D10 Konferenz: Apple CEO Tim Cook im AllThingsD-Interview

In der Nacht auf heute fand in Kalifornien das grosse Interview mit Apple CEO Tim Cook zur Eröffnung der AllThingsD «D10» Konferenz statt (macprime.ch berichtete). Das Gespräch an der AllThingsD-D10-Konferenz ist Tim Cooks erstes grosses öffentliches Interview seit er vergangenen August den obersten Posten bei Apple übernommen hat. In diesem Artikel fassen wir die Aussagen von Tim Cook zusammen. Durch das Gespräch führten wie immer die beiden AllThingsD-Journalisten Walt Mossberg und Kara Swisher.

Apple und der Tablet-Markt

Apple habe nicht den Tablet-Computer erfunden, sondern den modernen Tablet. Anders als Microsoft sehe Apple den Tablet-Computer als etwas eigenständiges an, nicht als Zusatzgerät zu einem normalen PC. Der Erfolg mit dem iPad bekräftigt Apple im Glauben, dass Apple auf der richtigen Schiene sei. Apple habe bereits vor der Lancierung des iPads daran geglaubt, dass der Tablet-Markt mächtiger werden könnte als der PC-Markt — auch diese Einschätzung scheint sich nun zu bewahrheiten.

Tim zu Steve Jobs Tod

Der Tag, an dem Steve Jobs von uns ging, sei für Tim Cook einer der schlimmsten Tage seines Lebens gewesen. Als Führer der weltweit wertvollsten Firma hatte Cook aber wenig Zeit, um in Trauer zu sein: «At some point late last year, somebody kind of shook me and said, ‘It’s time to go on.’» Cook habe seine Trauer danach in das Verlangen gewandelt, Jobs Erbe weiterzuführen. Einer der Lektionen, die Cook von Jobs gelernt habe, sei der Fokus auf Produkte und das eigene Leben. Er habe von Jobs gelernt, dass der Spass im Weg läge und dass das Leben sehr wertvoll sei. «Der morgige Tag ist nicht garantiert, gib also schon heute alles.» Cook lobte Jobs auch für seinen Mut, eigene Fehleinschätzungen einzugestehen. Jobs Fähigkeit seine Meinung um 180 Grad zu drehen sei «eine Kunst» gewesen.

Bessere Facebook-Integration in iOS?

Auf die Frage hin, was man mit Facebook plane, da man mit iOS 5 und OS X Mountain Lion nun Twitter integriert habe, antwortete der Apple CEO mit «Stay tuned.» und dass das Verhältnis zu Facebook ‘solid’ sei. In einer frühen iOS 4 Beta-Version gab es bereits einmal eine tiefe Facebook-Integration in iOS — die Funktion verschwand kurz vor dem Release 2010 aus dem iPhone-Betriebssystem. Damals wurde gemunkelt, dies sei die Reaktion von Apple auf Facebooks damaliges Aussperren des Apple-Musikneztwerkes «Ping». Des Weiteren sagte Cook auch, dass man nie an einem Kauf von Instagram interessiert war — bekanntlich kaufte Facebook den Fotoservice letzten Monat für eine Milliarde US-Dollar.

Siri: Coole neue Sachen werden kommen…

«Viele Leute arbeiten derzeit an Siri» und «Siri könne noch so viel mehr machen», so Cook. Cook sieht in Siri die Bestätigung dafür, dass die Steuerung über die Sprache nun im Mainstream angekommen sei. Die Beliebtheit von Siri zeige zudem, dass die Leute diesen digitalen Assistenten, der über die Sprache gesteuert wird, wirklich wollen. Apple sei zufrieden damit, wohin sich Siri entwickle. «Über die nächsten Monate» werden einige Verbesserungen und neue Ideen für Siri kommen, so Cook. «I think you are going to be really pleased with where we take Siri.»

Grössere Geheimhaltung

Bei Apple wird Geheimhaltung gross geschrieben, das ist nichts neues. Cook möchte nun aber die bereits sehr hohen Geheimhaltungsprozesse innerhalb Apple weiter verschärfen. «We’re going to double down on secrecy», so Cook. «I’m very serious about this. Double down.» Dieses Thema sei sehr schwierig und komplex, aber man werde in Zukunft noch mehr auf Geheimhaltung setzen. In den letzten Jahren gab es einige grössere Leaks, bei denen Produkte oder Teile davon vor der eigentlichen Vorstellung in den Umlauf gerieten (zum Beispiel 2010, als in einer Bar ein iPhone 4 verloren ging). Die Konkurrenz nutze solche Momente schamlos aus und kopiere daraufhin was das Zeug hält.

