Microsoft zeigt ersten Blick auf Windows 8 (Videos)
Das einstig übermächtige Microsoft kam in den letzten Jahren mächtig unter Druck — von niemand geringerem als dem ehemaligen Underdog Apple und dem Internet-Riesen Google. Microsoft hat not am Manne: der Branchenprimus aus Redmond muss nicht nur mit zahlreichen Problemen bisheriger Produkte kämpfen, sondern sollte gleichzeitig auch überzeugende neue Produkte präsentieren und Innovation betreiben. Vor allem letzteres, so wurde Microsoft über Jahre hinweg vorgeworfen, blieb weitgehend auf der Strecke.
Zuerst konnte Microsoft Apple bei der Revolution der Musik-Branche in keinster Weise das Wasser reichen, danach kam mit dem iPhone die Revolution bei den Mobiltelefonen/Smartphones und nun sind es die Tablet-Computer bei denen Apple überlegen den Markt an sich riss. Auch der Markt rund um die Mac-Computer läuft immer erfolgreicher — zwar nicht zu vergleichen mit der Vorherrschaft von Apple (und Google) im mobilen Segment, aber auch hier wenden sich immer mehr von Microsoft ab und wechseln zu Apple.
Gegen Google weiss Microsoft nur im E-Mail- und Instant-Messaging-Geschäft etwas auszurichten, gerät aber auch hier zunehmend ins Hintertreffen. Microsoft muss sich bis dato auch sonst im Internet von Google geschlagen geben. Und mit Android, dem Google-Betriebssystem für Smartphones und Tablets, ist Google auch beim lukrativen mobilen Geschäft einer der Hauptkonkurrenten für Microsoft.
Bei Microsoft mussten also neue Denkweisen her. Microsoft muss Innovation betreiben und — wohl oder übel — bei vielen Sachen über ihren eigenen Schatten springen: grosse Veränderungen müssen her, sonst ist die Zukunft Microsofts keine solch erfolgreiche Geschichte mehr, wie deren Verlauf bis Mitte Nullerjahre des neuen Jahrtausends.
Neue Denkweisen und Innovation gab es: letztes Jahr brachte Microsoft mit «Windows Phone 7» ein Smartphone-Betriebssystem auf den Markt, das sich von der grafischen Benutzeroberfläche und der Benutzerführung entscheidend von allen anderen bisher erhältlichen Systemen wie iOS, Android, Blackberry oder webOS unterschied. Microsoft hatte endlich den Mut, die alteingesessenen Menüs, Fenster und sonstigen Gepflogenheiten des Windows-mobile-Betriebssystems über Bord zu werfen und mit «Windows Phone 7» etwas komplett anderes in die Welt zu setzen.
Während das neue Betriebssystem bei den Brachen-Kritikern grösstenteils gut ankam, hapert der Absatz der Geräte mit «Windows Phone 7» vor sich hin. Nichts desto trotz hält Microsoft eisern am Konzept der neuen Benutzeroberfläche fest. Microsoft scheint derart von diesem neuen Konzept überzeugt zu sein, dass man nun sogar den «Heiligen Gral» aus Redmond, ‘Windows itself’, auf diesen neuen Fahrplan hieven möchte.
Auch das Desktop-Betriebssystem Windows wird nun nämlich in der nächsten Version wirklich im «Touch»-Zeitalter ankommen. Der Windows-Computer der Zukunft lässt sich mit Fingern und Multitouch-Gesten bedienen, Icons werden durch Kacheln ersetzt und von Fenstern, Ribbon-Leisten und endlosen Menüs ist (zumindest auf den ersten Blick) nichts mehr zu sehen: Mit «Metro» hält die neue Benutzeroberfläche aus «Windows Phone 7» auch bei Windows 8 Einzug. Ausserdem ist Windows 8 die erste Windows-Version, die auch speziell für Tablet-Computer entworfen wurde.
Windows 8 wurde diese Woche erstmals komplett der breiten Öffentlichkeit vorgestellt — zwar hat Microsoft schon über die letzten Monate immer wieder einen Blick auf den Windows-7-Nachfolger erlaubt, jetzt wurde das neue OS aber erstmals in seiner Gesamtheit gezeigt. Laut Microsoft wird sich die User Experience in 8 grundlegend vom bisherigen Windows unterscheiden. Windows-Benutzer haben mit Windows 8 nicht mehr länger einen Schreibtisch vor sich auf dem Bildschirm. Auch dürfe man sich von Programmen in Fenstern und Menüs am oberen Ende dieser Programm-Fenster verabschieden — in Metro werden Programme nicht durch doppelklicken eines Icons gestartet, sondern durch berühren einer Kachel. Der Unterschied zwischen einem Icon und einem Kachel ist rein visuell jedoch nicht sonderlich innovativ, aber sehr wichtig, wie es Microsoft betont: Kacheln seien ausdrucksstäcker als es Icons sind. Während Icons die Programmstarter «von gestern» waren, können Kacheln aktualisierte Informationen beinhalten. Eine Kalender-Applikation kann das aktuelle Datum anzeigen (ähnlich wie es Mac OS Xs iCal Icon bereits seit Jahren macht), eine Mail-App kann im Kachel die Anzahl neuer E-Mails anzeigen, eine Wetter-Applikation die Wetter-Voraussagen direkt im Kachel anzeigen und so weiter.
