Apple widersetzt sich FBI – keine Hilfe bei iPhone-Entschlüsselung

Ein US-Bundesrichter hat Apple gestern dazu verdonnert, dem FBI dabei zu helfen, ein vom San-Bernardino-Attentäter genutztes iPhone zu hacken. Apple selbst kann auf verschlüsselte Daten eines iPhones nicht zugriffen. Das Unternehmen müsste dazu eine Art «Backdoor» in iOS einbauen, welche den Behörden — und damit früher oder später auch Kriminellen — den Zugriff auf alle Daten eines iPhones gewähren. Apple wehrt sich nun gegen die Obrigkeit. Müsste der iPhone-Hersteller einlenken, sieht es damit den Datenschutz aller in grösster Gefahr.

Stefan Rechsteiner

Die Ausgangslage

Die US-Bundesrichterin Sheri Pyn hat Gestern (Ortszeit)  einen Prozess gegen Apple entschieden. Laut dem Entscheid der Ma­gis­t­ra­tin muss der Mac-Hersteller dem FBI eine Software zur Verfügung stellen, mit welchem die Ermittler die iPhone-Sicherheitsmassnahmen umgehen können. Ziel der ganzen Sache ist es, dass die Behörden Zugriff auf die Daten eines iPhone 5c erhalten, welches einem der Attentäter des San-Bernardino-Attentats vom vergangenen Dezember gehörte. Das iPhone selbst ist mit einem PIN-Code geschützt und mit der iOS-Funktion, dass nach 10 erfolglosen PIN-Versuchen alle Daten des Gerätes gelöscht werden. Apple habe sich bisher geweigert, der Behörde diesbezüglich freiwillig zu helfen.

Apple-Chef Tim Cook antwortete auf den Richterentscheid mit einem Brief an die Öffentlichkeit. Apple fechte die Entscheidung an und werde sich der Forderung des FBI widersetzen. Mit der Forderung «übernehme» sich die US-Regierung und es sei ein «unerhörter Schritt», welcher «die Sicherheit aller Kunden in Gefahr bringe». Würde Apple der Forderung nachgegangen, so das Unternehmen, hätte dies schlimme Folgen die weit über diesen einen Fall hinausgehen.

Der Hintergrund: Das Attentat von San Bernadino

Am 2. Dezember eröffneten Syed Rizwan Farook und seine Frau, Tashfeen Malik, im «Inland Regional Center» in San Bernardino, Kalifornien, das Feuer und töteten damit 14 Menschen und verletzten 20 weitere. Die Ermittler vermuten, dass die beiden die Terrororganisation «Islamischer Staat», kurz IS, unterstützt haben. Beide Attentäter starben in einem Kreuzfeuer mit der Polizei.

Im Nachgang des Attentats konnten die Behörden verschiedene Mobiltelefone der beiden Attentäter konfiszieren — darunter ein iPhone 5c, das Arbeitstelefon von Farook.

Die Ermittler versprechen sich, dass sie mit den Daten des iPhones weitere Details des Attentats erfahren können — wie beispielsweise mit wem Farooks kommunizierte, wohin die beiden vor dem Attentat überall reisten und ob es womöglich noch weitere Drahtzieher gab.

Da das besagte iPhone 5c aber mit einem PIN-Code versehen ist und so das Betriebssystem «iOS» alle Daten des Gerätes verschlüsselt, kommen die Behörden nicht an die gewollten Daten heran. Nun soll Apple für die Behörde eine Version des Betriebssystems entwickeln, mit welcher die Sicherheitsfunktionen des Gerätes umgangen und so die Daten ausgelesen werden können — eine «Hintertür» («Backdoor») für das sichere iOS. Apple stellt sich bereits seit längerem gegen solche Backdoors quer. Schon seit Monaten wird in den USA darüber debattiert, ob Technologie-Unternehmen gar per Gesetz gezwungen werden sollen, für die Behörden solche Sicherheitsmassnahmen-umgehende Prozesse fix in ihre Systeme zu integrieren. Apple argumentiert derweil, dass mit solchen Hintertüren nicht nur der Regierung ermöglicht wird, auf alle Daten eines jeden iPhones zuzugreifen, sondern auch Kriminellen. Nun soll der iPhone-Hersteller mit dem Richter-Beschluss dazu gezwungen werden, dem FBI Farooks iPhone zu hacken.

Ein Sprecher des FBI argumentierte, bei der Behörde werde man «kein Stein unberührt lassen», um so viel Informationen und Beweismittel zum Attentat wie möglich zu sammeln.

Apple wehrt sich

Cook kontert in seinem offnen Brief, dass Apple sich gegen diese unhaltbare Forderung erheben werde — mit dem «grössten Respekt vor der amerikanischen Demokratie und Liebe für das Land». Es wäre nun «das Beste», wenn man «einen Schritt zurück geht» und «sich zuerst über die Auswirkungen eines solchen Schrittes Gedanken macht». Diese wären gravierend.

