Krieg der Divisionen
Kapitel 05
2. Ausgabe vom Dezember 2009
Nachdem Steve Jobs in der LISA-Abteilung nicht mehr erwünscht war, sah er sich nach einer anderen Beschäftigung in der Firma um. Während der Zeit des Börsenganges vertrat er Apple gegenüber der Öffentlichkeit als Unternehmenssprecher. Doch schon nach einigen Wochen begann er sich zu langweilen. Jobs suchte stets eine neue Herausforderung, er wollte Scott und Markkula beweisen, dass er einen besseren Computer als den LISA bauen konnte. Sein Blick fiel auf ein Projekt, welches von Jef Raskin, Apples Mitarbeiter Nr. 31, im Mai 1979 lanciert wurde: Die Entwicklung des Macintoshs.
Raskin träumte von einem neuartigen Computer, der aus der Sicht des Privatanwenders konstruiert war. Als Codenamen für sein Projekt verwendete er den Namen seiner bevorzugten Apfelsorte. Das Gerät sollte in einem kompletten Gehäuse untergebracht und transportabel sein. Ausserdem strebte er einen Verkaufspreis von lediglich 500 Dollar an. Im Gegensatz zum LISA sollte der Macintosh nicht über eine Maus, sondern mit einem Stift bedient werden. Markkula genehmigte die Finanzierung des Projektes und Raskin nahm zusammen mit lediglich drei Entwicklern die Arbeit am Macintosh auf.
Während dieser Zeit arbeitete Steve Jobs noch am Apple III und später am LISA. Die Idee des Macintoshs hielt er für minderwertig und bekämpfte sie vehement. Doch als er das LISA-Team verlassen musste, änderte Jobs seine Meinung. Er erkannte die Chance, mit dem Mac-Team einen besseren Computer als den LISA bauen zu können und übernahm kurzerhand die Leitung des Projektes. Jef Raskin, der eigentliche Vater des Macintoshs, musste die Abteilung schon kurze Zeit später verlassen, da sich seine Vorstellungen des Macs nicht mit denen von Jobs vereinen liessen. Dank Jobs gewann das Macintosh-Projekt sehr schnell an Bedeutung. Schon kurze Zeit später zog die Abteilung in ein eigenes Gebäude und stellte laufend neue Entwickler ein. Jobs suchte nach fähigen Mitarbeitern, die bereit waren, all ihre Zeit in den Mac zu investieren. Während am LISA-Projekt hauptsächlich erfahrene Ingenieure arbeiteten, die jeden Schritt lange vor der Umsetzung auf dem Papier planten, wurde der Mac von einer Gruppe junger Rebellen entwickelt, die sich alle von Jobs’ Vision, mit dem Mac die Welt zu verändern, anstecken liessen.
Steve Jobs wollte die aufbrecherische Atmosphäre aus der Zeit der Apple-Gründerjahre in der Macintosh-Division neu aufflammen lassen. An seine Mitarbeiter verteilte er T-Shirts mit der Aufschrift: «90 hours a week and loving it», auf dem Dach des Macintosh-Gebäudes wurde die Piratenflagge gehisst. Jobs sorgte für eine bevorzugte Behandlung der Mitglieder des Mac-Teams. Masseurinnen kamen an die Schreibtische, an den Wänden hingen Original-Kunstwerke und in den Büros standen kostbare Flügel. Jobs wollte hochmotivierte Ingenieure, die mit bedingungslosem Einsatz den Macintosh entwickeln sollten.
