Intel-Switch - eine erste Bilanz

Macs mit PowerPC-Prozessoren gehören bereits der Vergangenheit an. Apple hat es geschafft, in Rekordzeit den «Switch» vom PowerPC zur Intel-Plattform zu vollziehen. Seit Steve Jobs vor gut 14 Monaten diesen etwas überraschenden Schritt ankündigte, wurde viel diskutiert, ob das nicht ganz risikolose Unterfangen sinnvoll sei oder nicht. Mittlerweile wissen wir, wie die Gegenwart und die nähere Zukunft der Macs aussieht, daher wird es Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen.

Thomas Zaugg

Noch vor 18 Monaten hätte wohl niemand gedacht, dass Apple im August 2006 nur noch Macs mit Intel-Prozessoren ausliefern würde. Selbst bei der Ankündigung des Plattformwechsels Anfang Juni letzten Jahres ging man bei Apple offiziell davon aus, dass sich die «Transition» über einen Zeitraum von ungefähr eineinhalb Jahren erstrecken würde. Wie wir heute wissen, ist alles anders gekommen; Apple brauchte gerade einmal 210 Tage um die gesamte Produktlinie umzustellen. Es gibt bereits heute - und nicht erst Ende 2007 - keine PowerPC-Macs mehr zu kaufen. Diese Tatsache wirft einige Fragen auf. Es ist verständlich, dass Apple auf Nummer sicher gehen wollte und daher einen eher konservativen Zeitplan kommunizierte. Obwohl die Umstellung mehr oder weniger optimal verlief, lässt sich der grosse Vorsprung auf die Marschtabelle nicht wirklich erklären. Selbstverständlich gibt es viele gute Gründe für einen schnellen und schmerzlosen Switch (unter anderem das Risiko eines Einbruchs der Absatzzahlen), dennoch wird der wahre Grund, zumindest für die nähere Zukunft, Apples Geheimnis bleiben. Keinen Einfluss kann jedenfalls Intels Roadmap gehabt haben, sie hat sich nämlich im letzten Jahr nicht dramatisch verändert. Ich möchte an dieser Stelle aber nicht über die möglichen Gründe spekulieren, die die Entscheidungsträger in Cupertino veranlasst haben könnten, den Plattformwechsel im Schnellzugstempo durchzuziehen. Dennoch schien mir diese etwas erstaunliche Tatsache erwähnenswert.

Was hat uns der Intel-Switch nun wirklich gebracht? Diese Frage lässt sich nicht in einem einzigen Satz beantworten. Aufgrund der unterschiedlichen Prozessoren (G4, bzw. G5), mit denen die letzte Generation der PowerPC-Macs ausgestattet waren, fällt das Ergebnis unterschiedlich aus. Apples offizielle Begründung für den Plattformwechsel war die bessere Leistung pro Leistungsaufnahme («Performance per Watt») der (neuen) Intel-Prozessoren. Vergleicht man die Performance per Watt der PowerPC-Macs mit ihren Intel-Nachfolgern, bleibt kein Zweifel darüber offen, dass Apple das Versprechen gehalten hat, neue Macs zu bauen, die (mindestens) so schnell sind wie ihre Vorgänger und dabei wesentlich weniger Strom verbrauchen. Insbesondere zwischen dem G5 und den Intel-Prozessoren liegen diesbezüglich Welten. Beim G4, der von Anfang an auch für den mobilen Einsatz konzipiert wurde, ist die Differenz - was die Stromaufnahme betrifft - nicht ganz so extrem, teilweise liegt diese sogar unter derjenigen der Intel-Prozessoren. Der G4 kann jedoch leistungsmässig nicht mit den aktuellen Intel-Chips mithalten. Zudem verfügen nun alle Macs (mit Ausnahme der Core-Solo-Version des Mac mini) über mindestens zwei Prozessorkerne.