Verschlüsselung = Schutz für Privatsphäre

Cook erklärt, dass die Verschlüsselung sehr wichtig sei. Smartphones seien zu einem zentralen Bestandteil des Lebens geworden. Man nutze die Geräte um eine «unglaubliche Menge an persönlichen Daten» zu speichern — von «privaten Unterhaltungen bis hin zu privaten Fotos, der eigenen Musik, Notizen, Kalender, Kontakte, Finanz- und Bank-Informationen und Gesundheitsdaten» sowie «wann man wo war» und «wohin man noch gehen werde». Alle diese privaten Daten müssten «von Hackern und Kriminellen, die auf diese Daten zugreifen, sie entwenden und ohne unser Wissen und Einverständnis weiterverwenden wollen», geschützt werden. Kunden würden von Apple und anderen Technologie-Unternehmen erwarten, dass diese alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um ihre privaten Daten zu schützen. Bei Apple, so Cook, engagiere man sich stark dafür, dass die privaten Daten sicher bleiben.

Weiter könne die Kompromittierung der Sicherheit der persönlichen Informationen schlussendlich dazu führen, dass man die persönliche Sicherheit in Gefahr bringe. «Deshalb ist die Verschlüsselung so wichtig für uns alle.»

Bereits seit vielen Jahren verwende man bei Apple Verschlüsselungen, so Cook, um die Sicherheit der privaten Daten der Kunden zu garantieren. Überzeugt zeigt man sich davon, dass dies der «einzige Weg» dazu sei. Man habe sogar sich selbst aus der Griffweite der Daten genommen, denn bei Apple ist man der Meinung, dass die Inhalte der iPhones das Unternehmen nichts angehen («none of our business»).

Über das Attentat in San Bernadino zeigt sich Cook bestürzt und geschockt. Der Apple-Chef betont, man hege «keinerlei Sympathie mit diesen Terroristen».

Apple unterstützte FBI «wo es nur ging»

Das FBI habe bereits wenige Tage nach der Schiesserei bei Apple um Hilfe nachgefragt. Apple habe die Behörde so stark unterstützt wie es ging. Daten, über die Apple verfügte, habe man dem FBI gegen Durchsuchungsbefehle ausgehändigt und man sei Vorladungen nachgegangen. Ingenieure des Unternehmens wurden dem FBI beratend zur Seite gestellt und man habe der Behörde die «besten Ideen» zu den verschiedenen Ermittlungs-Möglichkeiten zur Verfügung gestellt.

Weiter beteuert Cook in seinem Brief «grossen Respekt» für die Experten beim FBI und ist überzeugt davon, dass die Absichten der Behörde aus dem Guten entsprungen seien. «Bis hierhin haben wir alles in unserer Macht und innerhalb der Legalität getan, um ihnen zu helfen.» Nun aber wolle die US-Regierung von Apple etwas, was das Unternehmen schlicht «nicht habe» und etwas, was bei Apple als «zu gefährlich» betrachtet wird es überhaupt zu erschaffen: eine Backdoor für das iPhone.

«In den falschen Händen» soll diese Software, die die Sicherheitsmassnahmen von iOS umgehen soll und «welche es bisher nicht gibt», es jedem ermöglichen, jedes iPhone zu entschlüsseln in dessen Besitz man gelangt. Das FBI nutze dafür womöglich andere Worte — als «Hintertüre» — aber man solle sich «nicht täuschen lassen», so Cook: Eine iOS-Version zu erschaffen, die die Sicherheitsmassnahmen in dieser Weise umgehe, würde «unbestreitbar» eine Backdoor erschaffen. «Und während die Regierung allfällig damit argumentiert, dass die Nutzung dieser Software nur in diesem einen Fall eingesetzt wird, gebe es keinerlei Garantie für eine solche Kontrolle.»

Apple vs. FBI: Die technischen Aspekte
Rein technisch könnte Apple dem Begehren des FBI nachkommen. Die Details dazu haben wir in einem Artikel zusammengetragen.

Cook: Wir dürfen kein Generalschlüssel ermöglichen

Cook führt weiter aus, dass das Entwicklen einer Hintertüre «für nur ein iPhone» zwar als eine «einfache und saubere Lösung» für das Problem angesehen werden könne, man aber dabei aber «sowohl die Grundlagen der digitalen Sicherheit, wie auch die Signifikanz der Forderung der US-Regierung in diesem Fall» ignoriere.

Der «Schlüssel» einer Verschlüsselung sei in der heutigen digitalen Welt jenes Informations-Puzzlestück, welches Daten entschlüsselt. Dieser Schlüssel sei nur so sicher, wie die Schutzvorkehrungen um ihn herum. Sobald der Schlüssel bekannt ist, oder es einen Weg gibt den Code zu umgehen, kann die Verschlüsselung von jedem mit diesem Wissen umgangen werden.

