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Alle wichtigen Fakten und Stationen des Falls «Apple vs. FBI»
Vor eineinhalb Wochen veröffentlichte Apple-CEO Tim Cook ein offener Brief, in dem er ankündigte, dass sein Unternehmen sich einem Gerichtsentscheid widersetzen wird. Apple werde nicht wie vom FBI gefordert ein iPhone, welches zuvor einem Attentäter gehörte, hacken, um den Behörden Zugang zu den Daten darauf zu gewähren. Cook argumentiert, dass dies auf der einen Seite zu einem gefährlichen Präzedenzfall führen wird, und zum anderen dass damit die Sicherheit aller aufs Spiel gesetzt wird, denn tatsächlich wünsche sich das FBI eine Hintertür für das sichere iOS. Die brisante Thematik beschäftigt seither nicht nur die ICT-Branche, sondern auch die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft — nicht nur in den USA, sondern weltweit. Zu recht, denn der Ausgang in diesem Fall dürfte tiefgreifende Auswirkungen auf unser aller Leben haben. Viel wurde entsprechend geschrieben und debattiert in den vergangenen zwölf Tagen. Wir haben die Ereignisse der letzten Woche und die lesenswertesten Artikel zum Thema für euch zusammengetragen.
Ausgangslage: Apple widersetzt sich FBI — keine Hilfe bei iPhone-Entschlüsselung
«Ein US-Bundesrichter hat Apple dazu verdonnert, dem FBI dabei zu helfen, ein vom San-Bernardino-Attentäter genutztes iPhone zu hacken. Apple selbst kann auf verschlüsselte Daten eines iPhones nicht zugriffen. Das Unternehmen müsste dazu eine Art ‹Backdoor› in iOS einbauen, welche den Behörden — und damit früher oder später auch Kriminellen — den Zugriff auf alle Daten eines iPhones gewähren. Apple wehrt sich nun gegen die Obrigkeit. Müsste der iPhone-Hersteller einlenken, sieht es damit den Datenschutz aller in grösster Gefahr.»
Die Unterstützter von Apple
Edward Snowden
«Whistleblower» Edward Snowden hat sich sofort nachdem Apple-CEO Tim Cook seinen offenen Brief veröffentlicht hat auf die Seite des iPhone-Herstellers gestellt. Snowden hat eine Reihe an Tweets veröffentlicht — darunter: «Das FBI kreiert gerade eine Welt, in der sich Bürger auf Apple verlassen müssen, damit ihre Rechte verteidigt werden — statt dass es anders herum ist.», und «Der Krieg des FBI gegen Apple schaffe lachende Dritte, wie zum Beispiel China», denn wenn das FBI Apple zu einer «iOS-Version mit Hintertüren zwinge», sei «der Schlüssel schnell auch in Peking».
Jan Kuom (WhatsApp)
Der CEO des Messenger-Dienstes «WhatsApp» stellte sich wie Snowden bereits früh auf die Seite Apples. Jan Kuom schreibt auf Facebook, dass er Apple CEO Tim Cook bewundere und in dieser Sache vollends unterstütze: «Ich könnte nicht stärker zustimmen.» Nicht zulassen dürfe man diesen «gefährlichen Präzedenzfall». Es stehe «unsere Freiheit auf dem Spiel».
Jack Dorsey (Twitter)
Der CEO des Kurznachrichtendienstes stellt sich ebenfalls auf die Seite von Apple: «Wir unterstützen Tim Cook und Apple (und danken ihm für seine Führung).»
Sundar Pichai (Google)
Googles-CEO Sundar Pichai schaltete sich erst nach einer Weile mit ein paar Tweets in die Thematik ein — unteranderem erst, als sich Snowden über Googles Schweigen öffentlich aufregte. Pichai schreibt, dass auch Google alles unternehme, um die Daten der Kunden sicher zu halten. Das Unternehmen füge sich — wie auch Apple — rechtskräftigen Durchsuchungsbefehlen und Verfügungen. Es sei aber etwas ganz Anderes, wenn man nun Firmen dazu zwingt, die Geräte und Daten der Kunden zu hacken. Dies «könnte» ein «beunruhigender Präzedenzfall» werden. Diese Aussage des Google-CEO stiess bei den Apple-Unterstütztern auf leichte Kritik, weil Pichais Stellungsnahme nur so vage formuliert ist, anstatt dass sich das grosse Internet-Unternehmen Google vehementer auf die Seite von Apple stellt.
