Geburt eines Mythos: Die Gründung von Apple
Kapitel 01
2. Ausgabe vom Dezember 2009
Dem Mythos nach wurde Apple Computer, die Firma mit dem angebissenen Apfel als Logo, am ersten April des Jahres 1976 vom 21-jährigen Steven Paul Jobs und dem knapp fünf Jahre älteren Stephen Gary Wozniak in der Garage von Jobs Elternhaus in Los Altos bei San Francisco gegründet. Apples Gründungsgeschichte erzählt von einem typischen Garagenunternehmen, wie es sie in den 70er-Jahren im Silicon Valley zu Tausenden gab, und wird heute allgemein als die Wahrheit über den legendären Ursprung der Firma Apple angesehen. An dieser Geschichte gibt es nur einen Haken: Sie ist falsch. Tatsächlich wurde Apple an jenem Tag im April 1976 von drei Partnern in einem Schlafzimmer gegründet. Neben den beiden Steves, Jobs und Woz, war noch eine dritte Person mit von der Partie: Ronald Gerald Wayne, ein 41-jähriger Grafiker, welcher ebenso wie Jobs beim Spielehersteller Atari arbeitete.
Jobs holte seinen Freund Wayne in der Hoffnung an Bord, bei wichtigen Entscheidungen einen Vorteil gegenüber Wozniak zu besitzen. So kam es, dass Wayne zehn, und die beiden Steves je 45 Prozent der Anteile ihres neu gegründeten Unternehmens besassen. Damit war Apple geboren.
Steve Jobs und Stephen Wozniak lernten sich schon einige Jahre vor Apples Gründung kennen. Jobs wuchs bei seinen Adoptiveltern Paul und Clara Jobs in Mountain View und später in Los Altos, zwei Kleinstädten im Silicon Valley, auf. Der Landstrich war bekannt für seine hohe Dichte an Firmen der Elektronikbranche, Unternehmen wie Hewlett-Packard oder IBM hatten dort ihren Sitz.
Es dauerte nicht lange, da entwickelte sich das Silicon Valley zu einem Paradies für leidenschaftliche Bastler und Tüftler, welche ihr Leben der Elektronik verschrieben. Geprägt durch die Arbeit ihrer Eltern in den Elektronikabteilungen der grossen Unternehmen sowie dank der zahlreichen Elektronikhändler und Fertigungsstätten fanden junge Bastler im Silicon Valley optimale Voraussetzungen zur Ausübung ihres Hobbys. Einer dieser Bastler war Stephen Wozniak, von seinen Freunden stets Woz genannt, der Nachbar von Bill Fernandez, eines Mitschülers von Jobs. Woz, der seinen Lehrern bereits zu Schulzeiten als grosses Elektroniktalent auffiel, konstruierte im Alter von 21 Jahren gemeinsam mit Fernandez in dessen Garage seinen ersten Computer. Der Computer verfügte bereits über einige Schalter und LEDs, Woz nannte ihn Creme-Soda-Rechner. Eines Tages lud Fernandez seinen Schulkollegen Jobs in die Garage ein, um ihm den Computer vorzuführen. Dies führte zur ersten Begegnung zwischen Jobs und Woz. Steve Jobs war tief beeindruckt von jenem Computer. Nach diesem ersten Zusammentreffen verloren sich die beiden Steves für eine Weile aus den Augen. Erst als Jobs während seinen Schulferien einige Wochen bei Hewlett-Packard, dem Arbeitgeber von Woz, arbeiten konnte, trafen sich die beiden wieder und freundeten sich an.
Zu jener Zeit beschäftigte sich Woz mit der Konstruktion einer so genannten blue box. Dieses Gerät erlaubte es, kostenlose Ferngespräche zu führen, indem es die Signale der Telefongesellschaft emulierte. Jobs besorgte die Bauteile für die blue boxes zu einem Preis von lediglich 40 Dollar, liess die Geräte von Woz zusammenbauen und verkaufte sie anschliessend für 150 Dollar an Studenten. Den Ertrag teilten die beiden unter sich auf. Als 1972 die Kontrollen massiv verschärft wurden, mussten sie den Verkauf ihrer blue boxes einstellen.
In den darauf folgenden Jahren kehrte Jobs dem Silicon Valley den Rücken und beschäftigte sich mit seinen Studien am Reed College in Oregon, brach das Studium aber vorzeitig ab, um mit seinem Freund Daniel Kottke auf der Suche nach spiritueller Erleuchtung eine Reise nach Indien anzutreten. Erst 1974, nach zweijähriger Abwesenheit, kehrte Jobs ins Elternhaus im Silicon Valley zurück. Dort fand er einen Arbeitsplatz als Techniker beim Spielehersteller Atari.
Kurz zuvor hatte Atari das erste Videospiel der Geschichte, ein elektronisches Tischtennisspiel namens Pong, auf den Markt gebracht. Pong schlug bei den Spielpalästen ein wie eine Bombe, die Verkaufszahlen übertrafen sämtliche Erwartungen. Steve Jobs erhielt die Aufgabe, die Elektronik für das Nachfolgeprodukt zu entwickeln. In diesem Spiel, welches Breakout hiess, musste der Spieler mit Hilfe eines Schlägers am unteren Bildschirmrand einen Ball auf die Ziegelsteine darüber schlagen. Schon bald realisierte Jobs, dass er mit dieser Aufgabe gnadenlos überfordert war, und suchte bei seinem alten Freund Wozniak Hilfe. Dieser arbeitete vier Nächte hintereinander an einem Entwurf für Breakout. Stephen Wozniaks Fassung von Breakout benötigte nur 42 Chips und war so gut, dass kein Atari-Techniker die Funktionsweise der Schaltkreise verstand. Um das Spiel ausliefern zu können, musste es Atari deshalb intern noch einmal neu entwerfen. Wozniak bekam von Steve Jobs für seine Hilfe 350 Dollar, gemäss Jobs die Hälfte von dem, was er für die Entwicklung von Breakout erhielt. Erst Jahre später erfuhr Woz, dass Atari 5’000 Dollar an Jobs bezahlt hatte, und dass Jobs ihn somit betrogen hatte.
