Kernfragen - eine andere Sicht der Dinge

Dieser Kommentar entstand als Reaktion auf den Kommentar #050 - Kernfragen. Kollege Daniel Aeschlimann beschreibt die technische Entwicklung von OS X unter dem Gesichtspunkt der beiden grossen User-Gruppen (Mac-Vetreranen und Switcher), die Apple heute befriedigen muss. Im Gegensatz zum Autor des erwähnten Artikels bin ich kein langjähriger Mac-User, sondern bin erst seit knapp 30 Monaten auf der Mac-Plattform. Ich möchte aus diesem Grund meine Sicht der Dinge schildern.

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Daniel hofft auf ein System, «welches diejenigen Qualitäten hochleben lässt, mit denen der Macintosh vor mehr als 20 Jahren die Computerwelt revolutioniert hat». Ich hoffe und glaube hingegen, dass sich Apple auf die wahren Stärken von OS X konzentrieren wird und den Schritt weg vom klassischen Mac OS konsequent weitergeht. Mac OS 9 war nicht nur in technischer Sicht veraltet, sondern auch die GUI war mittlerweile in die Jahre gekommen. 1984 war das Macintosh-Betriebssystem seiner Zeit weit voraus, Apple hatte es jedoch verpasst, das Betriebsystem in den folgenden 15 Jahren den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden anzupassen.

Was macht eigentlich den Unterschied zwischen OS X einerseits und Windows und Linux anderseits - von technischen Unterschieden abgesehen - aus? Mac OS war im Gegensatz zu Windows von Beginn weg so ausgerichtet, dass der Mac-User seinen Computer ohne grosse Kenntnisse bedienen konnte. Windows (und Linux) wurde hingegen für den professionellen Markt entwickelt, die Programmier ging folglich von gewissen Minimalkenntnisse der Benutzer aus. Beide Ansätze haben natürlich Vor- und Nachteile. Der grosse Nachteil des Mac OS war, dass die Nutzer nur in sehr beschränktem Umfang die technischen Vorgaben Apples verändern konnten. Für einen User, der technisch interessiert ist und gerne neue Hard- und Software ausprobiert oder gar entwickelt, eignete sich das System folglich nicht. Genau dieser Aspekt, verbunden mit einigen technischen «Spezialitäten» (z. B. die Erweiterungen von Mac OS 8/9), war auch der Grund, weshalb ich mich nie mit dem klassischen Mac OS anfreunden konnte, die Einschränkungen waren mir einfach zu gross. Mit dem Wechsel auf eine Unix-basiertes System fiel dieser Nachteil weg, mit den nötigen Unix-Kenntnissen lässt sich alles, bzw. fast alles bewerkstelligen, was mit Linux oder Windows möglich ist. Mit OS X hat es Apple geschafft, ein einfach zu bedienendes System zu kreieren, welches dank des Unix-Unterbaus auch die Bedürfnisse des Power-Users befriedigt. Apple hat seit der Einführung von OS X nicht nur unter der Haube einiges verändert, sondern die GUI wurde ebenfalls verbessert. Was jetzt noch fehlt, wäre die Möglichkeit, über die GUI-Funktionen einzubauen, die bisher nur mit Hacks bewerkstelligt werden können. Wenn Apple auch in Zukunft erfolgreich sein will, muss dem Anwender die Möglichkeit eröffnet werden, von der Standard-GUI in eine GUI für Fortgeschrittene zu wechseln. Was meine ich damit? Nachfolgend drei Beispiele zur Erläuterung dieser Forderung: Viele Besitzer eines Mac mini würden sich wünschen, sie könnten in den System-Einstellungen die Monitor-Auflösung frei definieren. Wenn man einen Mac an einen LCD- oder Plasma-Bildschirm anschliessen möchten, dessen native Auflösung nicht einer der von Apple vorgegeben Auflösungen entspricht, steht man vor einem grossen Problem. Abhilfe schafft hier nur ein Hack, der die - in OS X an sich vorhandenen - Funktionen frei schaltet. Ein anderes Beispiel: Mit «Spotlight» hat Apple eine mächtige Suchtechnologie in Tiger eingebaut. Über die GUI lässt sich aber nur ein kleiner Teil der Technologie nutzen, die möglichen Eingaben schränken den Nutzer zu stark ein. Ein weiteres Beispiel ist der Finder, welcher als Dateiverwaltung für einen Power-User ein untaugliches Mittel für die Organisation der eigen Daten darstellt. So ist zum Beispiel die Anzahl der möglichen Dateiattribute, die der Finder anzeigen kann, vergleichen mit Windows oder Linux-Desktop-Umgegbungen wie KDE oder Gnome, sehr bescheiden. Was haben diese drei Beispiele gemeinsam? Apple versucht noch immer, die GUI so simpel wie möglich zu halten. Für Computer-Anfänger ist das sicher eine Erleichterung, als fortgeschrittener Benutzer würde man sich hingegen eine stärke Anlehnung an andere Betriebssysteme wünschen. Um möglichst vielen Nutzern dienen zu können, wäre daher die Strategie einer «umschaltbaren GUI»Êwohl der richtige Weg. Immerhin, verglichen mit OS 9 hat OS X, was die GUI betrifft, einiges dazugelernt.

Ich bin mir sicher, dass zukünftige OS-X-Versionen auch dem Power-User mehr Möglichkeiten bieten werden, um das Betriebssystem über die GUI nach seinen Wünschen und Bedürfnissen konfigurieren zu können. Es ist daher zu hoffen, dass Apple noch stärker über den Tellerrand schaut und die Vorteile, die andere Betriebssysteme gegenüber OS X haben, in dieses integriert, ohne jedoch Linux oder Windows kopieren zu wollen.

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