Apples kritisches Signal an den Rechtsstaat

Apples CEO Tim Cook bekräftigte in einem Interview mit dem Fernsehsender ABC, dem FBI das iPhone 5c des San-Bernardino-Attentäters nicht zu hacken. Stattdessen arbeitet das Unternehmen angeblich an einer leistungsfähigeren Verschlüsselung. Apples Weigerung, trotz richterlicher Anordnung in einem Strafverfahren mitzuarbeiten, ist allerdings kritisch zu sehen. Das Unternehmen behindert aktiv die Justiz an ihrer Arbeit. Das ist bedenklich.

Patrick Bieri

Apples CEO Tim Cook hat gegenüber dem Fernsehsender ABC Apples Abwehrhaltung gegenüber dem FBI und der Justiz bekräftigt. Apple weigert sich, dem FBI die Möglichkeit zu geben, das iPhone 5c des San-Bernardino-Attentäters zu entschlüsseln. Beim Terroranschlag in San Bernardino wurden am 2. Dezember 2015 14 Menschen getötet und 21 weitere verletzt.

«Richtige, aber schwierige Entscheidung»

Auf der einen Seite sei die öffentliche Sicherheit der Menschen sehr wichtig, wie Tim Cook betonte. Auf der anderen Seite sei der Datenschutz aber ebenso wichtig. Den Datenschutz aufzuweichen könnte die Menschen verwundbar machen. Bereits in früheren Stellungnahmen strich Tim Cook hervor, dass auf dem Smartphone sehr viele private Daten gespeichert sind, die von Hackern und Kriminellen geschützt werden müssen. Die Kunden müssten von den Technologiekonzernen erwarten können, dass alles in ihrer Macht stehende unternommen wird, um die Daten zu schützen.

Das Interview von ABC mit Tim Cook

Tim Cook wurde auch darauf angesprochen, ob er beunruhigt sei, dass Apple mit dieser Verweigerungshaltung der Verhinderung künftiger terroristischer Anschläge im Weg stehen könnte. Für den Apple CEO ist diese Entscheidung richtig, aber zugleich auch hart.

Vorwürfe an das FBI

Tim Cook warf dem FBI und der Justiz vor, Apple nicht direkt über das Begehren um das Hacken des iPhones informiert zu haben. Apple habe erste Hinweise aus den Medien erhalten.

Dieser Darstellung widerspricht eine ungenannte Quelle aus dem Umfeld der Ermittlungsbehörden. Apples Rechtsabteilung habe als erstes vom Auskunftsbegehren erfahren. Eine offizielle Stellungnahme des FBI gibt es nicht.

Apple arbeitet an noch sichererem iOS

Einem Bericht der New York Times zufolge hat Apple damit begonnen, ein noch sichereres iOS-Update zu entwickeln. Mit diesem Update soll es in Zukunft nicht mehr möglich sein, das iPhone so zu entsperren, wie es das FBI im aktuellen Fall möchte.

Das FBI will, dass Apple die automatische Lösch-Funktion nach 10 PIN-Eingabefehlversuchen umgeht, automatische Code-Eingaben ermöglicht und die Wartezeit zwischen PIN-Eingabefehlversuchen aufhebt.

Gespaltene Öffentlichkeit

Die Öffentlichkeit ist gemäss Umfragen gespalten, ob sich Apple dem Druck der Justiz beugen soll oder nicht. Gemäss einer Umfrage des Pew Research Center lehnt eine Mehrheit Apples Haltung ab. Die Smartphone-Besitzer unterstützen Apples Haltung hingegen mehrheitlich. Einer Reuters-Umfrage zufolge steht eine Mehrheit hinter Apple.

Apples heikles Signal Kommentar von Redaktor Patrick Bieri

Apples kritische Haltung gegenüber dem FBI ist auf viel Zustimmung gestossen. Mit der Weigerung, den Behörden das Hacken eines iPhones zu ermöglichen, verhindert Apple nach eigenen Angaben auch, dass Kriminelle ein iPhone hacken können.

