfalls geplanten Abbrucharbeiten am Nörr-Haus sein werden – insbesondere auch, ob sie die von Apple gemieteten Stockwerke oder «nur» die Geschosse darüber tangieren werden. Wird der ganze Block umfassend saniert und erneuert, muss auch Apple den Baumaschinen Platz machen.
Die angeblich anstehende Erweiterung des Apple Store im Glattzentrum in Wallisellen, etwas ausserhalb Zürichs, sieht vor, dass dort ab diesem Sommer nicht nur die Verkaufsfläche markant vergrössert wird, sondern dass dereinst auch Merkmale von Apples neuem Store-Design in den Glatt-Verkaufsladen Einzug halten sollen. Allem voran die grosse Video-Wand, die Apple für die «Today at Apple»-Sessions in den neuen Flagship-Stores einbaut. Wie uns die damalige Quelle zugespielt hat, hätte eigentlich der Store in der Stadt zuerst eine Video-Wall erhalten sollen. Aufgrund der unsicheren Lage an der unteren Bahnhofstrasse erhalte nun aber der Store im Glatt zuerst eine Video-Wall. Apple habe zudem noch keinen neuen Ort in der City gefunden. Es sei deshalb aktuell auch noch «unklar, was genau mit den Mitarbeitern passiert, wenn nicht schnell eine Lösung für die Bahnhofstrasse gefunden wird».
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2 Kommentare
Kommentar von Apfelklick
Kommentar von Manuel Meister
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