Leopard and the Copy Cats

Wer kopiert hier wen?

Apple gewährt uns endlich einen ersten Ausblick auf die Zukunft der OS-X-Plattform, ohne jedoch die Katze aus dem Sack gelassen zu haben. Die wirklich grossen Neuerungen sollen vorerst noch geheim gehalten werden, aus Angst, Microsoft könnte sich erneut von OS X «inspirieren» lassen und die neuen Features auch noch in Vista - der nächste Windows-Version - einbauen. Dass diese Angst nicht ganz unbegründet ist, bewies Apple mit einigen Screenshots die Tiger mit Vista vergleichen. Tatsächlich gibt es viele «neue» Features in Microsofts Betriebssystem, die wie schlechte Tiger-Kopien aussehen. Ist Apple nun die Firma, die ständig neue Innovationen präsentiert, während alle anderen, allen voran Microsoft, bloss Apple kopieren? Mitnichten, auch wenn Apple das nicht zugibt, auch die Entwickler in Cupertino lassen sich immer wieder durch die Konkurrenz(oder Dritthersteller) inspirieren und bauen Technologien ein, die in etwas anderer Form schon seit geraumer Zeit existieren. Gerade bei Leopard tritt das stärker zu Tage als je zuvor, neu ist diese Tendenz jedoch nicht.

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Die bereits angekündigten neuen Leopard-Features lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Einerseits wurden vorhandene Technologien und Programme weiterentwickelt, andererseits wurden Technologien eingebaut, die in anderen Betriebssystemen schon lange existierten. Etwas wirklich Neues haben wir (bis jetzt) noch nicht gesehen.

Dass bestehende Technologien und Programme ständig verbessert und erweitert werden, ist ein normaler Vorgang in der IT-Welt, ich möchte daher nicht weiter darauf eingehen. Interessanter sind die Technologien, die Apple einbauen wird, welche OS X - zumindest «out of the box» - bisher fehlten. Grundsätzlich ist es nicht verwerflich, wenn man sich durch bestehende Konzepte inspirieren lässt, es macht ja keinen Sinn, das Rad immer wieder neu erfinden zu wollen. Ein Unternehmen, das öffentlich einen Konkurrenten als «Copy Cat» bloss stellt, muss aber gewärtigen, dass man ihm etwas genauer auf die Finger schaut, wenn es der Welt «neue, innovative Features» verkaufen möchte.

Time Machine

Die Idee einer automatischen Sicherung der persönlichen Daten sowie des gesamten Systems ist sehr gut, neu ist sie sicher nicht. Im Gegenteil, es gibt schon lange Programme von Drittherstellern, die genau dasselbe tun. Sogar Microsoft wird in Vista ein neues Backup-System einbauen, dass konzeptionell gewisse Ähnlichkeiten mit Time Machine aufweist. Immerhin darf man Apple attestieren, dass die Implementierung mit der «Timeline» wirklich innovativ ist.

Spaces

Virtuelle Desktops können eine grosse Hilfe sein, wenn viele verschiedene Programm gleichzeitig geöffnet sind. Der Benutzer hat so die Möglichkeit, die Programme auf verschiedene Desktops zu verteilen, um die Übersicht nicht zu verlieren. Unix- / Linux-Betriebssysteme kennen diese Technologie schon lange. Selbst Mac-User benutzen dank Erweiterungen von Drittherstellern schon virtuelle Desktops. Erfunden hat Apple diese Technologie folglich nicht, aber auch hier muss man Apple aber für die intuitive Implementierung loben.

Mail / iCal

Viele der Neuerungen in diesen beiden Programmen sind nicht neu, Applikationen wie Microsoft Outlook (oder auch Entourage) beherrschen schon lange Notizen und To-Dos. Auch das gegenseitige Benutzen von Kalendern in der neuen iCal-Version ist nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen.

iChat

Während gewisse Erweiterungen (z. B. iChat Theater) in dieser Form wohl einzigartig sind, sind andere «neue» Features (z. B. Desktop Sharing) eigentlich Schnee von gestern. Windows beherrscht diese Technologie schon seit Jahren.

Fazit

Es geht mir keinesfalls darum, Apple bezüglich der Neuerungen in Leopard zu kritisieren. Im Gegenteil, Apple hat es wieder einmal geschaft, ein sehr gutes Betriebssystem noch besser zu machen. Wir dürfen alle sehr gespannt sein, was sich hinter den «Top-Secret-Features», die Apple noch ein Weilchen unter Verschluss halten will, verbirgt. Dennoch finde ich es ein wenig heuchlerisch, wenn man einen Konkurrenten öffentlich mit der Aussage «Die können bloss andere kopieren» bloss stellt, während man selbst immer wieder Technologien einbaut, die teilweise sogar besagter Konkurrent schon lange anbietet. Zudem baut Apple auch immer wieder Technologien direkt in das Betriebssystem ein, die früher durch Dritthersteller abgedeckt wurden, z. B. Dashboard oder auch Spaces. Die Aussage, dass Apple eine der innovativsten Firmen in der IT-Welt ist, stimmt zwar auch heute noch, es ist aber definitiv nicht so, dass Apple nur kopiert wird, Apple kopiert genau so die Konkurrenz. Das ist auch nicht weiter schlimm, nur darf man dann nicht mit dem Finger auf andere zeigen.

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