Apple TV ist nicht nur mehr ein Hobby

Tim Cook nannte gestern auch neue Verkaufszahlen zur Settop-Box Apple TV. In den ersten Monaten dieses Jahres habe Apple bereits 2.7 Millionen Apple TVs verkauft. Die neue 1080p-Version habe den Verkauf regelrecht angekurbelt. Im ersten Quartal nannte Apple noch Verkaufszahlen von 1.4 Millionen Stück — im ganzen letzten Jahr waren es deren 2.8 Millionen Settop-Boxen. Apple fokusiere sich normalerweise darauf, möglichst wenige Produkte anzubieten — Apple TV sei eine Ausnahme, weil Apple auf dem Produkt blieb, auch wenn es zuerst Anlaufschwierigkeiten hatte (Apple TV wurde bereits 2006 eingeführt, ist aber erst seit 2010 wirklich erfolgreich). Apple TV sei zwar kein fünftes Standbein für Apple — es sei nicht so gross wie der Smartphone-, Mac- oder Tablet-Markt. Durch die guten Verkaufszahlen sei das Apple TV nun aus einem Hobby zu einem wichtigen Produkt geworden. Auf die Frage hin, ob Apple weiterhin nur Settop-Boxen herstellen wolle und die eigentlichen Fernseher anderen überlassen wolle, antwortete Cook: «Can we control the key technology? Can we make a significant contribution far beyond what others have done in this area?». Ausserdem: «We’re going to keep pulling the string and see where it takes us»

Wie Tim Cook zu Apple stiess

Tim Cook erzählte an der D10-Konferenz auch, wie er vor fast 15 Jahren zu Apple stiess. Cook arbeitete damals bei Compaq und wurde von einer von Apple beauftragen Firma angefragt, ob er zu Apple wechseln wolle. Cook verneinte mehrmals, bis er dann doch einem Treffen mit Steve Jobs zusagte. Bei dem Gespräch mit Steve Jobs dauerte es angeblich keine fünf Minuten, bis Cook zum Entschluss kam, er möchte künftig umbedingt bei Apple arbeiten. Zu den Gründen, weshalb Cook zu Apple wollte, gehöre vor allem Steve Jobs Vision des iMacs und die Apple-Strategie, statt wie die meisten anderen auf den Consumer Markt statt den Enterprise Markt zu setzen. Auch dass sich Steve Jobs nicht auf das Geld verschlagen hatte beeindruckte Cook. Als Cook nach dem Treffen wieder bei Compaq ankam, kündigte er dort sofort.

Ping! könnte eingestellt werden

Apple müsse mehr Funktionen und Möglichkeiten von Sozialen Netzwerken ausreizen, so Cook. Mit der Twitter-Integration in iOS und im nächsten OS X «Mountain Lion» sowie entfernt auch mit dem Game Center und iMessage bringe Apple bereits heute soziale Funktionen in ihre Produkte. Apples Versuch mit «Ping!» in iTunes ein soziales Musik-Netzwerk aufzuziehen ist bisher nicht sehr erfolgreich gewesen und Apple könnte das Netzwerk aufgrund fehlendem Interesse der Benutzer einstellen. Ping dürfte über kurz oder lang eingestellt werden: viel Energie wolle Cook nicht in das Musiknetzwerk stecken, er sei sich aber angeblich noch nicht sicher ob es eingestellt werden solle: «We’ll look at that»

Namensgebung: iPhone 4S — das S steht für Siri

Die Benennung von Produkten ist bei Apple an kein fixes Muster gegliedert, so Cook. Apple benenne seine Produkte meist nach seinen Eigenschaften. Beim iPod sei habe man zum Beispiel viele Bezeichnungen durchgemacht — je nach Formfaktor und Funktion (iPod, iPod mini, iPod nano, iPod shuffle, iPod Photo, iPod touch…). Meist setze Apple auf einen einfachen Produktnamen — wie iMac, MacBook Pro, MacBook Air — oder auf ein Produktnamen mit Zahlenfolge (iPad, iPad 2) oder aber mit einer eigenen ID wie «4S». Aber auch hier zählt der Kontext — das S beim iPhone 4S stehe zum Beispiel für «Siri», während es beim iPhone 3GS für «Speed» stand.

Patente sind «Pain In The Ass»

Angesprochen auf die diversen Patent-Streitigkeiten in denen sich Apple befindet, nannte Cook Patente schlicht ein «Pain In The Ass». Cook wiederholte auch die Aussage, die Steve Jobs bereits mehrmals machte: «We just want people to develop their own stuff and not rip us off.» Cook verglich Patente mit einem Künstler der Bilder malt: «Wir wollen nicht all unsere Energie und all unsere Sorge in das fertig stellen eines Bildes investieren, dem dann jemand anderes seinen Namen darunter setzt.» Apple wolle nicht der «Entwickler der Welt» sein. Das heutige Patent-System funktioniere diversen Stellen nicht. Niemand sollte aufgrund solch essentiellen Patenten verklagt werden, wie der Möglichkeit ein Produkt in ein 3G-Netzwerk einzuwählen. Apple habe niemanden aufgrund eigener Patente verklagt, die essentiell sind — Apple sehe dieses Vorgehen als «fundamental falsch» an. Die ganze Patent-Geschichte habe mittlerweile verrückte Züge angenommen, so Cook. «Es wird uns nicht von Innovation abhalten, aber es ist Overhead. Overhead, welches ich wünschte es würde nicht existieren.»

Videos des Interviews

Auf AllThingsD sind bereits einige Videos mit Ausschnitten des Interviews verfügbar.

D10 Video: Jobs Was an Awesome Flip-Flopper

(via AllThingsD, MacRumors, 9to5Mac, ArsTechnica, The Verge und MacWorld.)

Von Stefan Rechsteiner
Veröffentlicht am

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