Microsoft
Der Software-Riese aus Redmond hat sich Ende vorletzte Woche ebenfalls erstmals indirekt in die Debatte eingeschaltet. Microsoft-CEO Satya Nadella hat einen Tweet reteweeted, in dem auf eine Mitteilung der «Reform Government Surveillance»-Gruppe (RGS) aufmerksam gemacht wird. Im Statement heisst es unter anderem: «IT-Unternehmen sollen nicht dazu gezwungen werden, Hintertüren in Technologien einzubauen, die die Daten der Nutzer eigentlich schützen sollten.» Microsoft gehört zu den Gründungsmitgliedern dieser Vereinigung — wozu auch AOL, Dropbox, Evernote, Facebook, Google, Apple selbst, LinkedIn, Twitter und Yahoo gehören.
Steve Wozniak (Apple Mitbegründer)
In einem Interview mit CNBC äussert sich auch Apple Mitbegründer Steve «Woz» Wozniak zur Debatte und stützt Apples Anliegen. Woz glaubt, dass Apples Ruf, Markenwiedererkennung, Wert und finanzieller Erfolg grösstenteils auf dem Vertrauen der Kunden basiert. «Du glaubst du kaufst ein Mobiltelefon mit Verschlüsselung» und «Jemanden der an der Macht ist kann man nicht trauen. Es wäre wie wenn man der Autorität und der Polizei Glauben schenkt, wo immer sie auch hingehen. Wenn sie die Regeln schreiben, haben sie auch recht wenn sie falsch liegen.» Weiter ist Woz davon überzeugt, dass Steve Jobs genau gleich entschieden hätte wie Tim Cook und sich gegen das gerichtliche Begehren widersetzt hätte. Ausserdem werde das Wort «Terrorismus» mittlerweile viel zu oft dazu genutzt, «den Leuten Angst einzujagen», so der Apple-Mitbegründer.
Mark Zuckerberg (Facebook)
In einer Pressemitteilung meldet auch das soziale Netzwerk Unterstützung für die Sache von Apple: «Wir werden weiterhin aggressiv dagegen ankämpfen, dass Unternehmen dazu gezwungen werden können die Sicherheit ihrer Systeme zu untergraben.» Anfang letzter Woche hat sich auch CEO Mark Zuckerberg persönlich zu Wort gemeldet und meint, dass «wir hier mit Apple übereinstimmen. Wir sind von der Verschlüsselung überzeugt. Ich halte es nicht für richtig, wenn man diese bei den meistgenutzten Produkten blockieren will.» Weiter hält Zuckerberg das Begehren des FBI für ein regulatorisch und wirtschaftlich nicht sinnvolles Vorgehen.
Amnesty International
Für die Menschenrechtsorganisation meldet sich Sherif Elsayed-Ali zu Wort, seines Zeichens Chef für «Global Issues»: «Apple hat recht sich in diesem Fall zu wehren. […] Solche Hintertüren untergraben die Sicherheit aller und bedrohen unser Recht auf Privatsphäre.»
Rev. Jesse Jackson
Der US-Bürgerrechtler lobt den Apple-CEO in seiner Bestrebung dem FBI die Stirn zu bieten und so für die Bürgerfreiheiten zu kämpfen.
Neues Gesetz soll Apple zum Hack zwingen
Senatorin Dianne Feinstein will, dass der US-Kongress ein neues Gesetz verabschiedet, welches Apple dazu zwingt, dem FBI-Begehren nachzukommen und das iPhone zu hacken.