Die US-Regierung, so Cook weiter, schlägt vor die zu erschaffende Software nur in diesem einen Fall auf einem Gerät anzuwenden — aber dies entspreche «schlicht nicht der Wahrheit».
Sobald eine solche Lösung entwickelt wurde, könnte sie «immer-und-immer wieder» auf einer «beliebigen Anzahl Geräte» wiederverwendet werden.
Cook vergleicht dies mit einem «Generalschlüssel» welcher die Möglichkeit hätte, «Abermillionen Schlösser» zu öffnen — «von Restaurants zu Banken und von Verkaufsläden zu Häuser». «Kein vernünftiger Mensch würde so etwas akzeptieren».

Apple werde nun von der US-Regierung angefragt, die «eigenen Kunden zu hacken» und «jahrzehntelange Sicherheits-Fortschritte zu untergraben», die die Kunden vor schlauen Hackern und Cyberkriminellen schützen. Die gleichen Ingenieure, die diese starke Verschlüsselung zum Schutze der Nutzer ins iPhone eingebaut haben, sollen nun «ironischerweise» dazu aufgefordert werden, eben diese Schutzmassnahmen zu «schwächen» und «das Leben unserer Kunden unsicherer» zu machen.

Dem Mac-Hersteller sei «kein Präzedenzfall bekannt», bei dem «eine amerikanische Firma dazu gezwungen wurde, ihre Kunden einem grösseren Sicherheitsrisiko auszusetzen».

«Schaden wird es den Gutgesinnten, nicht den Kriminellen»

Seit Jahren würden Kryptologen und nationale Sicherheits-Experten vor der Gefahr warnen, Verschlüsselungen zu schwächen. Dies zu tun würde «einzig den gutgesinnten und gesetzestreuen Bürgern schaden», die darauf vertrauen, dass Unternehmen wie Apple ihre Daten schützen. Kriminelle derweil, würden weiter mit Tools verschlüsseln, auf die sie ohne Weiteres weiterhin Zugang hätten und die über keine Hintertüren verfügen würden.

Das FBI bezieht sich bei «seinem Begehren des Machtausbaus» auf den «All Writs Act» von 1789 — «statt», so Cook, «den legislativen Weg einzuschlagen und auf den Kongress zuzugehen». Cook führt weiter aus, dass die Auswirkungen des Begehrens «erschreckend» seien: «Wenn sich die Regierung auf den All-Writs-Act berufen kann, um es einfacher zu machen ein iPhone zu entsperren, dann hätte sie die Macht, sich die Daten eines jeden Gerätes zu holen.»
Die Regierung könnte dann, so Cook weiter, diese «Verletzung der Privatsphäre» dahingehend ausweiten, dass Apple dazu aufgefordert würde, Überwachungs-Software in alle Dienste zu implementieren. «Nachrichten würden von ihnen abgehört, sie hätten Zugriff auf Gesundheitsdaten oder Finanz-Details und sie könnten den Standort der Nutzer verfolgen, ja sogar das Mikrofon oder die Kamera des Gerätes anzapfen ohne dass der Nutzer es merkt».

Sich dieser Forderung zu widersetzen, nehme man bei Apple nicht auf die leichte Schulter, beteuert Cook. «Wir müssen uns erheben gegen das, was wir als Machtmissbrauch der US-Regierung betrachten.» Cook schliesst seinen offenen Brief mit: «Auch wenn wir davon überzeugt sind, dass die Absichten des FBI aus dem Guten entsprungen sind, wäre es falsch, wenn die Regierung uns zwingt, Hintertüren in unsere Produkte einzubauen. Schlussendlich, so befürchten wir, wird diese Forderung dazu führen, dass unser aller Freiraum und unsere Freiheit, die unsere Regierung eigentlich schützen sollten, untergraben werden.»

Trump: «Was glauben die wer sie sind?»

Ebenfalls in die umstrittene Thematik eingeschaltet hat sich US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump. Der radikale Politiker der Republikanischen Partei forderte Apple dazu auf, sich der Forderung des FBIs zu fügen und wies die Argumente von Apple-CEO Tim Cook zurück, wonach die vorgeschlagene Lösung eine gefährliche Ausgangslage erschaffe. «Was glauben die wer sie sind? Nein, wir müssen es [das iPhone] öffnen!»

Lieu: «Das wäre ein sehr schlechter Präzedenzfall»

Auch der republikanische Politiker Ted Lieu meldete sich zu Wort. Der 47-jährige sitzt für den Bundesstaat Kalifornien im US-Repräsentantenhaus und hat einen Abschluss in Computerwissenschaften der Stanford-Universität. Lieu fragt sich in einem Schreiben an die «Daily Dot», wohin die Berufung auf den «All Writs Act», auf welchen sich die Magistratin bei der Urteilsverkündigung bezog, führen wird. «Sollen Gerichte künftig Facebook dazu zwingen können, Analysen zu erstellen wer womöglich ein Krimineller ist? Oder Google verpflichten, eine Namensliste herauszugeben, welche Personen alles nach dem Begriff ‹ISIS› suchen? Wo hört das auf?»

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