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Von Uhren, Brillen und Armbändern
Spekulationen über eine intelligente Uhr namens «iWatch» von Apple
Die letzten zwei Jahre beherrschte ein Gerücht um ein Apple Fernseher die Gerüchtelandschaft rund um den Mac- und iPhone-Hersteller. Doch bis heute bleibt der «Apple TV» (nicht die beliebte Settop-Box, sondern eine eigenständige Fernseh-Lösung von Apple) nichts weiter als ein Gerücht. Es gibt keine konkreten Hinweise darauf, dass in Kürze tatsächlich ein Fernseher mit einem Apple-Logo auf den Markt kommen wird. Diese Tatsache schliesst eine solche Produkte-Lancierung natürlich nicht aus. Die «Branchen-Experten» und Analysten scheinen nach zwei erfolglosen Gerüchte-Jahren nun aber nach etwas neuem Ausschau gehalten zu haben: Seit ein paar Wochen hält sich hartnäckig ein Gerücht, wonach Apple angeblich an einer intelligenten Uhr arbeiten soll. Die als «iWatch» spekulierte Apple-Uhr soll künftig Smartphones wie das iPhone komplett ersetzen, oder aber das iPhone als nützliches Hilfsmittel erweitern und unterstützen.
Laut einem Medienbericht soll das «iWatch»-Team bei Apple über 100 Mitarbeiter umfassen. Das Team bestehe aus Managern, Marketing-Mitarbeitern und Software- sowie Hardware-Entwicklern, die bisher am iPhone und iPad gearbeitet haben sollen.
Die Geschichte, wonach Apple im Bereich «Wearable Computing» — also «tragbare Computer» — aktiv sei, kommt nicht von ungefähr und geistert schon länger durch das Internet. Patentschriften, die zum Teil aus den mittleren 2000er-Jahren stammen, bestätigen, dass Apple seit mehreren Jahren auf diesem Gebiet forscht. Google hat seine Ambitionen betreffend tragbare Computer mit dem «Project Glass» bereits vor einem Jahr öffentlich vorgestellt. Das Head-Up-Display, welches an einer Brillen-Vorrichtung befestigt wird, soll Ende dieses Jahres in einer ersten Ausführung auf den Markt kommen. Auch der aggressive Apple-Konkurrent Samsung scheint bereits derart in Panik vor einer Apple-Uhr geraten zu sein, dass sich der neue Co-CEO vergangene Woche offensichtlich dazu genötigt fühlte, der Welt mitzuteilen, man arbeite auch bereits an einer intelligenten Uhr und werde Apple in diesem Markt zuvorkommen. Auch SONY und LG arbeiten neuerdings an einer Smart-Watch.
Dabei handelt es sich doch bei der «iWatch» nach wie vor um ein reines Gerücht, basierend — wie immer — auf «anonymen Quellen» aus den Reihen von Apple oder Zulieferfirmen von Apple. Interessant ist, dass dieses Gerücht medial trotzdem bereits derart gehyped wird. Schlägt man heute eine Zeitung auf oder verfolgt in den digitalen Medien das Geschehen der ICT-Branche, dann könnte man meinen die «iWatch» sei bereits beschlossene Sache und ein angekündigtes Produkt von Apple (oder zumindest eine angekündigte Strategie). Ausserhalb von Apple weiss derweil wohl aber niemand, ob es die Apple-Uhr überhaupt je geben wird, wie sie aussehen wird, was genau sie überhaupt ist und was sie denn alles können wird.
Ein Überblick.
Gerüchte-Sammlung
Schaut man sich in der Gerüchteküche um, so zeichnen sich im Grunde genommen zwei Lager ab: die einen, die in der «iWatch» einen Smartphone-Ersatz sehen, und die anderen, die in der «iWatch» ein Accessoire für das iPhone und das iPad sehen.