Auf den ersten Blick ist diese Argumentation einleuchtend. Wenn sich Apple allerdings weigert, trotz richterlicher Anordnung in einem Strafverfahren mitzuarbeiten und gleichzeitig Massnahmen trifft, um künftige Anfragen nicht mehr bearbeiten zu können, weil es technisch nicht möglich sein wird, dann ist dies ein verheerendes Signal im Rechtsstaat. Apple hebelt gezielt die Justiz aus und verhindert die Aufklärung von Straftaten. Gerade die Justiz als unabhängige Behörde soll die Möglichkeit erhalten, im Rahmen des Rechts auch auf sensible Daten zugreifen zu können, wenn dies für die Aufklärung von Straftaten unerlässlich ist. Nach der Begehung eines Verbrechens ist es notwendig, eine Straftat aufklären zu können, um die Täter zu verfolgen und der Öffentlichkeit zu zeigen, dass Straftaten nicht ungestraft begangen werden können. Apples Verweigerungshaltung hindert die unabhängige Justiz dahingehend an ihrer Arbeit.

Kritischer wäre es, wenn Geheimdienste, welche im Gegensatz zur Justiz vor der Begehung von Straftaten tätig werden, Zugriff auf Smartphones erhalten. Diese Behörden arbeiten mit weniger strikten rechtlichen Grundlagen, weshalb es dort eher gerechtfertigt werden kann, wenn den Behörden-Aufforderungen nicht entsprochen wird.

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18 Kommentare

Kommentar von forti

Dem ist nicht so. Der zivile Ungehorsam ist für einen liberalen Rechtstaat unverzichtbar. Sinnlose Regeln sollen auch ausser Kraft gesetzt werden. Diese sind nicht einzuhalten. Das ist sogar juristisch so vorgesehen. Die teleologisch Auslegungsmethode. Der Staat dürfte von Gesetzes wegen keine sinnlosen Regeln aufstellen. Diese einfach einzuhalten, nur weil es sich um Regeln handelt, ist absolut absurd. Das Chaos würde auch ausbleiben. Wenn man nämlich sinnlose Gesetze ignoriert, passierte gar nichts. Sie erfüllen ja eben per Definitionen keinen Sinn.

Profilfoto von Patrick Bieri

Kommentar von Patrick Bieri

@forti: Und was nach der wörtlichen, systematischen, historischen oder teleologischen Auslegung Recht ist, das bestimmt weder Apple noch Google noch der einzelne Bürger, sondern im Idealfall ein Gericht. Und natürlich darf der Gesetzgeber sinnlose Regeln aufstellen, was er auch regelmässig macht. Dass dies schlecht ist, bräuchte ich eigentlich nicht zu erwähnen.

Kommentar von forti

Nein. Staatliches Handeln hat sich an Regeln zu halten (siehe BV 5). Ein Gericht kann, das wird vielleicht schockieren, auch Blödsinn entscheiden. Der Rechtsstaat steht und fällt nicht mit der Hörigkeit, mit der wir die Gerichte betrachten. Also darf Apple, Google und jeder Bürger diese Auslegung auch vornehmen und im eigenen Rahmen danach handeln. Apple kann etwas, was sonst niemand kann. Darum verlangt man es von Apple. Apple kann dies aber auch einfach verweigern. Müsste dann vielleicht mit Sanktionen rechnen. Aber diese vorauseilende Hörigkeit, wie sie oft gefordert oder gezeigt wird, lässt auf ein mittelalterliches Staatsbild schliessen. Es gibt bei uns keine Hoheitsbeleidigung und rechtsstaatproblematische Sachen kann nur der Staat machen und nicht die Bürger. Wie gesagt. Der Staat ist des Bürgers Diener, nicht sein Herr.

