Sorgenkind Apple TV: Erfolg im zweiten Anlauf?
Zum ersten Mal seit Januar 2008 erhielt das Apple TV diese Woche eine nennenswerte Überarbeitung. Vielleicht wäre es passender, die Überarbeitung als Neubeginn zu bezeichnen. Denn in seiner bisherigen Form ist Apple TV auf dem Markt gescheitert. Dank Apples riesigen Erfolgen mit dem iPhone und dem iPad wurde dieses Scheitern von der Öffentlichkeit zwar wohlwollend übersehen, aber mit einem von einer breiten Masse ignorierten Gerät wird Apple den iTunes-Siegeszug nie bis in die anvisierten Wohnzimmer führen. Apple TV war ein Flop. Oder, um es in Apples Worten auszudrücken, «ein Hobby» - der Ausdruck «Flop» existiert in Cupertino nicht. Wird es Apple gelingen, mit der neuen Apple-TV-Generation aus der Sackgasse zu finden?
In den letzten Jahren hat Apple eine ganze Reihe an grossartigen Erfolgen gefeiert. Was Apple auch angepackt hat, der Triumph liess selten lange auf sich warten. Dabei spielte es gar keine Rolle, ob Apple einen bestehenden Markt aufgemischt - Stichwort iPod, iPhone - oder einen komplett neuen Markt erschaffen hat - Stichwort iTunes Store. Apple TV war der einzige Tintenklecks in Apples Reinheft.
Was ist der Grund hierfür? Die Art und Weise, wie Apple TV gescheitert ist, sollte der Apple-Chefetage zu denken geben. Denn es braucht einiges, bis ein von Apple gross angekündigtes Produkt scheitert. Üblicherweise darf sich Apple in der privilegierten Position wähnen, dass eine breite Käuferschicht bei neuen Apple-Produkten gerne über allfällige Schwachpunkte hinwegsieht und den Fokus eher auf die positiven Punkte richtet.
Und damit wäre das Problem von Apple TV in seiner bisherigen Form auch schon beschrieben: Apple TV besass keine positiven Punkte. Oder, um es etwas klarer auszudrücken, es besass kein Feature, welchem auch nur ansatzweise der Apple-typische Must-have-Status anhaftete.
In einer ausführlichen Analyse beschreibt John Siracusa von Arstechnica genau diesen Punkt. Beim iPod, beim iPhone und auch bei vielen anderen Produkten aus Cupertino bestand die grösste Stärke darin, dass Apple bestehende Technologien vereinfacht und somit einem breiten Publikum zugänglich gemacht hat. MP3-Player gab es schon Jahre vor dem iPod und Internet-Handys waren schon lange vor dem iPhone ein Thema, doch erst Apple machte diese Technologien massentauglich. Sowohl der iPod als auch das iPhone haben die Komplexität der dahinter liegenden Technik auf eine Art und Weise reduziert, dass sie für viele Menschen erstmals zugänglich wurde. Und genau das ist Apple mit dem Apple TV von Anfang an nie gelungen.
Schaut man sich die Quellen an, aus denen man Inhalte für TV-Geräte beziehen kann, so trifft man auf ein heilloses Chaos. Neben TV per Kabel, Satellit und Internet braucht man auch noch Player für DVDs und Blu-rays. Jede Quelle, die man als Konsument nutzen möchte, benötigt ein eigenes Gerät mit einem eigenen Bezugsmodell.
Anstatt diese Komplexität zu reduzieren, bot Apple mit Apple TV ein weiteres Gerät mit eigener Fernbedienung, eigener Content-Verwaltung und eigenem Preismodell an. Apple TV war bisher nie in der Lage, ein anderes Gerät zu ersetzen. Schlimmer noch: Das bestehende Chaos rund um viele TV-Geräte wurde von Apple schlicht ignoriert. Kein Wunder, dass kaum ein Mensch einsah, wozu Apple TV gut sein sollte.
Nun lautet natürlich die Gretchenfrage, ob es Apple mit der neuen Apple-TV-Generation gelungen ist, diesen Missstand zu beheben. Apple wirbt damit, dass Apple-TV nur ein einziges Kabel benötige (abgesehen vom Netzkabel) und sofort betriebsbereit sei. Das klingt wunderbar, hilft aber auch nur dann weiter, wenn man nicht noch drei andere Geräte gleichzeitig am TV angeschlossen haben muss. Damit ein Gerät wie Apple TV überhaupt Erfolg haben kann, muss es zwei fundamentale Grundvoraussetzungen erfüllen. Erstens muss es Zugang zu möglichst vielen qualitativ hochwertigen Inhalten bieten. Zweitens muss es ohne eine eigene Verwaltung dieser Inhalte auskommen.
Den zweiten Punkt hat Apple mit der neuen Apple-TV-Lösung erfüllt. Egal ob man Filme, TV-Serien, Musik, Fotos oder was auch immer geniesst, man braucht sich nicht darum zu kümmern, wie diese ihren Weg auf Apple TV finden. Apple TV besitzt keine Festplatte mehr, die irgendwann voll sein könnte.
Schwieriger wird es hingegen beim ersten Punkt, der Frage nach den vorhandenen Inhalten. Apple betont, den grössten Katalog an mietbaren HD-Filmen anzubieten (derzeit 3’400) und konnte sich vor wenigen Tagen auch mit einigen Studios über ein Mietmodell für TV-Serien in HD-Auflösung einigen. Bei den Verhandlungen mit den Rechteinhabern kämpft Apple aber häufig gegen Windmühlen. Die Studios wollen um jeden Preis verhindern, dass ein einzelner Anbieter zu mächtig wird. Dies hat zur Folge, dass die Lücken in Apples Filmkatalog selbst in den USA häufig immer noch grösser wirken als das Angebot selbst. Fehlende Angebote ausserhalb der Vereinigten Staaten sowie die Beschränkung auf Videomaterial in 720p-Qualität tragen ebenfalls nicht gerade zur Attraktivitätssteigerung von Apple TV bei.
Apple selbst hat diverse Schritte unternommen, um dieses Dilemma zu lindern. Erstens die Verknüpfung mit anderen Content-Quellen wie Netflix oder YouTube. Doch es ist klar, dass dies nur Notlösungen sein können. Etwas innovativer ist der Ansatz mit AirPlay. AirPlay ermöglicht es, Fotos und Filme von einem iPhone, iPod oder iPad über Apple TV auf einem Fernseher auszugeben. Dank der sehr komfortablen Umsetzung dürfte dies ein durchaus interessantes Feature für viele Besitzer solcher Geräte sein - von denen unterdessen ja mehr als 100 Millionen im Umlauf sind! Nicht zuletzt dürfte Apple TV auch vom neuen Design und dem tieferen Preis ein Stück weit profitieren. Die Verknüpfung mit dem iPhone birgt ausserdem reichlich Potenzial für die Zukunft, beispielsweise im Hinblick auf Spiele auf dem TV.
Dies alles ändert aber nichts an der Tatsache, dass auch die neue Apple-TV-Generation letztlich mit dem zur Verfügung stehenden Content steht und fällt. Im Falle eines Flops ist nicht davon auszugehen, dass Apple seiner TV-Lösung eine weitere Galgenfrist zugestehen wird. Apple muss dafür sorgen, dass möglichst rasch ein breites und hochwertiges Angebot an Filmen und TV-Serien zur Verfügung steht. Sollte dies nicht geschehen, dürfte es kaum mehr lange gehen, bis Apple seine Wohnzimmer-Träume zusammen mit Apple TV beerdigen kann.
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8 Kommentare
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Kommentar von anonymous4479
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Kommentar von marc69
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