Alternative App-Stores und Browser-Engines, App-Sideloading, NFC-Freigabe und mehr: Apple öffnet iPhone für die EU

Apple hat gestern Abend umfassende Änderungen für iOS angekündigt. Das Unternehmen wird von der EU zu einer teils massiven Öffnung des iPhone-Ökosystems gezwungen. Apple muss in der EU dem neuen Gesetz über digitale Märkte («Digital Markets Act», kurz DMA) nachkommen, weshalb es für Kundinnen und Kunden in EU-Ländern zum Teil umfassende Änderungen geben wird. Gleichzeitig warnt Apple wiederholt vor den Risiken, die die aufgezwungenen Massnahmen für die Kundschaft und die Plattform mit sich bringen.

Stefan Rechsteiner

Inhaltsverzeichnis

  1. Alternative App-Stores

  2. Cloud-Gaming-Dienste und Mini-Apps

  3. Zugriff auf NFC-Chip

  4. Alternative Browser-Engines

Quick-Facts

  • Die EU zwingt Apple zu einer offeneren iOS-Plattform.
  • Apple ermöglicht in der EU unter anderem alternative App-Stores, öffnet die NFC-Schnittstelle und ermöglicht fremde Browser-Engines in iOS.
  • Die angekündigten Änderungen werden mit iOS 17.4 spätestens Anfang März ausgerollt (dann tritt der DMA in Kraft).
  • Zur neuen System-Version hat Apple gestern eine erste Vorabversion verteilt.
  • Die meisten Änderungen betreffen vorerst nur die 27 EU-Länder.

Alternative App-Stores

Mit iOS 17.4 wird es möglich, andere App-Stores als den von Apple vorinstallierten App Store auf dem iPhone zu installieren. Jeder Nutzerin und jedem Nutzer (innerhalb der EU) steht es künftig frei, ob solche alternative App-Stores genutzt werden oder nicht. Die Verwendung alternativer Stores muss zuerst in den iOS-Einstellungen aktiviert werden. Ebenfalls in den Einstellungen findet sich dann eine Einstellung, welcher Store als Standard eingestellt ist.

Damit jemand einen alternativen App-Store anbieten kann, muss dazu indes zuerst von Apple eine Erlaubnis eingeholt werden. Die Anbietenden müssen zudem nachweisen können, dass sie die Sicherheit hochhalten, den Datenschutz einhalten und weitere gesetzliche Vorgaben erfüllen können. Weiter fallen (wie erwartet) Gebühren an, die an Apple abgegeben werden müssen. Das Unternehmen hat dazu die «Core Technology Fee» eingeführt. App-Herausgebende steht es frei, ob sie auf dem bisherigen System oder auf das neue wechseln wollen. Für diese Entscheidungsfindung bietet Apple den Entwickelnden einen Gebühren-Rechner an.

Apps müssen auch für alternative Stores durch einen Freigabeprozess bei Apple – dieser umfasst nur noch eine rudimentäre Überprüfung und eine automatische Malware-Prüfung, jedoch keine inhaltliche Prüfung mehr. Damit dürften über alternative Stores neu auch Pornografie-Apps oder Emulatoren möglich sein.

Technisch gibt es ähnliche Vorschriften wie beim App-Store – so müssen die bestehenden Sicherheits-Regeln eingehalten werden (Sandbox; Zugriff-Anfragen; Tracking-Schutz; etc.), indes werden verschiedene iOS-Funktionen wie die Kauf-Kindersicherung bei solchen Titeln nicht möglich sein.

Für die alternativen Stores setzt Apple auf das gleiche Prinzip wie auf dem Mac-Betriebssystem «macOS»: auf die Notarisierung der Apps. Entwickelnde müssen ihre Apps also mit einem gültigen Apple-Zertifikat signieren. Damit behält Apple die wichtige Kontrolle, durch Zurückziehen eines Zertifikates mögliche Schad-Apps von der Ausführung zu hindern.

Ein vollständiges «Sideloading» für iPhone-Apps – also das Installieren von Apps frei von Webseiten heraus – wird es vorerst auch in der EU nicht geben. Apple prüft hier noch die Möglichkeiten und die EU hat bisher nicht abschliessend definiert, ob Apple dies wirklich anbieten muss.