McAfee will das iPhone für das FBI hacken
Der Liberalistische US-Präsidentschafts-Kandidat und frühere Antivirus-Entwickler John McAfee hat dem FBI angeboten, er würde für die Behörden das besagte iPhone hacken. So müsse Apple die umstrittene Hintertüre nicht in iOS einbauen, argumentiert McAfee. In seinem kuriosen offenen Brief meint McAfee weiter, er würde dies in drei Wochen und «kostenlos» für das FBI machen — und wenn er es mit seinem Team nicht schaffe, das iPhone zu hacken, dann würde er in einer TV-Show vor laufender Kamera seinen Schuh essen.
«Privatsphäre des Terroristen wichtiger als Sicherheit der US-Amerikaner»
US-Senator Tom Cotton soll zum Thema gesagt haben: «Apple hat sich dazu entschieden, die Privatsphäre eines toten IS-Terroristen über die Sicherheit der amerikanischen Bürger zu stellen».
Ähnlich argumentiert der Onkel eines 2013 von IS-Kämpfern getöteten britischen Soldaten. Apple sei «kurzsichtig». Er wolle «in den Strassen von London keine Morde sehen wie jener an seinem Neffen und kein weiterer Anschlag wie in Paris.» Er argumentiert weiter: «Wie viele Opfer dieser Verbrechen bekommen keine Gerechtigkeit wegen Apples Haltung?»
US-Justizdepartement ruft Bundesgericht an
Das «DOJ» hat am vorletzten Freitag im Kampf «Apple vs. FBI» schwere Geschütze aufgefahren. Weil sich Apple weigert das iPhone zu hacken, hat das Washingtoner Ministerium das Bundesgericht angerufen. Das Justizdepartement betont im Vorstoss, dass Apple mit der gerichtlichen Anordnung nicht eine Hintertür für das iPhone öffnen müsse. Das DOJ unterstellt dem iPhone-Hersteller zudem «Marketing-Sorgen», weshalb sich das Unternehmen weigere dem FBI-Begehren nachzukommen.
Eine Gerichtsanhörung ist nun für den 22. März angesetzt.
Apple, und die angeblich 70 iPhones, die für das FBI entsperrt wurden
In den Diskussionen über den Fall «Apple vs. FBI» wird von Kritikern nicht selten eine Meldung zitiert, Apple habe bereits über 70 iPhones für die US-Behörden entsperrt. Apples Haltung in diesem Fall sei einzig «Marketing». Matthew Panzarino schreibt auf TechCrunch, dass dies «kompletter Mist» sei: «Im besten Fall ist sie [die Story] ‹komplett inakkurat›, und ‹absolut gefährlich› im schlimmsten Fall.» Tatsächlich handelt es sich dabei um iPhones mit älteren Systemen als iOS 7, von welchen auf rechtsgültige Verfügungen hin Daten extrahiert wurden. Seit iOS 8 aber setzt Apple sehr starke Sicherheitsvorkehrungen ein.
Apple veröffentlicht FAQ
Ergänzend zu Tim Cooks offenem Brief hat das Unternehmen eine Seite mit den wichtigsten Fragen und Antworten zur Thematik online gestellt. Die Anschuldigung, dass es sich bei diesem ganzen Fall nur um eine Marketing-Strategie seitens Apple handelt und dass das Unternehmen damit nur das Geschäftsmodell der iPhones schützen möchte (dies behauptet auch das US-Justizdepartement) bestreitet Apple in diesem FAQ vehement. Weiter informiert Apple dort detaillierter über die technischen und ideologischen Aspekte des ganzen Falls.
FBI wollte, dass der Fall öffentlich ausgetragen wird
Verschiedene Details deuten darauf hin, dass das FBI wohl geplant hat, dass die Debatte nun in aller Öffentlichkeit ausgetragen wird. Es ist gar bewiesen, dass das FBI tatsächlich auf einen Fall wie das San-Bernadino-Attentat gewartet hat, um gegen die Verschlüsselungen und Sicherheitsmassnahmen in den Produkten der Technologie-Unternehmen vorzugehen und in dieser Sache eine neue gesetzliche Grundlage zu ihren Gunsten zu provozieren. Apple soll das FBI laut der New York Times im Vorfeld gar darum angefragt haben, dass das gerichtliche Begehren der US-Behörde unter Verschluss bleibt, das FBI aber wollte eine öffentliche Auseinandersetzung. Der Behörde wird nun attestiert, dass sie von Anfang an geplant hatte, die Debatte öffentlich auszutragen um Sympathie bei der Bevölkerung für ihre Position zu gewinnen.
