Video-iPod als «PSP-Killer»?

Wer killt wen?

Apple sieht sich schon seit längerem permanenten Angriffen so genannter «iPod-Killer» ausgesetzt. Bis jetzt konnte sich Apple im Kampf gegen den Rest der Welt mehr oder weniger schadlos halten. Dennoch wäre es falsch, wenn sich der Hersteller des beliebtesten digitalen Musik-Players auf seinen Lorbeeren ausruhte. Apple macht allerdings nicht den Anschein, als würde man sich zurücklehnen, im Gegenteil, die jüngere Vergangenheit hat gezeigt, dass Apple die iPod-Plattform konsequent weiter entwickelt. Millionen von iPod-Besitzern stehen vor einer spannenden und aufregenden Zukunft, so viel ist sicher. Doch wie wird er aussehen, der iPod der Zukunft?

Thomas Zaugg

Mittlerweile gibt es nicht nur «den» iPod, sondern Apple hat in den vergangenen Monaten eine ganze Familie von digitalen Musik-Playern geschaffen. Zusammen mit iTunes und der Zubehör-Industrie ist eine eigentlich Plattform entstanden. Ich möchte mich im folgenden Beitrag Hardware-seitig jedoch auf den «grossen» iPod beschränken, denn iPod shuffle und iPod nano werden wohl auch in absehbarer Zeit in erster Linie Musik-Abspielgeräte bleiben (auch wenn ein Video-fähiger iPod nano wohl technisch machbar wäre). Ebenso möchte ich das mit dem iPod verwandte, sagenumwobene «iPhone», einmal bewusst ausser Acht lassen.

Werfen wir also einen Blick auf «den» iPod: Unmittelbar nach dem Ende des letzten «Special Event» war klar, dass der iPod «5.5G» nur eine Übergangs- oder gar Verlegenheitslösung sein konnte und dass ein «richtiger» Video-iPod nur noch eine Frage der Zeit sein würde. Warum? Aufgrund seiner Display-Grösse von 2.5 Zoll eignet sich der aktuelle iPod weder zum Betrachen eines ganzen Spielfilms, noch lädt er zum stundenlangen Spielen ein. Erst kürzlich bestätigte eine Studie, was ich (und wohl auch viele andere Beobachter) schon immer vermutete: Ein Grossteil der iPod-Besitzer nutzen die Video-Funktionalität gar nicht. Der iPod ist und bleibt in erster Linie ein digitaler Musik-Player.

Aus diesem Grund glaube ich, dass die Vorstellung, dass der iPod der sechsten Generation über ein Display verfügen wird, dass die ganze Oberfläche des iPods bedecken und mittels Touch-Screen bedient werden wird, falsch ist. Meiner Meinung nach wird sich der «Sixth Generation iPod» nicht so stark vom aktuellen Modell unterscheiden, denn wie erwähnt, wird der iPod hauptsächlich zum Abspielen von Musik benutzt. Ein «normaler Full-Screen-iPod» macht einfach keinen Sinn, denn ein grösseres Display benötigt mehr Energie, was wiederum die Batterielaufzeit reduzieren würde. Das aktuelle Display ist zur Auswahl der Musik mehr als ausreichend. Zudem kann ich mir kaum vorstellen, dass Apple einen solchen «Full-Screen-iPod» zu den gleichen Preisen wie die 5.5Gs wird verkaufen können. Es entstünde eine zu grosse Lücke zwischen dem iPod nano (selbst wenn es ihn schon bald mit 12 oder gar 16 GB Speicherkapazität geben sollte) und dem «grossen» iPod.

Also doch kein Video-iPod in Sicht? Doch, natürlich! Allerdings wird der «Video-iPod» von dem hier die Rede ist, nicht den 5.5G ersetzen sondern eine neue, vierte Produktlinie bilden. Die Preise dieses «iPod video» (oder wie das Gerät auch immer heissen wird) werden entsprechend über denen des Standard-iPods liegen.

Wenn es eine neue Produktlinie gibt, könnte das auch bedeuten, dass sich Apple nicht zwingend am Formfaktor des klassischen iPods orientieren muss. Es ist durchaus möglich, dass der Video-iPod eine grössere Oberfläche haben wird. Eine grössere Oberfläche bedeutet, dass das Gehäuse unter Umständen sogar Platz für eine 2.5-Zoll-Festplatte bieten könnte. Dies hätten den Vorteil, dass Apple schon heute die Speicherkapazität auf bis zu 200 GB anheben könnte. Zum Vergleich, Toshiba hat gerade erst die Verfügbarkeit von 100-GB-Festplatten der 1.8-Zoll-Baugrösse (welche in den bisherigen iPods zum Einsatz kommt) angekündigt. Video-Daten brauchen erfahrungsgemäss sehr viel Speicherplatz, Kapazitäten jenseits der 100-GB-Grenze wären mehr als nur sinnvoll. Zudem benutzen viele User ihren iPod auch noch als mobile (Backup-)Festplatte. Ein grösseres Gehäuse bedeutet aber auch mehr Volumen. Dies wiederum könnte es Apple ermöglichen leistungsfähigere Hardware, die mehr Wärme abgibt, einzubauen; von der Möglichkeit grössere und stärkere Batterien einsetzen zu können, ganz zu schweigen.

