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Die Entwicklung iTunes’ zum Multimedia-Player und deren Chancen

Eine grossartige Entwicklung

Mit der Vorstellung von iTunes 6 hat Apple einen wichtigen Schritt vorwärts im Kampf um die Vormachtstellung im Bereich digitaler Medien gemacht. Darüber hinaus verfügt Apple nun endgültig über ein Produkt, das in direkter Konkurrenz zum Windows Media Player und anderen ähnlichen Windows-Programmen steht. Warum diese Entwicklung so wichtig ist und wie sich iTunes von der simplen Jukebox zur Multimedia-Platfrom gemausert hat, möchte ich in diesem Artikel erläutern.

Thomas Zaugg

Ein kleiner Abriss der Geschichte von iTunes

Als Apple die erste Version von iTunes am 9. Januar 2001 der Öffentlichkeit vorstellte, handelt es sich um eine unspektakuläre Jukebox, mit der CDs gerippt und Internet-Radio gehört werden konnte. In der Windows-Welt gab es bereits einige Programme, die über (mindestens) den gleichen Funktionsumfang verfügten. Wie sich noch zeigen sollte, ging es Apple aber nicht darum, einfach auch eine solche Jukebox anzubieten; das Programm sollte nämlich einmal dazu dienen, Musik auf den iPod, der erst zehn Monate später vorgestellt wurde, zu transferieren. Entsprechend veröffentlichte Apple kurz nach der überraschenden Vorstellung des ersten iPods iTunes 2, welches über die dafür notwendige Schnittstelle verfügte. In der Folge wurde der Funktionsumfang schrittweise vergrössert. Mit der Einführung von iTunes 3 im Sommer 2002 wurde beispielsweise das Abspielen von Hörbüchern, welche bei Audible.com gekauft wurden, ermöglicht.

Ein erster ganz wichtiger Meilenstein in der Geschichte von iTunes war die Einführung von iTunes 4 am 28. April 2003. Die neue Version enthielt nämlich eine grosse Neuerung, den iTunes Music Store (iTMS). Amerikanische Mac-User konnten nun Songs direkt in iTunes kaufen und herunterladen. Das Rippen der eigenen CDs wurde damit überflüssig. Gleichzeitig wurde AAC als neues Standardformat eingeführt. Dieser Codec hat gegen über dem MP3-Format den Vorteil, dass es bei gleicher Bitrate kleinere Dateien ermöglicht, ohne dass die Qualität darunter leiden würde. Dieser Schritt war auch deshalb nötig, da es nicht möglich ist, MP3-Dateien mittels Digital Rights Management (DRM) zu schützen.

Der iTunes Music Store entwickelte sich von Anfang an sehr erfreulich. Doch er hatte einen grossen Nachteil: Ausschliesslich Mac-User konnten ihn nutzen. Dies änderte sich jedoch mit der Vorstellung von iTunes 4.1 im Oktober gleichen Jahres. Apple stellte nämlich nicht nur eine neue Programm-Version für den Mac vor, sondern erstmals auch eine Windows-Version. Apple konnte dadurch zwei Fliegen auf einen Schlag erledigen: Erstens konnten nun auch (amerikanische) Windows-User im iTMS einkaufen und zweitens brauchte Apple nicht mehr ein Programm eines Drittanbieters zu lizenzieren, um Windows-Usern den Transfer von Musik auf ihre iPods zu ermöglichen.

Durch die Einführung der Windows-Version stieg der Bekanntheitsgrad von iTunes und des iTMS enorm. Im Laufe der Zeit verbesserte Apple iTunes 4.x und den iTMS immer wieder und öffnete Letzteren für immer mehr Länder. Version 4.5, welche zum ersten Geburtstag des iTMS eingeführt wurde, ermöglichte Windows-Usern ihre Songs, welche im WMA-kodierten Format von Microsoft auf der Festplatte lagen, direkt in AAC-kodierte Dateien umzuwandeln. Ein wichtiger Schritt, da sich das proprietäre WMA-Format in der Zwischenzeit als de facto-Standard in der Windows-Welt etabliert hatte.