Bürgerrechte für Generationen in Gefahr
Für die Macworld zeigt Rich Mogull auf, was in diesem Fall alles auf dem Spiel steht: «Why the FBI’s request to Apple will affect civil rights for a generation»
Bill Gates will sich nicht auf eine Seite stellen
Microsoft-Gründer Bill Gates hält es für angebracht, dass Apple dem FBI-Begehren nachkommt. Gleichzeitig will sich Gates aber nicht als Unterstützer der Sache des FBIs sehen. Er hält aber eine politische Diskussion über die Problematik für absolut notwendig.
Apple holt sich prominente Verstärkung für die kommenden Anhörungen
Apple hat sich mit Theodore Olson und Theodore J. Boutrous, Jr. Verstärkung geholt. Die beiden Anwälte sind prominente Vertreter der Redefreiheit. Womöglich wird Apple sich in den kommenden Gerichtsanhörungen auf eben diese Rechte berufen.
Olson gewann beispielsweise 2000 den Streit zwischen George W. Bush und Al Gore und entschied so die Präsidentschaftswahl und 2014 jenen Prozess in Kalifornien, welcher später zur US-weiten Legalisierung der gleichgeschlechtliche Ehe führte.
Donald Trump ruft zum Apple-Boykott auf — nutzt aber weiterhin sein iPhone
Der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump hatte sich bereits kurz nach der Veröffentlichung von Tim Cooks offenem Brief auf die Seite der Behörden und gegen Apple gestellt. Seit Ende der vorletzten Woche nun ruft der Republikaner zum Boykott von Apple auf. Gleichzeitig twitterte der Geschäftsmann und Politiker aber munter mit seinem iPhone weiter.
Apple Top-Thema bei amerikanischem Wahlkampf
Bereits im Januar war Apple eines der Top-Themen im amerikanischen Präsidentschafts-Wahlkampf. Apple und die Verschlüsselung waren beispielsweise eines der angesprochenen Themen an den Fernsehdebatten der demokratischen Kandidaten.
In der vergangenen Woche haben sich nun die US-Präsidentschaftskandidaten der republikanischen Partei zum Thema «Apple vs. FBI» geäussert. Dabei zeigt sich, dass alle fünf republikanischen Kandidaten auf die Seite des FBI sind: Marco Rubio, Ted Cruz, John Kasich, Ben Carson und wie bereits erwähnt Donald Trump sind der Meinung, Apple müsse dem FBI-Begehren nachkommen.
Apple will nun angeblich auch die iCloud besser verschlüsseln
Einem Bericht zufolge ist der aktuelle Fall mit dem FBI für Apple ein Grund, den auf iCloud eingesetzten Schutz noch weiter zu verbessern. Auf richterliche Anordnung hin hat Apple bislang nämlich iCloud-Daten ausgehändigt — weil es der iPhone-Hersteller dort kann da das Unternehmen für diese Daten einen Schlüssel hat. So auch im vorliegenden Fall des Attentats in San Bernadino. Die Sicherheit des Cloud-Dienstes soll nun aber so erweitert werden, dass auch die Daten in der Cloud künftig so verschlüsselt sind, dass sie auch Apple nicht mehr auslesen kann.
In Apples Transparenz-Bericht informiert Apple seit ein paar Jahren ausführlich über die gerichtlichen Beschlüsse, wonach Apple Anfragen zu iCloud-Konten bekommen hat. Im ersten Halbjahr 2015 beispielsweise wurde der iPhone-Hersteller alleine von den US-Behörden mit 2727 rechtskräftigen Durchsuchungsbefehlen und Verfügungen bezüglich iCloud-Accounts angefragt. Für 1407 Benutzerkonten hat Apple in der Folge Daten an die Behörde geliefert. Für die verschlüsselten iCloud-Daten wie Kalender, Kontakte, Dokumente und Safari-Lesezeichen sowie verschlüsselten iCloud-Backups besitzt Apple den Schlüssel. Bei iMessage/Nachrichten und FaceTime ist dies jedoch anders, dort setzt Apple bereits seit Beginn auf eine starke End-to-End Verschlüsselung — auf diese Daten hat Apple laut eigener Aussage keinen Zugriff. Falls aktiviert, sind diese Daten jedoch auch im iCloud-Backup vorhanden.