Ein iMac mit G5-Dual-Core-Prozessor wäre schneller gewesen als der aktuelle iMac mit Core-Duo-Prozessor, allerdings wäre es für Apple aufgrund der enormen Hitze, die der Dual-Core-G5 erzeugt, wohl nicht möglich gewesen, diesen Chip in einen iMac einzubauen. So betrachtet, hat sich der Plattformwechsel eindeutig gelohnt. Die Benchmarks des Mac Pro mit Dual-Dual-Core-3-GHz-Prozessoren (verglichen mit den Resultaten des Quad-G5-Power-Mac) scheint diesen Eindruck noch zu verstärken. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass selbst die im Quad-Power-Mac verbauten Prozessoren schon fast ein Jahr auf dem Buckel haben und wir nicht wissen, wo wir stünden, hätte Apple IBM nicht verlassen. Im Gegensatz zu Intel haben IBM (und Apple) nie eine zuverlässige Roadmap veröffentlicht, deshalb lässt sich diese Frage nicht schlüssig beantworten. Es ist aber kaum anzunehmen, dass die Entwicklung der Dual-Core-G5-Prozessoren die Entwicklung eines Power Macs, der wesentlich schneller wäre als der aktuelle Mac Pro, zugelassen hätte. Unabhängig davon darf man nicht vergessen, dass Leistung nicht alles ist. Aufgrund der besseren thermischen Eigenschaften der neuen Xeon-Prozessoren konnte Apple die Erweiterungsmöglichkeiten des Mac Pro im Vergleich zum Power Mac G5 wesentlich verbessern. Es ist nun möglich, maximal vier Festplatten (anstatt zwei) und zwei (statt nur eines) optisches Laufwerk einzubauen, ohne dass das Volumen des Gehäuses verändert worden wäre. Nimmt man den tieferen Stromverbrauch und die tieferen Preise (die Grundkonfiguration kostet $800 weniger als der Quad-Power-Mac-G5), bleibt unter dem Strich kein Zweifel, dass sich der Plattformwechsel bei den Desktop-Macs ausbezahlt hat.

Apples G4-Notebooks hatten im Bezug auf die Leistung den Anschluss an die Konkurrenz längst verloren gehabt. Insbesondere die letzten PowerBooks wiesen ein schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis aus. Dass die Absatzzahlen nicht eingebrochen sind, war wohl einzig OS X zu verdanken. Seit Apple die gleichen Prozessoren wie die Konkurrenz aus der Windows-Welt verbauen kann, ist das das Leistungs-Defizit verschwunden. Das MacBook Pro und das weisse MacBook zeichnen sich sogar mit einem ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis aus. Apple deckt mit der MacBook-Famile fast das gesamte Spektrum der verschiedenen Preisklassen ab. Einzig im Billig-Bereich (unter CHF 1’500.-) ist Apple nicht vertreten, was aber nicht schaden dürfte. Die Hoffnung, dass Apples Notebooks ganz besonders vom Wechsel zu Intel-Chips profitieren würden, hat sich zu hundert Prozent erfüllt. Das dem wirklich so ist, zeigt die aktuell sehr starke Nachfrage nach Apple-Notebooks.

Die Intel-Macs bieten etwas, was kein PC zu bieten hat: Die Möglichkeit, OS X, Windows und Linux/Unix auf einem einzigen Rechner zu betreiben. Der User hat so die Möglichkeit, die Vorteile und Stärken der jeweiligen Betriebssysteme zu nutzen, ohne sich mit zwei oder mehreren Computern herumschlagen zu müssen. Realistisch betrachtet dürfte wohl nur ein kleiner Prozentsatz der User weltweit diese Möglichkeit überhaupt wahrnehmen (wollen). Dennoch hat sich Apple damit eine weitere Nische geschaffen, die das Überleben kurz- und mittelfristig sichern sollte. Immerhin kann die Möglichkeit, Windows auf dem Mac betreiben zu können, dem einen oder anderen potentiellen Switcher, den Entschied erleichtern, einen Mac zu kaufen. Er oder sie hat nun eine Rückfall-Ebene, falls sich irgendwelche (Umstellungs-) Probleme mit OS X ergeben sollten. Apple kann es letztlich egal sein, welches Betriebssystem ein User benutzt. Als Hardware-Firma lebt das Unternehmen in erster Linie vom Verkauf von Rechnern, wenn man vom iPod einmal absieht.