Doch mit seinen Massnahmen schuf sich Jobs nicht nur Freunde. Die Techniker und Ingenieure aus dem LISA-Team sahen im Mac nichts Weiteres als einen LISA-Abklatsch, ein Konkurrenzprodukt aus dem eigenen Hause. Mit der Philosophie und den Menschen des Mac-Teams konnten sie sich nicht identifizieren. Auch die Apple-II-Abteilung fühlte sich benachteiligt. In den frühen 80er-Jahren war der Apple II immer noch das Produkt, welches am meisten Geld in Apples Kriegskasse spülte. Im Herbst 1982 lief der 600’000ste Apple II vom Band, im Frühsommer 1983 überschritten die Verkaufszahlen die Schallmauer von einer Million verkauften Geräten. Sowohl beim LISA als auch beim Mac wuchsen die Entwicklungskosten ins Unermessliche, wobei die angepeilten Auslieferungstermine um Jahre verfehlt wurden. Der grösste Teil des von der Apple-II-Division erwirtschafteten Geldes wurde in die anderen Abteilungen gesteckt. Zusätzlich musste die Apple-II-Abteilung einen schweren Schlag verkraften, als Steve Wozniak, der Erbauer des Apple II, in die Mac-Division wechselte. Nur kurze Zeit später sollte Woz bei einem Flugzeugabsturz sein Kurzzeitgedächtnis verlieren und Apple verlassen. Immer häufiger kam es zu Machtkämpfen zwischen den Divisionen, unter den Mitgliedern der verschiedenen Abteilungen herrschte ein rivalisierendes, hasserfülltes Betriebsklima, welches sich mehr und mehr als unproduktiv erwies.
Schon 1981 wurde Michael Scott für die firmeninternen Probleme verantwortlich gemacht. Nach seiner Entlassung im März übernahm Markkula vorübergehend den Posten des CEO, doch hinter den Kulissen suchte man fieberhaft nach einem Nachfolger. Jobs suchte nach einer Person, die er beeinflussen konnte, um seine eigene Position innerhalb des Unternehmens zu festigen. Im Herbst 1981 war seine Wahl gefallen, Jobs hatte John Sculley, den CEO von Pepsi-Cola USA, als Wunschkandidat auserkoren. Nach einem ersten Besuch zeigte sich Sculley von Apple beeindruckt, doch erst 18 Monate später, am 8. April 1983, wechselte er von der Ostküste der Vereinigten Staaten zu Apple nach Kalifornien. Im Nachhinein gab Sculley an, dass ihn vor allem eine Frage von Steve Jobs zu seinem Wechsel bewogen habe:
Diese Frage habe ihn aufgerüttelt, ihn über die Perspektiven seines Lebens nachdenken lassen, so Sculley. Bei Apple angekommen, sah sich Sculley mit einer ersten grossen Schwierigkeit konfrontiert: Der LISA, welcher einige Monate zuvor öffentlich präsentiert wurde, verkaufte sich nur schleppend. Zwar war die Auftragslage in den ersten Monaten viel versprechend gewesen, doch die Anzahl der Bestellungen sank von Monat zu Monat. Im Praxiseinsatz hatte der LISA mit zahlreichen Schwächen zu kämpfen. So erwies sich die mangelnde Kompatibilität zu anderen Plattformen immer mehr als Nachteil, die fehlende Möglichkeit, die Computer zu vernetzen, verstärkte den Effekt zusätzlich. Ausserdem plagten die Anwender verschiedene technische Probleme. Die von Apple entwickelten Diskettenlaufwerke waren unzuverlässig und verschiedene Programme arbeiteten nur sehr langsam. Doch die grössten Auswirkungen kamen durch Management-Fehler zu Stande. Apple verfolgte keine einheitliche Vertriebsstrategie und verlangte mit nicht weniger als 9’995 Dollar einen zu hohen Preis für den LISA. Sculley setzte ebenso wie Jobs seine Hoffnungen auf den Macintosh, die Versuche, den LISA doch noch zu einem erfolgreichen Produkt zu machen, waren nur halbherzig. Apple begann zwar schon nach kurzer Zeit, den LISA ohne Softwarepaket für 6’995 Dollar zu verkaufen und arbeitete auch an einem Nachfolgemodell, dem LISA 2, doch man liess keine Zweifel daran aufkommen, dass man den LISA als gescheitert und den Mac als Produkt der Zukunft betrachtete.