Problem: Apple-ID-Passwort wurde geändert
Die ganze Sache wäre wohl nicht zu einem solchen Problem geworden, hätten die Behörden des Bezirks, bei dem der Attentäter vor dem Anschlag gearbeitet hatte und denen das iPhone eigentlich gehörte, das Apple-ID-Passwort von Farook nicht geändert. Das Passwort sei bereits am ersten Tag, nachdem das «County Department of Public Health» das iPhone an sich nahm, geändert worden, wie Apple verlauten liess.
Im Vorstoss des DOJ steht, dass das Passwort vom County geändert wurde. Wäre das Passwort nicht geändert worden, hätten die gewünschten Daten durch Apple wohl über das Backup zugänglich gemacht werden könnten. Dass das Passwort geändert wurde, fanden die Experten heraus, die Apple zur Unterstützung der Fall-Aufklärung zu den Behörden schickte.
Wie später herauskam, hat das County das Passwort auf Wunsch des FBI geändert.
Das Wirrwarr um das Apple-ID-Passwort
Die ganze Geschichte mit dem Zurücksetzen des Passworts hat noch ein paar andere Drehungen und Wendungen: Das besagte iPhone 5c vom Attentäter war offenbar so konfiguriert, dass es sich automatisch in die iCloud sichert — in der Cloud also ein Backup seiner Daten ablegt. Zum Zeitpunkt des Anschlags im vergangenen Dezember sei das Gerät aber bereits seit sechs Wochen nicht mehr in die iCloud gesichert worden. Das neueste Backup war von Mitte Oktober.
Gegen einen Vollziehungsbefehl hat Apple dem FBI die Daten dieses sechs Wochen alten Backups ausgeliefert (siehe oben). Das FBI aber möchte nicht nur diese Daten, sondern auch jene der letzten sechs Wochen vor dem Anschlag.
Technisch gesehen werden die iCloud-Backups automatisch ausgelöst, wenn das iPhone mit einem bekannten WLAN verbunden ist und gleichzeitig mit dem Strom verbunden ist. Apple schlug den Ermittlern vor, dass sie das Gerät in Farooks Büro bringen und es dort anschliessen sollen — so könnte ein Backup der Daten in die Cloud geschrieben werden, auf dessen Daten Apple Zugriff hätte und somit dem FBI weiterleiten könnte.
Unklar ist, warum das iPhone in diesen letzten sechs Wochen nicht gesichert wurde. Beispielsweise ist es möglich, dass Farook das iCloud-Backup deaktiviert hatte, oder aber dass es in den letzten sechs Wochen schlicht nie gleichzeitig mit einem WLAN verbunden und ans Stromnetz angeschlossen war. Um herauszufinden, wie es denn nun war, müsste das iPhone entsperrt werden — was aber ja bekanntlich nicht einfach so möglich ist.
Das ganze Problem nahm seinen Lauf, als das FBI dem County befahl, das Apple-ID-Passwort zurückzusetzen. Mit diesem Schritt konnte sich das Gerät nicht mehr automatisch in die iCloud sichern, weil dazu das neue Passwort auf dem iPhone eingegeben hätte werden müssen — was ja aber eben nicht möglich ist.
Der springende Punkt ist also, dass man für das Auslösen des automatischen Backups das iPhone nicht entsperren muss. Es sei denn das Apple-ID-Passwort wird geändert — dann muss dieses neue Passwort zuerst auf dem Gerät eingegeben werden, wozu das Gerät entsperrt werden muss.
Daraus ergibt sich die Ausgangslage, dass das FBI Zugang auf Farooks iCloud-Konto hat und auch die iPhone-Daten bis zum 19. Oktober besitzt. Es geht im Fall entsprechend einzig um die Daten der letzten sechs Wochen vor dem Anschlag, die sich nur auf dem iPhone befinden weil das Backup nicht ausgelöst werden kann weil die Behörden das Passwort geändert haben … auf Wunsch des FBI hin.