Apple spendierte iTunes weiterhin kleinere Verbesserungen, doch der nächste wichtige Schritt erfolgte erst mit Version 4.8: Mehr oder weniger durch die Hintertüre wurde nämlich eine neue wichtige Funktion eingeführt, iTunes konnte nun Videos abspielen und somit auch Film-Trailers und andere Videos verwalten. Version 4.9, welche im Frühsommer 2005 vorgestellt, ermöglichte die Verwaltung und das Abonnieren von Podcats. Für die Podcaster-Szene kam dies einem Quantensprung gleich: Angebot und Nachfrage vergrösserten sich explosionsartig. iTunes 4.9 hatte aber noch verstecktes Osterei: Es ermöglichte den Transfer von Songs auf ein Handy, über das zwar seit einiger Zeit gemunkelt wurde, nachdem Motorola und Apple im Jahr zuvor eine entsprechende Partnerschaft bekannt gegeben hatten. Allerdings sollte iTunes 4.9 durch eine neue Version ersetzt werden, bevor das Motorla iTunes effektiv in den Handel kam. Trotzdem, wer, aus welchen Gründen auch immer, lieber mit iTunes 4.9 anstatt mit der aktuellen Version sein iTunes Handy betanken möchte, kann dies tun.

Am 7. September 2005 stellte Apple iTunes 5 vor. Die grösste Neuerung war die von Grund auf überarbeite Benutzeroberfläche. Auf diesem Gebiet hatte sich nämlich seit der ersten Version wenig verändert. Mit der Einführung eines «Kategoriefilters» wurde die Verwaltung verschiedener Medien (Musik, Hörbücher, Podcasts und Videos) erleichtert. Daneben brachte iTunes einige weitere kleinere Verbesserungen.

Nach nur fünf Wochen wurde iTunes 5 überraschend durch iTunes 6 abgelöst. Die beiden Versionen sind äusserlich allerdings beinahe identisch. Dass Apple der neuen Version nicht die Versionsnummer 5.1 verpasste, sondern gleich einen Sprung auf Version 6 machte, war wohl ein marketingtechnischer Entscheid. Gegenüber Version 5 gibt es nämlich in iTunes 6 eine einzige Neuerung: In der Quellen-Leiste wurde ein Video-Icon hinzugefügt. iTunes ist nun ganz offiziell auch ein Programm für die Verwaltung von Videos aller Art. Gleichzeitig fiel in den iTunes Music Stores der USA, von Frankreich, Grossbritannien und Deutschland der Startschuss zum Verkauf von Musik-Videos und Pixar-Kurzfilmen. In den USA wurde zusätzlich auch der kostenpflichtige Download von TV-Serien eingeführt. Diese ersten kleinen Schritte im Bereich des online Videoverkaufs sind wohl lediglich die Vorboten eines «Movie Stores», in dem dereinst ganze Hollywood-Streifen gekauft werden können.

