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One more thing!
Warum Apple mit den TV-Shows noch für Furore sorgen wird
Als Steve Jobs gestern während seiner Ansprache mit den Worten ‘one more thing’ auf den Höhepunkt zusteuerte, hofften die meisten Mac-User auf generalüberholte PowerBooks oder zumindest auf neue Power Macs. Immerhin hatte Steve schon einen neuen iMac aus dem Hut gezaubert, nun wäre mal wieder ein Profi-Mac an der Reihe. Doch es kam anders. Steve zeigte lediglich, wie man als Amerikaner ein paar wenige TV-Shows mit iTunes kaufen und anschliessend in Briefmarkengrösse betrachten kann. Wir hatten einen Knall erwartet, und nun zeigt Steve so eine langweilige Nebensächlichkeit - so mögen sich die meisten Mac-Fans gefühlt haben, auch meine erste Reaktion tendierte in diese Richtung. Rückblickend betrachtet muss ich Steve aber Recht geben. Vielleicht waren die TV-Shows wirklich DIE grosse Neuerung, die das Potenzial hat, den iMac und den iPod in den Schatten zu stellen.
Kurz bevor Steve Jobs Ende 1996 zu Apple zurückkehrte, sagte er folgendes über Apple: «Wenn ich Apple führen würde, würde ich den Macintosh melken… und das nächste grosse Produkt vorbereiten. Die PC-Kriege sind vorbei. Endgültig.» Doch kaum war er zurück bei Apple, setzte er alles auf den Mac und rettete damit Apple. Jetzt, acht Jahre nach seiner Rückkehr, ist die Zeit gekommen, um mit Apple wieder vorwärts zu gehen und neue Märkte zu erschliessen.
Viele Mac-Fans meinen, Apple und der Macintosh seinen untrennbar miteinander verbunden. Doch das stimmt nicht. Vor zehn Jahren war es so, doch heute nicht mehr. Denn für Steve Jobs ist der Mac nur ein Produkt unter vielen. In seinen ersten neun Jahren bei Apple spielte der Macintosh - über die ganze Zeit gesehen - nur eine kleine Rolle. Und nach seiner Rückkehr setzte Steve Jobs alles daran, sämtliche alten Zöpfe abzuschneiden. Auch den Macintosh. Steve hat den Macintosh gemolken, das waren keine leeren Worte. Steve Jobs hat Apple von allen Altlasten befreit. Kein Gehäusedesign blieb gleich, keine Zeile Systemcode. Vom PowerPC war Jobs noch nie überzeugt, deshalb muss auch er weichen. Nicht mal der Name blieb unverändert, aus dem ‘Macintosh’ wurde schlicht der ‘Mac’. Der Mac des Jahres 2006 hat nichts, überhaupt rein gar nichts mehr mit dem Macintosh des Jahres 1996 zu tun. Steve hätte den neuen Produkten auch einen anderen Namen geben können, doch mit dem Namen ‘Mac’ hielt er die Fans bei der Stange. Denn die brauchte er, um Apple zu retten. Nun braucht er sie nicht mehr.
Keine Angst, Mac OS X wird es auch in fünf Jahren noch geben, ebenso den iMac und das PowerBook. Aber der Mac wird ein Apple-Produkt von vielen sein. Der erste Schritt war 2001 der iPod. Damit sorgte Steve für einige Achtungserfolge. Der zweite Schritt folgte 2003 mit dem Music-Store. Damit hielt die Euphorie Einzug und das Musikgeschäft wurde zu einem wichtigen Faktor für Apple, es war der Durchbruch. Nun folgte 2005 der dritte Schritt, der Video-Store. Damit will Apple an die Spitze des Unterhaltungsmarktes, damit soll der grosse Erfolg her. Ein Plan in drei Schritten, Steve Jobs würde sagen, in drei Akten.
2001 sagte Steve, der iPod sei nur ein Zubehörgerät, das Apple nebenbei verkaufe, im Zentrum des Digital Lifestyles stehe der Mac. Doch der iPod entwickelte sich zu einer wahren Goldgrube und arbeitete bald unabhängig vom Mac an jedem Computer. 2003 sagte Steve, der iTunes Music Store sei dazu da, die iPod-Verkäufe ein wenig anzukurbeln. Doch der Music-Store wurde zu einem Bombengeschäft von höchster strategischer Bedeutung. Nun sagte Steve, der Verkauf von TV-Shows sei lediglich ein kleines Zusatzangebot für den iTunes-Music-Store. Ich behaupte, in zwei Jahren wird das Geschäft mit den TV-Shows wichtiger sein als das Geschäft mit dem Musikverkauf heute. Und in spätestens vier Jahren wird es wichtiger sein als der iPod heute.
