iTunes und die Revolution der digitalen Musik
Kapitel 18
2. Ausgabe vom Dezember 2009
Mit iTunes und dem iPod besass Apple zwei Puzzleteile, um im Musik-Geschäft erfolgreich Fuss zu fassen. Doch Steve Jobs hatte weit ehrgeizigere Pläne, als mit dem iPod lediglich ein trendiges Multimedia-Gadget zu verkaufen. In seinen Augen war der iPod nichts weniger als der Ausgangspunkt einer digitalen Revolution, welche das gesamte Musik-Business umkrempeln sollte. Um diese Revolution ins Rollen zu bringen, benötigte Apple jedoch noch ein weiteres Puzzleteil: den iTunes Store.
Der iTunes Store öffnete seine Pforten im April 2003, damals noch unter der Bezeichnung iTunes Music Store. Fortan war es möglich, Songs in digitaler Form direkt über iTunes zu beziehen. Apple startete mit einem Angebot von 200’000 Titeln der fünf grössten Plattenlabels. Ein einzelner Song im AAC-Format kostete 99 Cent, für ein Album verlangte Apple 9.99 US-Dollar. Im iTunes Music Store erworbene Songs liessen sich auf mehrere Macs und iPods kopieren und natürlich auch auf CD brennen.
Die Ankündigung des iTunes Stores schlug hohe Wellen in der Musik-Industrie. Sie fiel in eine Zeit, in der sich die ganze Branche mit einbrechenden Umsätzen konfrontiert sah. Die rasant wachsende Zahl der Besitzer von MP3-Playern lehnte die klassische Musik-CD je länger je mehr ab. Gleichzeitig explodierten die Downloadzahlen der immer beliebter werdenden Musiktauschbörsen im Internet. Tatenlos sahen die Plattenlabels zu, wie die digitale Revolution die Gesetze des Marktes in Rekordzeit veränderte und ihre herkömmlichen Vertriebswege an Bedeutung verloren.
Mit dem iTunes Store hatte Apple das geschafft, woran die Plattenlabels allesamt gescheitert waren. Nämlich ein funktionierendes Geschäftsmodell für den Vertrieb von digitaler Musik auf die Beine zu stellen. Apple-CEO Jobs höchstpersönlich hatte sich mit den Musikbossen an einen Tisch gesetzt und die Vereinbarungen ausgehandelt. Zwei Drittel des iTunes-Umsatzes sollten an die Musik-Industrie gehen, ein Drittel wanderte in Apples eigene Kassen.
Der iTunes Store zeichnete sich insbesondere durch seine Einfachheit aus. Als Anwender konnte man in einem gigantischen Musik-Katalog stöbern und jeden Song mit einem einzigen Mausklick kaufen. Gemeinsam bildeten der iPod, iTunes und der Music Store ein Ökosystem, welches das Potenzial besass, die klassischen Vertriebswege im Musik-Geschäft zu überflügeln. Viele Beobachter sahen im iTunes Music Store den ersten Lichtblick für die Musik-Industrie seit langem. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass Apples virtueller Plattenladen bei seiner Eröffnung noch alles andere als perfekt war.
Ein offensichtlicher Mangel waren die Lücken im Musikkatalog. Apple bot rund 200’000 Songs der fünf grössten Plattenlabels an, kleinere Labels waren kaum vertreten. Eine weitere Einschränkung bildete die Tatsache, dass iTunes nur auf Mac-Rechnern lief und sich die Songs zwar auf einen iPod, nicht aber auf andere MP3-Player kopieren liessen. Ausserdem konnten zu Beginn nur US-Bürger im iTunes Music Store einkaufen.
All diese Einschränkungen hinderten Apple aber nicht daran, mit dem Music Store von Beginn an Erfolge zu feiern. Fünf Tage nach der Eröffnung hatte Apple bereits eine Million Songs verkauft. In den darauf folgenden Monaten und Jahren baute Apple den iTunes Store kontinuierlich aus. Im Herbst 2003 veröffentlichte Apple iTunes für Windows und im Sommer 2004 schaffte der iTunes Store den Sprung nach Europa. Innert weniger Jahre wuchs das Angebot des Stores auf über zehn Millionen Musiktitel. Später nahm Apple auch Hörbücher, Podcasts, Musikvideos, TV-Serien und Filme in den Katalog auf.
Im Sommer 2004 überschritten die Verkaufszahlen die Grenze von 100 Millionen Musiktiteln, 18 Monate später hatte Apple bereits eine Milliarde Songs abgesetzt. Bis 2009 wuchsen die Downloadzahlen auf rund zehn Millionen Songs pro Tag, Apples Marktanteil im Online-Musikvertrieb stabilisierte sich bei über 70 Prozent. Unterdessen war der iTunes Store so erfolgreich, dass er nicht nur die iPod-Verkäufe ankurbelte, sondern auch einen substanziellen Betrag zu Apples Einnahmen beisteuerte.
Apples Erfolge mit dem iPod und dem iTunes Store veränderten die öffentliche Wahrnehmung des Unternehmens nachhaltig. Apple, einst ein reiner Computerhersteller, hatte sich zum erfolgreichen Anbieter von Consumer-Elektronik gemausert. So war es keine Überraschung, als Steve Jobs am 9. Januar 2007 bekannt gab, Apple werde das Wort «Computer» aus dem Firmennamen streichen. Aus «Apple Computer, Inc.» wurde «Apple, Inc.». Am gleichen Tag kündigte Apple an, mit dem «iPhone» ins Mobilfunkgeschäft einzusteigen.