Gerätselt wird nun, ob es sich beim Befehl des Passwort-Zurücksetzens um reine Inkompetenz der Behörden handelte, oder aber ob das FBI mit voller Kenntnis der Folgen den Befehl gab und damit absichtlich die heutige Ausgangslage auslöste und es einen Grund hat, Apple zur Hintertür zu zwingen.
FBI: Wir wollen mehr als nur das iCloud-Backup
Das FBI argumentiert nun, dass auch wenn man das Passwort nicht geändert hätte, sie trotzdem Apples Hilfe benötigen, denn auch ein iCloud-Backup umfasse nicht alle Daten, die die Behörden haben möchten.
Apple: Wenn das FBI gewinnt, kommen auch andere Länder
In einem Interview betonte ein Apple-Manager, dass wenn das Unternehmen dem Begehren der US-Behörde nachkommen müsse, dies globale Auswirkungen habe und schon bald auch andere Länder anstehen würden. Berichte besagen, dass Apple bereits Sicherheits-Audits in China nachgehen müsse, doch der Manager erwähnte, dass «kein anderes Land» ähnliche Begehren habe wie nun die USA mit dem FBI. Die US-Justiz sei schlimmer als die chinesischen Behörden.
Auch FBI-Chef mit offenem Brief
Vor einer Woche meldete sich auch FBI-Chef James Comey in einem Brief an die Öffentlichkeit. Es gehe um «die Opfer und um Gerechtigkeit», schreibt Comey, der nochmals versicherte, dass er mit dem Begehren an Apple keinen Präzedenzfall für künftige Überwachung anstrebe. Das FBI wolle einzig herausfinden, ob die Daten auf dem iPhone die Ermittler womöglich zu weiteren Terroristen führen könne.
Cook schreibt seinen Mitarbeitern internes Memo
Ebenfalls vor einer Woche verschickte Tim Cook ein internes Memo an alle seine Mitarbeiter. In diesem geht er nochmals auf die Standpunkte seines Unternehmens ein. Der Apple-CEO bekräftigt abermals, dass Apple keine Hintertüren in iOS einbauen wolle und fordert das FBI erneut dazu auf, die Anordnung zur Entsperrung des iPhones zurückzuziehen.
Cook schlägt weiter vor, dass der US-Kongress eine Experten-Kommission bildet, welche sich mit der Problematik der Verschlüsselung für Strafverfolgungsbehörden im Zusammenhang mit nationaler Sicherheit und Datenschutz auseinandersetzen soll. Gerne wolle der iPhone-Hersteller dabei auch teilnehmen.
Opfer-Mutter stellt sich auf die Seite von Apple
Carole Adams, die Mutter eines der Opfer des San-Bernadino-Attentats, hat sich laut der New York Post auf die Seite von Apple gestellt. Das in der US-Verfassung definierte «Recht auf Privatsphäre» sei das, was «Amerika gross gemacht» habe, so Adams. Die Mutter ist weiter der Meinung, dass die Software, die das FBI von Apple fordert, die US-Verfassung untergraben würde. Die Tatsache, dass «wir ein Recht auf Privatsphäre haben», sei doch das, «was uns vom Kommunismus trennt». Adams ist überzeugt, dass Apple das Recht habe, die Privatsphäre aller Amerikaner zu schützen.
Ehemaliger CIA- und NSA-Chef gibt Apple Recht
Der pensionierte US-General Michael Hayden, seines Zeichens früherer Chef von der CIA und auch von der NSA, sagt in einem Interview zwar, dass er bei diesem Fall zwar «eher auf der Seite der Behörden» sei, er aber grundsätzlich gegen den Plan von FBI-Chef Jim Comey sei, per Gesetz eine «Hintertüre» zu erzwingen. Er gibt Apple dahingehend Recht, dass es «nie eine Hintertüre» für die Umgehung einer Verschlüsselung geben sollte.