Sollte die iWatch das iPhone tatsächlich ersetzen, dann müsste es in erster Linie Telefonate und Videokonferenzen führen können sowie Fotos aufnehmen können. Für Videokonferenzen und Fotos bräuchte die Uhr eine Kamera — und hier präsentiert sich das erste Problem: Wo soll an einer Uhr eine Kamera angebracht werden, um bequem mit einer Uhr Fotos schiessen zu können (nach vorne) und Videokonferenzen (nach oben) führen zu können? Die Vorstellung, fürs Telefonieren in eine Uhr zu sprechen und auf diesem Wege mit jemandem entfernten kommunizieren zu können, hört sich wohl auch etwas zu sehr nach einer Szene eines Sci-Fi-Filmes von vor 40 oder 50 Jahren — oder aus «Knight Rider» — an.
Plausibler scheinen da auf den ersten Blick jene Gerüchte, die besagen, dass die iWatch ein Hilfsmittel bzw. eine «Erweiterung» für das iPhone und das iPad sein könnte. Eine solche Uhr könnte den Nutzer zum Beispiel darüber informieren, dass das iPhone nun eine neue Nachricht erhalten hat oder anzeigen, wer gerade auf das iPhone anruft, ohne dass dieser das iPhone aus dem Hosensack holen muss. Gleichzeitig könnte die Uhr aber auch eigene Funktionen bieten — kommende Termine anzeigen, mittels GPS und Apple Maps ein Navigationssystem anbieten, über Siri Textnachrichten und E-Mails empfangen und versenden, gesundheitliche Informationen (wie z.B. den Puls) aufzeichnen und überprüfen, Zahlungen über Berührung (NFC) ausführen und so weiter.
Vor allem im Bereich «Messungen» könnte ein Gerät am Handgelenk durchaus interessant sein. Mit entsprechenden Sensoren könnte eine iWatch Sport-Aktivitäten und Trainings sowie Fitness-Sessions aufzeichnen und Apps mit diesen medizinischen Informationen, welche für die Gesundheit des Trägers relevant sind, beliefern. Die Apps werten diese Daten dann entsprechend aus. Neben anderen Firmen forscht der Sportartikelhersteller Nike seit längerem auf eben diesem Gebiet (Apple-CEO Tim Cook sitzt übrigens seit 2005 im Verwaltungsrat von Nike).
Bereits seit 2006 bieten Apple und Nike gemeinsam das «Nike+iPod»-Sportkit an. Mittels einem kleinen Sensor, der im oder am Laufschuh angebracht wird, lassen sich Laufaktivitäten auf dem iPod oder iPhone aufzeichnen und diese dann in einer Web-Community mit anderen teilen. Aktuell ein sprichwörtlicher «Renner» ist das «Nike+ Fuelband». Dieses Armband zeichnet Bewegungen auf und leitet diese Daten an eine iPhone-App, auf welcher die Infos dann aufbereitet werden. Auch Tim Cook wird des öfteren mit einem Fuelband am Handgelenk gesehen.
Gadgets wie diese und der Fakt, dass Fitness-Apps für Smartphones sehr gefragt sind, zeigen das Potential in diesem Gebiet.
Die nötige Technologie
In einem sind sich Analysten, «Branchen-Experten» und sonstige Wahrsager aber einig: Über die notwendigen Technologien für einen leichten, super-kompakten tragbaren Computer für das Armgelenk soll Apple verfügen. Mit Geräten wie dem iPod nano demonstriert Apple auf hohem Niveau, dass das Unternehmen äusserst kompakte Geräte mit Multi-Touch-Display, relativ ansprechender Batterielaufzeit und einem fortschrittlichen Betriebssystem entwickeln kann. Mit dem «Willow Glass» stellte Corning, der Hersteller des auch im iPhone verbauten «Gorilla»-Glass, bereits im letzten Jahr einen Durchbruch bei der Herstellung von biegbarem Glass vor. Die Experten von Corning haben über eine Dekade am dünnen, flexiblen Glass gearbeitet — nun scheint die Zeit bald reif für Geräte mit biegbarem Display. Es könne aber durchaus noch ein Weilchen dauern, bis biegbare Displays tatsächlich in den Handel kommen. Schlussendlich ist ein solches Display aber wohl auch nicht zwingend notwendig für eine iWatch.