Ein weiterer Aspekt, den Microsoft mit Metro und Windows 8 verfolgen möchte, ist «Funktion über Applikation»: Bei Metro sollen sich ganze Applikationen im Vordergrund stehen, sondern eher deren Funktionen. Das Wechseln zwischen diesen Applikationen bzw. Funktionen oder schlicht: Kacheln geht via Multitouch-Gesten von sich. Dabei gibt es auch eine Art Start-Menü namens «Charms» mit Schnellzugriff auf die Suche, Sharing-Optionen und den Startbildschirm. Weiter lassen sich die Kacheln jederzeit verschieben und in Gruppen sortieren, diese wiederum können ebenfalls durch Gesten herein- oder hinausgezoomed werden — Microsoft nennt dies «semantisches Zoomen».
Wie von den mobilen Betriebssystemen iOS, Android etc. und der aktuellen Mac-Betriebssystemversion «OS X Lion» vorgezeigt, werden auch bei Windows 8 bzw. Metro Applikationen im Vollbildmodus angezeigt. Durch Touch-Gesten nach unten oder auf die Seiten erhält man eine Übersicht über die laufenden Programme oder hat Zugriff auf das Start- bzw. Charmsmenü und andere Funktionen.
Ein kompletter Neuanfang ist Windows 8 aber trotzdem nicht, denn das normale, ‘traditionelle’ Windows gibt es auch weiterhin. Sobald zum Beispiel in den Einstellungen zum System nähmlich etwas komplexeres konfiguriert werden muss, wechselt Metro zurück zum ganz normalen Windows. Microsoft begründet dies damit, dass gewisse «Präzisions Programme» am besten mit der Maus bedient werden können — deshalb werden diverse Windows-Einstellungen, Programme wie Photoshop oder auch der Task Manager von Windows 8 über die normale, alte Windowsoberfläche benutzt.
Windows 8 ist nicht nur äusserlich an Tablet-Computer angepasst, sondern läuft neu auch auf Geräten mit ARM-Prozessoren. Die eben genannten traditionellen Windows-Programme sind auf diesen Geräten nicht lauffähig, Microsoft bietet — anders als zum Beispiel Apple damals bei den Übergängen von Classic auf OS X oder von (RISC) PowerPC- auf (CISC) Intel-Prozessoren — keine Emulierung-/Virtualisierungsumgebung an, sodass man auf nahezu alle bisherigen Programme verzichten muss. Microsoft begründet die Abstinenz einer Übergangslösung darin, dass bisherige Programme die Vorzüge von ARM-Prozessoren (z.B. besseres Stromverbrauch-Management wenn die Leistung nicht gebraucht wird) nicht nutzen könne und es deshalb keinen Sinn machen würde, diese über einen Emulator für ARM lauffähig zu machen.
Metro-Applikationen sind sowohl auf x86- wie auch ARM-Prozessoren lauffährig und werden entweder mit dem XAML-Framework odeer mit HTML5, JavaScript und CSS entwickelt.
Neben all dem bringt Windows 8 noch zahlreiche andere neue Funktionen und Möglichkeiten — auch die ‘Cloud’ ist mit diversen Windows-Live-Diensten eng in Windows 8 integriert. Auch der Internet Explorer wird mit Version 10 wohl einen grossen Sprung erleben und holt vor allem bei der Unterstützung von diversen CSS3-Funktionen nach jahrelanger Wartezeit wieder etwas gegenüber der WebKit- und Gecko-Konkurrenz auf.
Eine Vorabversion von «Windows 8» kann seit zwei Tagen zum Testen von Microsoft.com heruntergeladen werden — wie Microsoft CEO Steve Ballmer gestern verlauten liess, wurde alleine in den ersten 12 Stunden über eine halbe Milion Mal von diesem Angebot Gebrauch gemacht.
Bildergalerien zu Windows 8 gibt’s unter anderem bei ArsTechnica, Golem.de und thisismynext.com
Von Stefan Rechsteiner
Veröffentlicht am
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Kommentar von FiveO
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