Umfragen zeigen gemischtes Bild
Einer Umfrage von «Pew» zufolge, sind mehr als die Hälfte der Umfrage-Teilnehmer auf der Seite ihrer Behörden und finden, Apple müsse dem FBI-Begehren nachkommen und das iPhone von Attentäter Farook hacken.
Zwei Tage später veröffentlichte auch Reuters eine Umfrage, in der jedoch ein anderes Bild der US-Bevölkerung gezeigt wird: Hier ist der Grossteil der Gefragten auf der Seite von Apple.
Nicht nur 1 iPhone, sondern mindestens 12 weitere
Das FBI argumentierte im Fall bisher immer, dass die Behörden nur Zugriff auf dieses eine iPhone 5c von Farook wolle. Es handle sich um eine einmalige Sache. Es werde keine Hintertüre von Apple verlangt. Wie das Wall Street Journal aber am letzten Dienstag meldete, wolle das US-Justitzdepartement Apple dazu zwingen, Daten von 12 weiteren iPhones zu extrahieren, auf denen das Ministerium wichtige Daten im San-Bernadino-Fall vermutet. Um was für Geräte es sich dabei handelt ist bisher nicht bekannt, weil diese Fälle bisher nicht öffentlich gemacht wurden. Die Zeitung beruft sich auf «eingeweihte Personen».
In einer von den Gerichten veröffentlichten Liste, wird aufgezeigt, dass sich die Behörden seit vergangenem Herbst bereits für neun andere Geräte beim Unternehmen gemeldet haben, um über die Anwendung des «All Writs Act» aus dem 18. Jahrhundert an deren Daten heranzukommen. Dagegeben hat sich Apple wie nun beim prominenten San-Bernadino-Fall jeweils widersetzt. Es handelt sich dabei um Geräte, die für eine Drogenfahndung in New York entsperrt werden sollen. Mittlerweile hat es hier ein Gerichtsentscheid zugunsten Apple geben (siehe weiter unten).
Tim Cook vergleicht iOS-Hintertür mit Krebs
Im Interview, welches Apple CEO Tim Cook in der Nacht vom letzten Donnerstag auf Freitag dem Fernsehsender ABC gab, bezeichnete dieser die Forderung des FBI als etwas «Schlechtes für Amerika».
Cook vergleicht die auf Wunsch des FBI in iOS zu integrierende Hintertüre mit einem Krebsgeschwür.
Aktionäre stellen sich hinter Apple
An der jährlichen Aktionärsversammlung letzte Woche wurde der Apple-CEO demonstrativ mit stehenden Ovationen begrüsst.
Cook sagte in seiner darauffolgenden Rede, dass «wir diese Dinge tun, weil es richtig ist. Wen etwas schwer ist, schreckt uns das nicht ab.»
Erste Behörde bietet Mitarbeitern keine iPhones mehr an
Die Staatsanwaltschaft von Maricopa County reagiert auf Apples Weigerung, dem FBI und dem DOJ bei der Entsperrung eines iPhones zu helfen: Die Behörde bietet ihren Mitarbeitern keine iPhones mehr an. Apple stelle sich mit seiner Haltung «auf die Seite der Terroristen», so das County.
Google, Microsoft, Facebook und Twitter werden Apple unterstützen
Microsofts «Chief Legal Officer» Brad Smith hat am vergangenen Donnerstag angekündigt, Apple mit einem Antrag zu unterstützen. Später haben auch Google, Facebook und Twitter entsprechende Unterstützung für den iPhone-Hersteller angekündigt.
Apples offizieller Einspruch: Berufung auf Meinungsfreiheit und CALEA
Am Donnerstag reichte Apple vor Gericht seine offizielle Antwort auf den richterlichen Entscheid ein, das iPhone von Farook zu hacken: Apple hat Einspruch gegen den Beschluss eingelegt und erklärt auf 64 Seiten, dass die Behörden mit dem Begehren ihre gesetzlichen Befugnisse überschreiten und beruft sich auf die Redefreiheit, die in den USA auch für Firmen gilt und im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ein besonderes Gewicht geniesst. Die digitale Signatur, mit welcher das Unternehmen den Betriebssystem-Code signiert, falle unter den Schutz des ersten Zusatzartikels der Verfassung der Vereinigten Staaten und könne damit im Sinne der «Meinungsfreiheit» nicht mit einem Gesetzt untergraben werden.