Das one more thing war ein Knaller. Ein sehr grosser Knaller sogar. Nur halt nicht für die Mac-Anwender. Trotz aller Loyalität müssen wir der Wahrheit ins Auge sehen. Die Ansprache gestern war nicht an uns Mac-User gerichtet. Beim iPod geht es nicht um den Kampf zwischen Mac und PC. Für Apple geht es um weit mehr. Es geht um einen anderen Markt mit einer völlig anderen Zielgruppe. Ein iPod braucht kein FireWire, denn das ist eine Schnittstelle für Mac-Zubehör. Und der iPod hat nichts mehr mit dem Mac zu tun. Die wenigsten iPod-Neukäufer sind Mac-Anwender. Genauso wenig zielt Apple mit den TV-Shows auf die Mac-Anwender ab. Deshalb ist es für Apple auch unwichtig, ob die Mac-User mit den Vorstellungen am gestrigen Event zufrieden waren.
Bei der Vorstellung des iPods und des Music-Stores konnte niemand die späteren Erfolge auch nur erahnen. Und wenn der Plan von Steve Jobs aufgeht, wird es mit den TV-Shows ähnlich sein. Doch wir sollten nicht den Fehler begehen und die Bedeutung des neuen Marktes unterschätzen. Im Moment ist das Angebot von Apple noch sehr beschränkt. Nur Amerikaner können TV-Shows erwerben, zur Auswahl stehen lediglich fünf Serien. Die Auflösung der Videos ist mässig und Abspielgeräte besitzt noch niemand. Vor zwei Jahren sah die Situation sehr ähnlich aus. Bis im Frühjahr 2003 hatte Apple eine Million iPods verkauft, die Zahlen stagnierten. Im iTunes Music Store waren lediglich fünf Labels vertreten, Zugriff hatten nur Amerikaner. Doch der iTMS wuchs extrem schnell, er kurbelte die iPod-Verkäufe und dieser die Mac-Verkäufe an. Jetzt soll das ganze Prozedere wiederholt werden. Im Moment stagnieren die Verkaufszahlen im iTunes Music Store. Anfang Jahr verkaufte Apple 1.2 Millionen Songs pro Tag, jetzt, 10 Monate später, sind es knapp 1.5 Millionen. Das Wachstum ist zwar noch nicht ganz verschwunden, doch die Verkaufskurve zeigt längst nicht mehr exponentiell nach oben. Die Parallelen zwischen dem Special Music Event im April 2003 und dem Event gestern sind nicht zu übersehen.
Mit einem kleinen Rechenbeispiel möchte ich das Marktpotenzial der TV-Shows aufzeigen. Bis jetzt wurde iTunes 200 Millionen Mal heruntergeladen. Ich gehe in der folgenden Überlegung davon aus, dass schätzungsweise 100 Millionen Amerikaner iTunes verwenden. Eine weitere Annahme ist, bei jeder der fünf im iTMS erhältlichen TV-Shows erscheint einmal pro Woche eine neue Folge. Der Preis pro Folge ist bekannt, er liegt bei rund zwei Dollar. Wenn nun jeder zwanzigste bisherige iTunes-Nutzer aus den USA auch nur eine dieser Serien abonniert, verkauft Apple pro Woche fünf Millionen Folgen und generiert damit einen Umsatz von zehn Millionen. Man mag jetzt sagen, zehn Millionen seien ein Pappenstil, aber diese zehn Millionen entsprechen ziemlich genau dem bisherigen Wochenumsatz des iTunes Music Stores. Und dabei ist der iTMS bereits zweieinhalb Jahre alt, ist von 20 Ländern aus erreichbar und es gibt 30 Millionen kompatible Abspielgeräte. Mit anderen Worten: Schon jetzt ist das Marktpotenzial der TV-Shows ähnlich gross wie das des Musikverkaufs. Dabei stehen die TV-Shows erst am Anfang. Es wird nicht lange dauern, bis Apple die Welt mit Video-iPods überflutet hat und das Angebot um weitere TV-Shows ergänzen wird. In einem Jahr sind es vielleicht 20 Shows, in zwei Jahren 50 oder gar 100. Und es wird - insbesondere in den USA - viele Menschen geben, die sich ihre Lieblingsshow abonnieren. Denn TV-Shows sind angesagt wie nie und sie jederzeit und beliebig oft werbefrei ansehen zu können, stellt für viele sicherlich eine grosse Verlockung dar. Dabei verdient Apple kräftig, die meisten Kunden werden jede Woche zwei Dollar bezahlen. Wenn das Geschäft einmal ins Rollen kommt, hat Apple diese Einnahmen praktisch auf Lebenszeit sicher. Denn anders als beim Musikverkauf droht Apple nur wenig Konkurrenz. Schliesslich kann man diese TV-Shows ausserhalb des iTMS gar nirgends kaufen.
Das Marktvolumen des TV-Geschäftes ist viel höher als dasjenige des Musikverkaufes. Steve Jobs hat gestern ein Signal gegeben, jetzt geht Apple aufs Ganze. Jeder, der diese TV-Shows will, muss sie bei Apple kaufen und braucht einen iPod für das Abspielen. Dabei kurbelt jeder verkaufte iPod auch den Musik-Verkauf und das Mac-Geschäft an. Noch ist nicht sicher, ob der Plan von Apple aufgehen wird. Aber eines steht fest: Steve Jobs meint es ernst mit seiner Strategie, sein ‘one more thing’ war definitv keine Nebensächlichkeit.