Profilfoto von chrisB

Kommentar von chrisB

”[…]

Der AWA (All Writs Act) gibt Gerichten verkürzt gesagt die Möglichkeit, Verfügungen zu erlassen, zu denen sie zwar ausdrücklich befugt sind, für deren Erlass es aber keine einschlägigen Vorschriften gibt. Es ist eine Kann-Bestimmung: Antragsteller haben nie einen Rechtsanspruch auf AWA-Verfügungen. Das Gericht sieht sich aber gar nicht dazu befugt, Apple zur Dienstleistung zu zwingen. Denn eine der Voraussetzungen ist, dass die Verfügung ‘im Einklang mit den Anwendungen und Prinzipien des Rechts’ steht.

Und genau das sei nicht gegeben. Denn der Gesetzgeber habe sich wiederholt mit dem exakten Thema befasst und sich stets dagegen entschieden, den Ermittlern die nun geforderten Befugnisse zu gewähren. Teilweise habe er der Regierung die nun erhobene Forderung sogar ausdrücklich untersagt. Dieses Verbot hält die Regierung für nicht einschlägig. Und sie meint, der AWA erlaube alles, was der Gesetzgeber nicht ausdrücklich verboten habe. Doch das führt aus Sicht des Richters zu absurden Ergebnissen, untergräbt die Gewaltentrennung und ist eine nicht verfassungskonforme Auslegung.

[…]”

Quelle: http://heise.de/-3121239

Profilfoto von Grumbl-fyx

Kommentar von Grumbl-fyx

Egal ob man nun in diesem Fall für oder gegen Apple bzw. das FBI ist. Es könnte sowohl mithelfen bei der Entscheidungsfindung wie auch unterhaltend sein: einige neuere, modernere Sci-Fi-Bücher, die sich diesen Themen annehmen und weiterspinnen.

Ich kann also empfehlen: - Bedlam von Christopher Brookmyre (digital rights management) - Year Zero von Rob Reid (copyright, insbesondere im Musikbusiness) - The Red: First Light von Linda Nagata (wohlgemeinte aber totale Ueberwachung von Soldaten durch ‘Guidance’, inkl. Realityshow)

Alles tolle Bücher und sensibilisierend in diesem Kontext.

Enjoy!

Kommentar von Vigi

Was das FBI von Apple will, geht weit über herkömmliche Anordnungen hinaus, wie etwa, Daten, auf die ein Unternehmen Zugriff hat, herauszugeben. Dass ein Software-Unternehmen speziell Software entwickeln soll, um seine eigenen Geräte zu hacken, ist neu (also eigentlich das Gegenteil von rechtsstaatlich etabliert). Im Kern zielt das FBI darauf ab, Verschlüsselung, die vor staatlichen Zugriffen sicher ist, zu verhindern. Das FBI nimmt nun einen schwer wiegenden Fall, um dies zu etablieren. Am Ende des Tages ist die Frage: Darf es Verschlüsselung geben, auf die ausser der Person, die den Schlüssel dafür hat, niemand Zugriff hat, oder muss es immer möglich sein, Verschlüsselung aufzubrechen. Das FBI will im Ergebnis auf genau dasselbe hinaus wie die englische Regierung, die Verschlüsselung ohne staatliche Backdoor verbieten will. Man muss sich einfach bewusst sein, worauf das hinauslaufen würde: Es gäbe keine sicher verschlüsselten Daten mehr. Ausser vielleicht für jene, die sich nicht an solche Regelungen halten (und die technischen Möglichkeiten dafür zur Verfügung haben). Oder wie Philip Zimmermann es gesagt hat: “If privacy is outlawed, only outlaws will have privacy.” Meiner Meinung nach ist es völlig richtig, dass sich Apple gegen einen solchen Dammbruch wehrt.

Profilfoto von daniel

Kommentar von daniel

Das FBI und auch die NSA sind hintenrum verbandelt. Man weiss ja, was diese “Firmen” so alles machen um an Dazen ranzukommen. Schon desswegen sollte man 200% Argwöhnisch sein, wenn nun das FBI will, dass Apple ihre eigene SW hackt.

Zumal der Amerik. Staat Hacker auch bestraft…….. Wird dann Apple im Nachhinein bestraft? Wäre so richtig amerikanisch…..!

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