Apple argumentiert weiter, dass der «All Writs Act», auf welchen sich die Behörden berufen, nur als Lückenfüller gedacht sei für Szenarien die nicht bereits durch andere Gesetze geregelt seien. Es sei entsprechend Falsch sich auf dieses Gesetz zu beruhen wie dies die Behörden tun.
Der «Communications Assistance for Law Enforcement Act» aber, kurz «CALEA», sei ein Gesetz, das ausdrücklich für das vorliegende Szenario gilt. Der iPhone-Hersteller beruft sich nun deshalb in diesem Fall auf den CALEA.
Apple wolle kein «Government OS» erschaffen und auf dem eigenen Campus in Cupertino auch kein «forensisches FBI-Labor» aufbauen, sagte ein Apple-Vertreter an einer Medienkonferenz.
Apple Anwalt: «Es droht einen orwellscher Polizeistaat»
Ted Olson äussert sich in einem Fernsehinterview als Apples Anwalt zum Fall: «Jedem US-Bürger ist es erlaubt etwas auf ein Stück Papier zu schreiben und anschliessend zu verbrennen. Es gibt Grenzen was die US-Behörden alles wissen dürfen.» Es drohe ein «orwellscher Zustand». Olson beruft sich dabei auf den «Big Brother»-Polizeistaat aus dem bekannten 1950er-Jahre Roman «1984» von George Orwell, der mit diesem Fall wieder mehr Aktualität geniesst denn je zuvor.
FBI-Chef gibt zu: es könnte ein Präzedenzfall sein
Vor einem Kongress-Komitee hat FBI-Chef James Comey unter Eid gesagt, dass der Ausgang des aktuellen iPhone-Falls instruktiv für andere Gerichte sein könnte. Der Fall könnte «aufzeigen», wie künftig auch «andere Gerichte mit ähnlichen Begehren umgehen» werden können.
San Bernadinos Polizei-Chef glaubt nicht an hilfreiche Daten auf dem iPhone
In einem Kurzinterview mit NPR deutete der Polizei-Chef von San Bernadino an, dass es «sehr wahrscheinlich» ist, dass «nichts von bedeutsamem Wert» auf dem iPhone von Farook zu finden sein wird.
Erfolg für Apple in einem anderen iPhone-Entsperrungsfall
Bei den weiter oben erwähnten iPhones, die von Apple für ein Drogenfahungsfall in New York entsperrt werden sollten, ist es zu einem Gerichtsentscheid gekommen. Gestern Montag entschied ein Bundesrichter im New Yorker Bezirk Brooklyn, dass Apple nicht dazu gezwungen werden könne ein iPhone zu entsperren. Als Grund gibt der Richter an, dass die Behörden mit dem über 220 Jahre alten «All Writs Act» keine angemessene rechtliche Grundlage gefunden habe für die Entsperrung der iPhones. In diesem Fall geht es um ein Drogendelikt von vergangenem Jahr, bei dem sich ein Drogenhändler bereits als schuldig bekennt hat.
Heute erste Anhörung vor dem Kongress
Apples Chef-Jurist Bruce Sewell wird heute das Unternehmen bei einer ersten Anhörung vor dem Kongress vertreten. Dabei wird Sewell in seinem vorbereiteten Eröffnungs-Statement erneut argumentieren, dass die zu bauende Software nicht nur Auswirkungen auf dieses eine iPhone haben wird, sondern die Sicherheit aller schwächen wird. Sewell wird auch erwähnen, dass FBI-Chef Comey selbst zugegeben hat, dass er diesen Präzedenzfall wohl für weitere Geräte nutzen werde. «Staatsanwalt Vance hat ebenfalls gesagt, er plane dies ganz sicher für über 175 weitere Mobiltelefone anzuwenden.» und «Es wird ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen für das Eindringen der Regierung in die Privatsphäre und Sicherheit der Bürger.»