Die Möglichkeit für alternative App-Stores wird mit iOS 17.4 eingeführt, und zwar nur in den 27 EU-Mitgliedsstaaten. Nach aktuellen Informationen greifen die Änderungen nur auf dem iPhone, nicht aber auf dem iPad resp. iPadOS.

Cloud-Gaming-Dienste und Mini-Apps

Apple hat aber auch globale Änderungen bekannt gegeben. So wird es künftig möglich sein, eigene Bezahl-Dienstleister für In-App-Käufe anzubieten oder mit einem Link auf die eigene Webseite zu verweisen, wo nicht mehr zwingend Apples In-App-API zum Zuge kommt. Apple verlangt aber auch bei diesen Möglichkeiten eine Gebühr.

Weiter erlaubt Apple neu auch das Streaming von Games (Cloud-Gaming-Dienste) und über die In-App-API können neu auch «Mini-Apps» wie Chatbots, Plug-ins und dergleichen angeboten werden.

Neu fällt auch der Zwang für Apple-ID-Log-in, wenn in einer App andere Log-in-Dienste (z. B. von Meta/Facebook oder Google) angeboten werden.

Zugriff auf NFC-Chip

Apple öffnet ausserdem die NFC-Schnittstelle, damit diese bei Bezahlvorgängen nicht mehr nur von Apple Pay, sondern auch von anderen Bezahl-Diensten genutzt werden kann. Und Entwickelnde können künftig sogenannte Interoperabilitätsanfragen stellen, über welche «zusätzliche Anfragen zur Interoperabilität mit iPhone- und iOS-Hardware und -Softwarefunktionen» eingereicht werden können. Was das im Detail heisst, hat Apple bislang nicht genau erläutert.

Alternative Browser-Engines

Innerhalb der EU erlaubt es Apple künftig Browser-Apps auch, eigene Browser-Engines zu nutzen. Bisher müssen unter iOS (und allen anderen Apple-Plattformen ausser macOS) alle Browser Apples «WebKit» einsetzen – dem Mac-Hersteller zufolge aus Sicherheitsgründen. Mit iOS 17.4 wird sich dies ändern und Dritt-Browser wie «Chrome», «Edge» oder «Firefox» können ihre eigenen Engines nutzen. Des Weiteren wird ab iOS 17.4 beim erstmaligen Öffnen von Safari ein Dialog-Fenster angezeigt, auf welchem der Standard-Browser festgelegt werden kann.

Konkret umfassen die Änderungen gemäss Apple «mehr als 600 neue API» sowie «erweiterte App-Analysen». Der Mac-Hersteller weist darauf hin, dass das Unternehmen «mit jeder Änderung neue Sicherheitsvorkehrungen eingeführt» habe, die «neue Risiken, die der DMA für EU-Nutzer:innen mit sich bringen, reduzieren – aber nicht beseitigen».

Der DMA tritt per Mittwoch, 6. März 2024, in Kraft. Es ist davon auszugehen, dass iOS 17.4 entsprechend noch vor diesem Datum veröffentlicht wird. Registrierte Entwickler haben seit gestern Abend Zugriff auf eine erste Vorabversion zu iOS 17.4.

Schweiz 🇨🇭 und andere Länder 🌍

Die genannten EU-Regelungen betreffen vorerst die Schweiz nicht. Im vergangenen Jahr wurde mit einer Motion der Bundesrat beauftragt, allfällige Gesetzesänderungen vorzuschlagen, damit die DMA-Ziele auch hierzulande umgesetzt werden können. In einer Stellungnahme kam der Bundesrat zum Schluss, dass «die wesentlichen Ziele des DMA in der Schweiz mit der bestehenden Gesetzgebung grundsätzlich umgesetzt» werden. Die Regierung sieht entsprechend kein Handlungsbedarf, will die Entwicklungen in der EU aber «eng verfolgen» und «allfälligen Handlungsbedarf nach der vollständigen Inkraftsetzung des DMA eruieren». Der Vorstoss geht als erstbehandelnder Rat an den Nationalrat. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die nun für die EU-Länder kommunizierten Änderungen von Apple dereinst auch in der Schweiz und anderen Ländern Anwendung finden werden. Apples Marktstellung ist für die Behörden einiger Länder rund um den Globus ein Dorn im Auge – die «Öffnung» in der EU dürfte erst der Anfang sein.

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