Bereits heute gibt es unzählige Produkte, die durchwegs in einer abgeschwächten Form als «tragbare Computer» bezeichnet werden können und sich mit dem iPhone verbinden lassen — von Jacken mit interaktiven Terminals für die Bedienung des iPhones bis hin zu Skibrillen mit eingebautem Display, über welches der Träger Anzeigen des iPhones präsentiert bekommt. Apple hat also nicht zuletzt auch über das grosse Ökosystem rund um iPhone, iPad und iPod über die letzten Jahre bereits reichlich Wissen in diesem Gebiet ansammeln können.
Der iPod nano der sechsten Generation (2011/12) könnte sogar als Test für eine Apple-Uhr betrachtet werden. Von Apple selbst ursprünglich nicht als Uhr beworben, sprangen Dritthersteller schnell auf den Zug auf, Uhren-Bändel für diesen iPod nano anzubieten. Schlussendlich verkaufte sogar Apple selbst solche Dritthersteller-Bändel über die eigenen Stores. Der kleine, quadratische touch-iPod konnte so zu einer interaktiven Uhr umfunktioniert werden. Es ist nicht auszuschliessen, dass Apple diese Entwicklung von Anfang an so geplant hatte und dies ein erster Test für eine mögliche Apple-Uhr gewesen ist.
Betrachtet man die iWatch-Gerüchte, dann kann man auch einige Patente und Gerüchte der letzten Jahre durchaus mit einer Apple-Uhr verbinden: War da nicht mal etwas im Gebüsch betreffend Apple sei an wasserfesten Gehäusen interessiert? Oder statt austauschbaren SIM-Karten ein fest-verbauter Chip? Zwei für eine intelligente Uhr nicht unwichtige Themen.
Was soll eine iWatch (besser) können?
Nicht die Fragen «Was ist die iWatch?» oder «Wie sieht die iWatch aus?» sind wirklich ausschlaggebend, sondern: Was für ein Problem soll (und kann) eine iWatch lösen?
Apple scheint schon fast traditionell mit einem neuen Produkt jeweils eine bestehende Branche auf den Kopf stellen zu wollen. Mit dem Mac stellte Apple das Print-Gewerbe auf den Kopf (Stichwort «Desktop Publishing» und Laser-Printer), der iPod und iTunes revolutionierten den Musik-Markt, das iPhone machte selbiges mit der Mobiltelefon-Industrie und das iPad hat einen nicht zu vernachlässigen Effekt auf die Computer-Branche.
Da Apple normalerweise nicht unzählige verschiedene Produkte auf den Markt wirft und hofft, eines davon würde sich dann schon etablieren, sondern gezielt Märkte anvisiert und angeht, darf davon ausgegangen werden, dass, sollte Apple tatsächlich eine Uhr auf den Markt bringen, Apple dies dann auch mit einem tieferen Sinn verbindet. Angenommen also, eine iWatch soll wie fast alle neuen Apple-Geräte einen bestehenden Markt aufrütteln, dann wäre dies wohl die Uhren-Industrie.
Viele tragen heutzutage Uhren meist mehr als Fashion- oder Luxus-Statement, denn zum alleinigen Ablesen der Uhrzeit. Uhren sind Schmuckstücke und Fashion-Accessoires — die Zeitangabe ist mittlerweile meist Nebensache. Kaum wer liesst sich heute noch Uhren aufgrund deren Genauigkeit aus, sondern wegen deren Aussehen. Dass Uhren in erster Linie Statements und Schmuckstücke sind, bestätigt auch Nick Hayek, der Chef des weltgrössten Uhrenherstellers Swatch Group. Der Schweizer glaubt auch nicht an eine Revolution durch eine iWatch. Ein Smartphone durch ein Gerät am Handgelenk zu ersetzen sei sehr schwierig, alleine schon weil man dort kein grosses Display haben kann, so Hayek erst kürzlich in einem Interview.