Nach der Ankündigung des Plattformwechsel wurde nicht nur über die Chancen, sondern vor allem auch über die Risiken, die dieser Schritt mit sich bringen könnte, diskutiert. Viele Mac-User befürchteten vor allem zwei Dinge: Die schnellere und stärkere Verbreitung von Viren, Würmern und anderen Schädlingen sowie ein kleiner werdendes Angebot an OS-X-Software, wenn man einmal Windows auf dem Mac betreiben kann. Es ist noch zu früh, um darüber ein abschliessendes Urteil zu fällen. Immerhin lässt sich konstatieren, dass bis jetzt keine Tendenzen in diese Richtung festzustellen sind. Wie sich die Situation weiter entwickelt, wird sich zeigen müssen.

Andere Befürchtungen haben sich hingegen nicht bewahrheitet. Ein vorübergehender Einbruch der Absatzzahlen ist nicht eingetreten, wohl nicht zuletzt dank der verhältnismässig kurzen Umstellungszeit. Die Umstellung verlief, wie bereits erwähnt, nicht nur sehr schnell, sondern erstaunlicherweise auch ohne grössere Schwierigkeiten. Bei den Notebooks gab es Anfangs zwar einige Probleme, ob die aber einzig und allein dem Plattformwechsel zuzuschreiben sind, ist zumindest fraglich. Was den Bereich Software betrifft, darf man feststellen, dass Mac OS X Tiger auf Intel-Macs so stabil und sicher wie auf PowerPC-Macs ist. Das Angebot an Software, welche nativ auf Intel-Chips läuft, wächst stetig. Mit Ausnahme von einigen wenigen Applikationen wie Microsoft Office (welches aber auch auf Intel-Macs ausreichend schnell ist) oder der Creative Suite von Adobe, ist nun ein grosser Teil der wichtigen Programme in einer Universal-Binary-Version erhältlich. Für die Mehrzahl der User steht also einem Umstieg auf Intel-Macs nichts mehr im Weg.

Ich möchte abschliessend einen kurzen Blick in die nähere Zukunft werfen und diesen in mein Fazit einfliessen lassen. Kaum ist die Umstellung auf die Intel-Plattform abgeschlossen, erwartet uns schon der nächste Generations-Wechsel. Intel hat bereits eine neue Prozessor-Generation eingeführt, die noch effizienter ist als die in den aktuellen Macs (ausgenommen Mac Pro und Xserve) eingesetzten Chips. Insbesondere werden schon bald alle Macs in der Lage sein, 64-Bit-Software auszuführen und die Performance bei Multimedia-Applikationen wird dank den 128-Bit- (statt 64-Bit-) SSE-Erweiterungen noch besser werden. In dieser Hinsicht hat Intel nun auch zu den PowerPC-Prozessoren aufgeschlossen, welche mit «AltiVec» schon seit 1999 eine entsprechende 128-Bit-Erweiterung besassen. Bereits ab Ende dieses Jahres will Intel mit der Auslieferung der ersten «Quad-Core»-Prozessoren beginnen. Wir dürfen uns also schon heute auf einen Mac Pro mit acht Prozessorkernen freuen.

Wären Apple-Notebooks, die leistungsmässig mit Core-2-Duo-Geräten mithalten können, und Power Macs mit acht Prozessorkernen auch mit IBMs PowerPC-Prozessoren möglich gewesen? Wir wissen es nicht, jedenfalls stehen wir mit den Intel-Chips mit Sicherheit nicht schlechter da. Ich glaube sogar, dass sich Apple in einer besseren Position befindet. Meine persönliche Bilanz ist somit zum heutigen Zeitpunkt eindeutig positiv, bis jetzt hat sich Apples mutiger Schritt definitiv gelohnt.

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