1975 brachte die Firma MITS mit dem 397 Dollar teuren Altair den ersten Computerbausatz auf den Markt. Damit begann das Zeitalter der Personal Computer. Inspiriert durch den Altair begannen im Silicon Valley immer mehr Bastler mit der Konstruktion eigener Computer. Einige fanatische Tüftler gründeten daraufhin den Homebrew Computer Club, der ihnen die Möglichkeit gab, eigene Entwürfe zu präsentieren und über neue Ideen und Konzepte zu diskutieren. Wozniak war von Beginn weg dabei und auch Jobs nahm bald regelmässig an den Treffen teil. Eines Tages enthüllte Woz seinen neusten Entwurf, einen leistungsfähigen Computer mit Fernsehanschluss. Der Computer besass eine Tastatur und liess sich in BASIC programmieren.
Jobs erkannte auf den ersten Blick das Potenzial dieses Rechners und schlug vor, eine Firma zu gründen, um den von Woz konstruierten Computer kommerziell zu vertreiben. Wozniak, der lieber Computer entwarf als verkaufte, wollte seinen Arbeitsplatz bei HP nicht grundlos aufs Spiel setzen. Erst als Jobs ihm versprach, die Gründung einer eigenen Firma würde die Entwicklung eines Nachfolgemodells des Computers finanzieren und er ausserdem mit Ronald Wayne einen dritten Partner an Land zog, willigte Woz schliesslich ein. Die drei nannten ihre Firma Apple Computer und gaben Wozniaks Rechner den Namen Apple I. Wayne, der seinen Job bei Atari beibehielt, gestaltete in seiner freien Zeit ein Firmenlogo für Apple. Sein Entwurf zeigte Isaac Newton unter einem Apfelbaum sitzend, auf dem Rahmen stand «Newton… A mind forever voyaging through strange seas of thought… alone», ein Zitat aus einem Gedicht von William Wordsworth.
Nach der Gründung brauchte Apple möglichst viel Kapital, um die Produktion des Apple I zu finanzieren. Aus diesem Grund verkaufte Jobs seinen roten VW-Bus für 1’500 Dollar und Wozniak erhielt 250 Dollar für seinen programmierbaren Taschenrechner HP 65. Schon bald konnte Apple einen ersten Erfolg vorweisen, als nämlich Paul Terrell, der Inhaber des Byte Shop, den Apple I bei einem Treffen des Homebrew Computer Clubs sah und 50 Exemplare zum Stückpreis von 550 Dollar bestellte. Doch Terrell wollte den Apple I als vollständigen Computer und nicht als reine Platine verkaufen. Apple musste also nicht nur die zum Bau der Computer nötigen finanziellen Mittel auftreiben, sondern auch ein Gehäuse und ein Kassettenlaufwerk konstruieren. Während sich Woz um die technischen Probleme kümmerte, konnte Jobs einen Kredit über 5’000 Dollar und einen Zahlungsaufschub für die erworbenen Bauteile in der Höhe von 15’000 Dollar aushandeln. Um die Computer schliesslich zusammenzubauen, halfen zeitweise Bill Fernandez und Daniel Kottke mit.
Während Woz und Jobs rund um die Uhr an den Computern für den Byte Shop arbeiteten und bereit waren, sich dafür zu verschulden, wurde Wayne das Risiko zu gross. Er war sich nicht sicher, ob Terrell die bestellten Computer wirklich bezahlen würde. Wayne konnte durch den Gründungsvertrag unbegrenzt für Apples Schulden haftbar gemacht werden und beschloss deshalb, aus dem Vertrag auszusteigen. Zwölf Tage nach Apples Gründung verkaufte Wayne seine Anteile für 800 Dollar an Jobs und Wozniak, wodurch die beiden wieder auf sich alleine gestellt waren.
Im Nachhinein erwiesen sich Waynes Bedenken als falsch. Terrell zahlte die bestellten Geräte rechtzeitig, so dass Apple seine Schulden begleichen konnte. Durch diesen ersten Auftrag erwirtschaftete Apple fast 8’000 Dollar Gewinn, worauf Jobs die Produktion weiter steigern wollte. Deshalb wandte er sich im August 1976 an Armas Clifford ‘Mike’ Markkula, einen vermögenden Aktienbesitzer zahlreicher Elekronikfirmen, der im Alter von 34 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand getreten war. Ein Vierteljahr nach seinem Treffen mit Jobs gab Markkula seinen Ruhestand auf, investierte 92’000 Dollar in Apple und besorgte Apple überdies noch einen Kredit über eine Viertelmillion bei der Bank of America. Gemeinsam beantragten Jobs, Woz und Markkula am 3. Januar 1977 die Vergesellschaftung von Apple Computer, womit sie den Grundstein für die späteren Erfolge legten.