Mac mini: Auf den Spuren des Cubes?
«Wir sind begeistert über das Wachstum im Mac-Business und freuen uns besonders, dass der Anteil an Intel-basierten Macs im zurückliegenden Quartal 75 Prozent betragen hat.» Dies sind die Worte, mit denen Steve Jobs Apples jüngste Quartalszahlen kommentierte, die in der Tat positiv ausgefallen sind. Dass Apple mit guten Ergebnissen aufwarten kann, ist nichts neues, doch zum ersten Mal seit langem war in den vergangenen drei Monaten das Mac-Geschäft für das Wachstum verantwortlich. Zwischen April und Juni verkaufte Apple zum ersten Mal seit mehr als sechs Jahren wieder über 1.3 Millionen Computer. Noch vor weniger als einem Jahr prognostizierten Journalisten und Analysten einbrechende Mac-Absätze durch den Intel-Switch. Nun ist alles anders gekommen: Apples neue Notebooks haben eingeschlagen wie eine Bombe und fegten die Sorgen der Analysten auf einen Schlag vom Erdboden. Doch im allgemeinen Jubel um die gigantische MacBook-Nachfrage ging eine andere Produktlinie völlig vergessen: Der Mac mini. 2005 kam er auf den Markt, um die Mac-Verkäufe in die Höhe zu treiben. Unterdessen ist er das Sorgenkind in Apples Modellfamilie und droht das Schicksal des altehrwürdigen Cubes zu teilen.
Für gewöhnlich ist es als Aussenstehender kaum möglich, Apples Verkaufszahlen nach Produktfamilien aufzuschlüsseln. Apple ist Meister darin, den Zahlen ihre Aussagekraft zu entziehen. In den Quartalsberichten sind die Verkaufszahlen jeweils nur aufgeteilt in Mobilcomputer und Desktopcomputer. Doch für dieses Quartal haben wir noch eine zweite Angabe: Wir wissen nämlich, dass 75 Prozent der Verkäufe auf die Intel-Macs entfielen.
Fassen wir zusammen: Zwischen April und Juni verkaufte Apple 529’000 Desktoprechner. Diese setzen sich zusammen aus den Produktfamilien iMac, Mac mini, Power Mac G5, Xserve G5 und eMac, wobei letzterer nur noch vereinzelt an Bildungseinrichtungen verkauft wurde. Im gleichen Zeitraum setzte Apple 798’000 Notebooks ab. Darunter fielen das MacBook Pro und das MacBook, welches zur Quartalsmitte das iBook G4 und das PowerBook G4 mit 12-Zoll-Display ablöste. Insgesamt verkaufte Apple 1’327’000 Macs, davon rund 300’000 bis 330’000 Geräte mit PowerPC-Chip.
Der Schlüssel zum Verständnis der Quartalszahlen liegt genau hier; hier bei den PowerPC-Macs. Wenn wir wissen, wie sich diese 330’000 PowerPC-Macs auf die Produktfamilien iBook, PowerBook, eMac, Xserve und Power Mac verteilen, erhalten wir ein besseres Bild über die Verkaufszahlen aller verkauften Mac-Modelle. Das 12”-PowerBook G4, welches seit Januar 2005 nicht mehr überarbeitet wurde sowie der ohnehin nur in kleinen Stückzahlen hergestellte Xserve dürften je nur einige Tausend Mal verkauft worden sein und damit vernachlässigbar sein. Da auch der eMac sicher kein Renner mehr war, müssen sicher mehr als 250’000 Geräte auf die iBooks und Power Macs entfallen sein. Da das iBook G4 seit langem als veraltet galt, der Nachfolger absehbar war und es ohnehin nur bis Mitte Mai verkauft wurde, ist anzunehmen, dass die Power-Mac-Verkäufe höher waren als die iBook-Verkäufe. Hält man sich vor Augen, dass Apple früher jeweils rund 100’000 iBooks pro Monat verkauft hat und die Zahlen sicherlich schon über den Winter leicht eingebrochen sind, wird Apple im vergangenen (halben) Quartal kaum mehr als 100’000 iBooks verkauft haben. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die klare Mehrheit der gut 300’000 PowerPC-Macs auf das Desktop-Segment entfiel.
