«Fotos» für Mac vs. iPhoto und Aperture

Die neue «Fotos»-App hat grosse Fussstapfen zu füllen. «iPhoto» ist bis heute eine der besten Apps für die einfache Fotoverwaltung auf einem Personal Computer. «Aperture» auf der anderen Seite war ganz auf die hohen Anforderungen von professionellen Fotografen ausgerichtet — hat aber leider schon länger kein umfangreiches Update mehr erfahren. Trotzdem blieb die Pro-App bis heute die erste Wahl von vielen semi- oder vollprofessionellen Fotografen.

Ist Fotos ein Ersatz für iPhoto?

Fotos soll sowohl iPhoto wie auch Aperture beerben — tut dies auf den ersten Blick aber vor allem bei iPhoto. Fotos, so könnte man behaupten, ist eine Neuauflegung von iPhoto. Zwar sieht alles etwas schlichter und moderner aus, und hier und dort fehlt eine Funktion, aber Nutzer der altehrwürdigen Fotoverwaltungssoftware dürften sich bei Fotos schnell zu Hause fühlen.

Einige der zentralen Möglichkeiten zur Organisation der Aufnahmen aus iPhoto fehlen bzw. diese Funktionen sind in einer anderen Form in Fotos enthalten. Beispielsweise lassen sich Aufnahmen in Fotos nicht mehr wie in iPhoto mit einer Flagge markieren, sondern werden nun über ein Herzsymbol favorisiert. Des Weiteren gibt es bei Version 1.0 von Fotos keine Wertung mit Sternen mehr. Eine entsprechende Auszeichnung kann aber beispielsweise mit einer diesfälligen Verschlagwortung mittels Tags erreicht werden — was Fotos bei der Übernahme einer iPhoto-Library übrigens automatisch macht (mehr dazu in «iPhoto-Mediathek in Fotos importieren»). Die «Ereignisse»-Übersicht musste, analog der Fotos-App unter iOS, einer konzeptionell etwas anders funktionierenden «Momente»-Ansicht weichen.

Natürlich wurden bei Fotos nicht einfach nur Funktionen von iPhotos gestrichen, sondern die App gewinnt auch einige neue Funktionen im Vergleich zur alten Fotoverwaltungssoftware. Insbesondere mit einer tiefen iCloud-Anbindung und neuen Bearbeitungsmöglichkeiten will das Tool überzeugen.

Kann Fotos Aperture wirklich das Wasser reichen?

Apples Versprechen, dass Fotos auch für Aperture ein Ersatz sein soll, erfüllt sich zumindest in dieser ersten Version noch nicht. Hobby-Fotografen, die bisher zwar Aperture nutzten, dort aber nur die rudimentärsten Funktionen nutzten, dürften hingegen auch mit Fotos gut bedient sein — nicht zutreffen wird dies hingegen für professionelle Fotografen, die auf die fortgeschrittenen Funktionen der Pro-App schören und darauf angewiesen sind.

Fotos unterstützt derzeit weder Plug-Ins von Drittherstellern, noch das Bearbeiten von Fotos in anderen Programmen wie Photoshop oder dergleichen. Auch können in Fotos keine verschiedenen unabhängigen Projekte angelegt werden wie dies bei Aperture der Fall war. Organisations-Funktionen wie farbige Etiketten oder die Wertung mit Sternen sind nur noch über entsprechende Schlagworte möglich. Auch Funktionen wie das Exportieren von Fotos in verschiedenen Formaten, Bildqualitäten, Gammas und Farbprofilen sind genau so nicht verfügbar wie das Hinzufügen von Wasserzeichen oder Modis wie Tethered Shootings.

Nebstdem sind die Bearbeitungsmöglichkeiten in Fotos zwar nicht von schlechten Eltern, aber sie kommen nicht an jene von Aperture heran.

Ob fleissige Aperture-Nutzer, die auch auf die erweiterten Funktionalitäten der Software angewiesen sind, vorerst bei Aperture bleiben möchten und die Hoffnung auf eine erweiterte Fotos-App nicht aufgeben — es gab zumindest einmal Gerüchte, wonach die Fotos-App mittels Plug-Ins mit professionellen Tools modular erweitert werden kann — oder ob sie sich bald mal anderweitig umsehen sollten — beispielsweise bei Adobe Lightroom oder Corel AfterShot Pro um nur zwei Alternativen zu nennen — muss jeder für sich und basierend auf seiner individuellen Situation selbst entscheiden. Gleiches gilt natürlich aber auch für iPhoto-Nutzer die mit Fotos nichts anfangen können.

Nun die gute Meldung: Fotos kann zwar sowohl die iPhoto- wie auch die Aperture-Mediathek importieren, die originale Fotosammlung bleibt derweil aber unverändert. Wem Fotos nicht zuspricht, kann also jederzeit zu iPhoto oder Aperture zurück wechseln und dort weiterarbeiten bzw. von dort auf eine Alternative wechseln.

Schlussendlich bleibt also nur Apples Versprechen, dass Fotos auch Aperture beerben soll — und der Blick in Apples jüngste Vergangenheit: Als das Unternehmen vor wenigen Jahren die professionelle Video-Suite «Final Cut Pro» mit der radikalen Neuaufgleisung «Final Cut Pro X» ersetzte, gab es einen grossen Aufschrei aus der Video-Pro-Community. Mit FCP X liess Apple diverse für viele Pro-Nutzer essentielle Funktionen weg, versprach derweil aber diese zu einem späteren Zeitpunkt nachzuliefern. Gleichzeitig konnte die etablierte alte Final-Cut-Pro-Version weiterhin genutzt werden. Mittlerweile hat Apple die meisten der mit dem FCP-X-Launch vermissten Funktionen nachgereicht. Ob auch Aperture ein ähnliches Schicksal bestimmt ist, und Fotos über die nächsten Monate und Jahre umfangreich erweitert wird, ist jedoch alles andere als sicher — wie erwähnt gab es zumindest bereits entsprechende Gerüchte die sich eine Zeit lang hartnäckig hielten. Schlussendlich gilt: die Hoffnung stirbt zuletzt.

Von Stefan Rechsteiner
Veröffentlicht am

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