Für was bräuchte Apple überhaupt leistungsfähigere Hardware? Die Bild- und Tonqualität der aktuellen iPods ist doch bereist mehr als ausreichend und 3D-Games werden ja auch unterstützt? Die aktuelle iPod-Hardware ist auf die Wiedergabe von Bildmaterial in Standard-Auflösung ausgelegt. HD-Material kann nicht abgespielt werden. Es ist kaum anzunehmen, dass Apple auch noch in zwei, drei Jahren ausschliesslich Spielfilme in einer Qualität, die nicht einmal ganz DVD-Niveau erreicht, über den iTunes Store verkaufen möchte. «HD», sei es nun in Form von HDTV oder Blu-ray Disc, bzw. HD DVD, gehört eindeutig die Zukunft und dürfte in den kommenden Jahren deutlich an Attraktivität gewinnen. Auch wenn der Startschuss für den Verkauf von Spielfilmen in HD über den iTunes Store noch nicht unmittelbar vor der Türe stehen dürfte, könnte Apple in der Zwischenzeit die Qualität des verfügbaren Bildmaterials verbessern, in dem z. B. die Datenrate des Video-Materials erhöht wird.

Wir haben bis jetzt nur über Bilddaten gesprochen, auch beim Tonformats hat Apple noch Nachholbedarf. Die aktuellen Titel im iTunes Store verfügen nur über eine (digitale) Stereo-Tonspur. Mehrkanal-Ton-Formate wie das (mittlerweile in die Jahre gekommene) DVD-Standard-Format AC3 (alias Dolby Digital 5.1) oder DTS werden von der aktuellen iPod-Hardware ebenfalls nicht unterstützt, über die jeweiligen Nachfolgeformate brauchen wir uns erst recht nicht zu unterhalten.

Heutzutage spiele Mehrkanal-Ton-Formate nicht nur im Video-Bereich eine Rolle, sondern kommen mittlerweile auch im grossen Universum der Video-Spiele zum Einsatz, womit wir bei einem weiteren Thema wäre: «iPod als portable Spielkonsole».

Der Titel dieses Kommentars lautet nicht umsonst «Video-iPod als «PSP-Killer»?».
Dieser Titel mag jetzt vielleicht etwas verrückt klingen, aber ich denke, es ist kein Zufall, dass Apple seit kurzem nicht nur Spielfilme, sondern auch erste Video-Spiele für den iPod verkauft. Natürlich wäre es mit dem vorhandenen Angebot reichlich übertrieben, den iPod als «PSP-Killer» zu bezeichnen. Allerdings musste sich Apple (bzw. die Entwickler) bei der Programmierung der Spiele auf die Möglichkeiten der vorhandenen Hardware beschränken. Dennoch zeigt sich das Potential, dass die Pod-Plattform im Verbund mit dem iTunes Store auch bei Video-Spielen hätte.

Apple bräuchte nicht wie Sony bei der «PlayStation Portable» (PSP) ein proprietäres Datenträger-Format zu entwickeln, um Games (und andere Inhalte) überhaupt auf die Konsole, pardon, den iPod zu bringen. Die Speicherkapazität der UMD (dem PSP-Speichermedium) beträgt übrigens 1.8 GB. Dies entspricht in etwa der maximalen Datei-Grösse der Filme, welche über den iTunes Store angeboten werden. Da iTunes-Store-Kunden offenbar kein Problem mit Downloads in dieser Grössenordnung haben, wäre es also möglich, auch «richtige» Video-Spiele über den iTunes Store anzubieten. Damit es aber überhaupt soweit kommen kann, bräuchte entsprechende Hardware, dieses Problem liesse sich wie erwähnt bei einem im Vergleich zum iPod etwas vergrösserten Gehäuse technisch lösen.

Allerdings stellt sich die Frage, ob eine Bedienung einer portablen Spielekonsole mittels Touchscreen überhaupt sinnvoll wäre. An diesem Punkt könnte das Konzept «iPod als Spielekonsole» ein erstes Mal scheitern, denn es ist fraglich, ob die vorhandene Technologie bereits über die für die Steuerung von Video-Games notwendige Präzision verfügt. Wer weiss, vielleicht sind aber auch die «Touchscreen-Gerüchte» einfach falsch oder obsolet.

Unabhängig von den technischen Möglichkeiten stellte sich für Apple noch ein weiteres Problem: Die Unterstützung der Studios. Immerhin hat Apple bei der Entwicklung der Spiele für den iPod der fünften Generation unter anderem mit Electronic Arts zusammengearbeitet. Ob ein entsprechendes Interesse überhaupt vorhanden wäre, hängt in erster Linie vom Aufwand für die Portierung aktueller Spiele für den iPod sowie von der Nachfrage solcher Games ab. Wenn es Apple gleichzeitig gelingt, das Angebot an verfügbaren Spielfilmen deutlich zu vergrössern (also weitere Filmstudios mit an Bord zu holen) und daneben auch das übrige Angebot (Musik, Musik-Videos, TV-Serien) weiter auszubauen, könnte ein gewisser Bedarf an einem solchen iPod durchaus vorhanden sein. Electronic Arts und andere Entwickler könnten dann durchaus Interesse an einer zusätzliche Plattform haben. Mit Apple als neuem Player im Bereich der Spielekonsolen, könnten sich die Entwickler unter Umständen etwas aus der Abhängigkeit von Sony und Microsoft lösen.

Apple könnte die Attraktivität eines solchen iPods vergrössern, in dem es die in den iPods bereits vorhandene PDA-Funktionalität ausbaut (insbesondere die Eingabe von Daten direkt auf dem iPod ermöglicht), WLAN samt «mobilen» Versionen von Safari, Mail, iChat, Adressbuch, iCal und natürlich iTunes samt Zugang zum iTunes Store sowie einen Radioempfänger einbaut.

Am Ende dieses Beitrags muss ich zugeben, dass das alles vielleicht nur Wunschdenken ist, und Apple nicht einmal im Traum an einen solchen «Super-iPod» denkt. Da die Leute um Steve Jobs aber berühmt sind für visionäres Denken, besteht zumindest eine Chance, dass dieses Szenario in nicht allzu ferner Zukunft Tatsache werden könnte.

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