Nun wissen wir folgendes: Von den 530’000 Desktop-Macs, die Apple zwischen April und Juni absetzen konnte, entfielen wohl nur zwischen 300’000 und 350’000 Geräte auf die Intel-Modelle. Unklar ist lediglich, wie viele man davon dem iMac und wie viele dem Mac mini zuschreiben muss. Sicherlich dürfte sich der iMac besser verkauft haben als der Mac mini, er ist das attraktivere und bekanntere Produkt. Wenns hoch kommt, verkaufte Apple im letzten Quartal 150’000 Mac minis; gut möglich, dass es nur 100’000 waren. Demnach ist nur etwa jeder zehnte verkaufte Mac ein Mac mini - wenn überhaupt.
Natürlich sind dies nur Zahlen. Ihre Aussagekraft ist beschränkt. Erschreckend ist aber nicht nur, dass die Zahlen so tief sind, sondern vor allem, dass sie ausgerechnet in diesem Quartal so tief waren. Wir erinnern uns: Der Mac mini wurde Ende Februar auf die Intel-Plattform umgestellt. Das vergangene Quartal repräsentiert also einen Zeitraum, in dem der Mac mini zwar frisch überarbeitet war, aber trotzdem bereits in grossen Stückzahlen ausgeliefert werden konnte; also genau den idealen Zeitraum, während dem die Verkaufszahlen maximal sein sollten.
Was läuft also falsch mit dem Mac mini? Ist er zu schlecht ausgestattet? Nein, daran kann es nicht liegen. Die Ausstattung des Intel-Mac-mini ähnelt derjenigen des MacBooks stark, genauso wie schon bei seinem G4-Vorgänger, der auf der iBook-Technik aufbaute. Doch während die Verkaufszahlen des MacBooks - im Vergleich zum iBook - durch den Intel-Switch nahezu explodierten, lässt sich das beim Mac mini nicht beobachten. Von allen Desktop-Rechnern müsste der Mac mini derjenige sein, der durch den Plattformwechsel am meisten profitiert, da der technologische Sprung bei ihm am grössten ist. Zumindest die Core-Duo-Konfiguration des Mac minis müsste eigentlich weggehen wie warme Semmeln, von allen aktuellen Macs bietet diese Konfiguration am meisten Rechenleistung fürs Geld.
Der Grund für die schwache Nachfrage beim Mac mini liegt nicht bei technischen Details, sondern im Kern. Für den Mac mini gibt es keine anvisierte Kundengruppe, es ist ein Computerkonzept ohne Markt. Um das zu verstehen, muss man sich Apples Philosophie des Marktzuganges vor Augen führen. Seit Jahren hat Apple sein Mac-Geschäft in vier Produktfamilien gegliedert, nämlich in Desktop- und Mobilcomputer jeweils für Profis und für Heimanwender. Dieses Konzept hat den Vorteil, mit wenigen Produkten fast den gesamten Markt abdecken zu können. Nachteilig ist hingegen, dass die Produkte für einzelne Nischenmärkte ungeeignet sind. Für solche Nischenmärkte hat Apple weitere Produkte im Angebot, zum Beispiel den Xserve und bis vor kurzem auch den eMac.