Uhren sollen die Zeit anzeigen — und genau das können eigentlich so ziemlich alle Uhren sehr gut. Hier gibt es keinen Handlungsbedarf. Die Stoppuhr-Funktion eines Chronographen ist meist auch sehr einfach umgesetzt. Oder gibt es tatsächlich das Verlangen nach einer Stoppuhr mit einem fancy Touch-Interface? Oder auf die Steuerung einer Stoppuhr über eine Spracherkennung?
Ein gewisser Handlungsbedarf nach einer besseren Lösung kommt erst, wenn es um kompliziertere Funktionen in einer Armbanduhr geht: Abwechslungsreiches und mehrmaliges Drücken verschiedener Knöpfe am Rand der Uhren soll ermöglichen von einer Funktion auf eine Andere zu wechseln — das ist kompliziert und mühsam. Nicht zuletzt deshalb werden zusätzliche Funktionen bei einer Uhr von ihren Nutzern in den meisten Fällen wohl äusserst selten genutzt.
Durch diese Tatsachen tun sich durchaus Parallelen zur Mobiltelefon-Industrie in der Zeit «vor dem iPhone» auf. Zu einer Zeit, in der wir eigentlich relativ zufrieden waren mit unseren Mobiltelefonen. Der damalige Palm CEO Ed Colligan wird in diesem Zusammenhang immer wieder gerne wie folgt zitiert: «We’ve learned and struggled for a few years here figuring out how to make a decent phone. PC guys are not going to just figure this out. They’re not going to just walk in.» Diese mittlerweile kultig-anmutende Aussage stammt aus dem Herbst 2006, keine zwei Monate bevor Apple das «iPhone» vorstellte und den Mobiltelefon-Markt für immer veränderte. Apple brachte ein Gerät auf den Markt, welches alle bisherigen Geräte dieser Branche in den Schatten stellte. Das iPhone befriedigte Bedürfnisse, von denen man vor dem iPhone gar nicht wusste dass man sie hat.
Genau das ist Apples Talent. Lösungen für Probleme finden, über die man sich vorher nicht bewusst war. Es ist nicht auszuschliessen, dass Nick Hayeks Aussage ein ähnliches Schicksal bevorsteht wie jener von Ed Colligan.
«Branchen-Experten» sind sich indes einig: tragbare Computer dürften in 10 Jahren unser aller Leben bestimmen. Noch nicht sicher ist man sich, wie diese tragbaren Computer sein werden. Das Handgelenk ist für das heutige Verständnis wohl prädestinierter für einen tragbaren Computer als eine Brille. Trotzdem wird Google noch dieses Jahr die «Google Glasses» auf den Markt bringen. Ob diese beim Publikum tatsächlich ankommen wird, oder hauptsächlich ein nettes Gadget für Geeks sein wird, wird sich zeigen. Viele Menschen finden kein Gefallen darin, eine Brille auf der Nase tragen zu müssen. Derweil haben kaum Menschen Probleme mit einer Uhr oder einem Armband am Handgelenk. Ausserdem sitzt ein Gerät am Armand sicher fest und stört nicht sonderlich, während eine Brille herunterfallen kann. Vielleicht aber sind Uhren und Brillen auch nur der erste Schritt hin zur Ära der «tragbaren Computer». Oder aber — zumindest was eine «iWatch» von Apple betrifft — sind das alles wirklich nur Spekulationen und Gerüchte ohne Boden. Die Zeit wird diese Fragen beantworten.
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