Doch wo ist der Platz des Mac mini? Nirgends! Der Mac mini hat in Apples Produkteschema keinen Platz! Er muss sich mit Marktnischen begnügen, obwohl er für die breiten Massen gedacht war. Apple hat versucht, den Mac mini eine Hierarchiestufe unterhalb des iMacs anzusiedeln. Damit knabbert der Mac mini höchstens an den iMac-Verkäufen, aber er spricht keine eigene Kundengruppe an. Man kann zwar sagen - und Apple tut das auch - dass Switcher, die bereits Display und Tastatur besitzen, den Mac mini einem iMac vorziehen, doch im Grunde gehören diese Switcher zur altbekannten iMac-Zielgruppe. Es gibt nichts, was der Mac mini kann, für das der iMac nicht ebensogut geeignet wäre. Er ist für die genau gleichen Anwendungsgebiete konstruiert. Einen Mac mini stellt man auf den Schreibtisch, genau wie den iMac. Man verwendet ihn für Textverarbeitung, Internet, sowie für iLife-Anwendungen, genau wie den iMac. Verglichen mit dem iMac hat der Mac mini nur Schwächen, er bringt keine Vorteile.
Seine einzige Stärke ist der Preis. Doch das genügt nicht. Der Preisunterschied zum iMac ist nicht gross genug, um die vielen Defizite des Mac mini zu decken. Während der iMac ein Rundum-Sorglospaket für Heimanwender bildet, sind die Schwächen des Mac minis und die Grenzen seines Einsatzgebietes auf den ersten Blick zu sehen. Will jemand einen Mac mini kaufen, muss er immer zuerst darauf aufmerksam gemacht werden, was denn der Mac mini alles nicht kann, so dass der potenzielle Käufer dann in den allermeisten Fällen doch lieber zum bewährten iMac oder MacBook greift. Im Zusammenhang des Mac mini fällt häufig das kleine Wörtchen «aber» - was man bei Macs nicht gewohnt ist. Zwar ist der Mac mini klein und kompakt, aber Aufrüsten kann man ihn kaum. Zwar sieht der Mac mini umwerfend gut aus, doch neben dem grauen PC-Monitor spielt das ohnehin keine Rolle. Zwar ist der Mac mini ziemlich günstig, aber seine Ausstattung ist recht dürftig. Apple hat mit dem iMac und dem MacBook derzeit zwei äusserst attraktive Produkte für Heimanwender, da bleibt für den Mac mini nicht mehr viel vom Kuchen übrig.
Vor fünf Jahren stand Apple vor einer ähnlichen Situation. Damals hatte Apple versucht, die Produktmatrix durch den Power Mac G4 Cube zu erweitern. Dieser ergänzte das Portfolio, in dem er sich unterhalb des Power Mac G4s einreihte. Schon damals ging das Konzept nicht auf, die Verkaufszahlen waren enttäuschend. Und zwar aus dem gleichen Grund wie beim Mac mini. Der Cube öffnete keine neuen Märkte, sondern er nagte an den bestehenden. Apples Antwort auf die tiefen Absatzzahlen folgte prompt. Ein Jahr nach seiner Einführung verschwand der Cube für immer aus Apples Modellpalette.
Droht nun das gleiche Schicksal dem Mac mini? Das ist nicht sicher, aber durchaus möglich. Natürlich kann Apple den Mac mini auch weiterhin pflegen, in der aktuellen Wachstumsphase geht vom Mac mini keine Gefahr aus. Interessanter wäre es aber, wenn Apple den Mac mini neu positionieren würde. So wäre es denkbar, den Mac mini mit einigen exklusiven Features auszustatten, die ihn von den restlichen Macs abheben und für andere Kundengruppen attraktiv machen würden. Schon lange wird über einen wohnzimmertauglichen Mac mini mit TV-Funktionen spekuliert. Solche Möglichkeiten würden dem jüngsten Mitglied der Mac-Familie garantiert neue Perspektiven bescheren. Sieht so die Zukunft des Mac minis aus?
Ab CHF 5.– im Monat
👉🏼 Wir benötigen deine Unterstützung! Unterstütze macprime mit einem freiwilligen Gönner-Abo und mache die Zukunft unseres unabhängigen Apple-Mediums aus der Schweiz mit möglich.