Die Bedeutung der Entwicklung von iTunes zum Multimedia-Player

iTunes ist mittlerweile ein ausgewachsner Multimedia-Player. Für uns Mac-User ist das natürlich eine begrüssenswerte Entwicklung, gibt es doch kein Konkurrenzprogramm, das iTunes das Wasser reichen könnte. Viel wichtiger ist die Entwicklung jedoch aus Sicht des Windows-Users. iPod-Besitzer kommen auch unter Windows kaum um iTunes herum. Durch den Erfolg des Digital Audio Player von Apple profitierte natürlich auch iTunes. Dass Apple rechtzeitig auf den Podcasting-Zug aufsprang und iTunes auch zu einem Podcast-Client machte, förderte den Erfolg des Programm zusätzlich. Gleichzeitig ist der iTMS in den meisten Ländern, in denen er angeboten wird, der mit Abstand grösste legale Musik-Download-Service. Aus diesen Gründen ist es nicht verwunderlich, dass iTunes bis heute über 200 Millionen mal heruntergeladen wurde. Wenn man davon ausgeht, dass es ca. 16 Millionen aktive Mac-OS-X-User gibt, wird deutlich, dass iTunes mittlerweile eines der erfolgreichsten Windows-Programme ist. Apple verdient zwar keinen roten Rappen an iTunes, dennoch spült das Programm durch den Verkauf von Songs über den iTMS und vor allem über den iPod-Absatz viel Geld in die Kassen des Unternehmens. Zudem dient iTunes als Lockvogel auf Windows-Rechnern. Eine Windows-Userin, die ihren iPod liebt und mit eigenen Augen sieht, wie leicht iTunes zu bedienen ist (im Gegensatz zu vielen andern Windows-Programmen), wird sich vielleicht beim nächsten Computerkauf überlegen, den «Switch» zum Mac zu wagen. Mit dem Ausbau des iTMS zum Video-Download-Service, in dem schon heute erfolgreiche TV-Serien zum Kauf angeboten werden, wird der Erfolg des System iPod+iTunes+iTMS noch grösser werden, vor allem, wenn eines Tages noch viel mehr Video-Content angeboten wird und der iTMS weitere Länder und Kontinente erobert.

Während der Markt für Digital Audio Player noch im Wachsen begriffen ist, gibt es einen Markt, der noch viel grösser ist: Die Handys. Im Jahre 2005 können viele Handys auch Songs (und Videos) abspielen. Da nicht alle Handy-Besitzer ein zusätzliches Gerät für das Abspielen von Musik mit sich herumtragen wollen, ist es wichtig, dass man diesen Markt nicht ausser Acht lässt. Apple hat mit Motorola einen ersten Partner dafür gefunden. Aufgrund der Tatsache, dass der iTMS bei weitem der erfolgreichste legale Download-Service ist, stehen Apples Chance gut, auch mit weiteren Handy-Produzenten entsprechende Deals abschliessen zu können. Damit käme eine weitere grosse Gruppe potentieller Kunden gezwungenermassen in den Genuss von iTunes. Und was für die iPod-Besitzer gilt, könnte dereinst auch für iTunes-Handy-Besitzer gelten: Die Software könnte einige Windows-User überzeugen, sich einen Mac anzuschaffen. Wenn es Apple gelingt, die Speicherkapazität der iTunes-Handys künstlich tief zu halten, besteht weiter die Chance, dass die Speicherkapazität für die eine oder andere Musik-Liebhaberin nicht mehr ausreicht und sie dann mehr oder weniger freiwillig zum iPod greift. (Die meisten DAPs können immer noch keine AAC-Dateien abspielen und im iTMS gekaufte Songs können ohnehin nur auf den iPods abgespielt werden). Von der Tatsache, dass der iPod ein Kultobjekt geworden ist, ganz zu schweigen.

Apple hat es verstanden, iTunes immer weiter zu entwickeln und neue Funktionen hinzuzufügen, ohne dass dabei die Benutzerfreundlichkeit auf der Strecke geblieben wäre. Das durchdachte Konzept des Programms verschafft Apple auf der Windows-Plattform einen grossen Vorteil gegenüber Windows Media Player & Co. Seit mit iTunes auch Videos einfach und übersichtlich verwaltet werden können, braucht eigentlich niemand mehr den Windows Media Player oder ein vergleichbares Programm, denn iTunes kann alles (oder zumindest das, was wirklich wichtig ist), was die Konkurrenzprogramme auch können. Dabei sticht es die Konkurrenz durch die komfortablere und übersichtlichere Benutzeroberfläche aus. Das wiederum ermöglicht, dass immer mehr Windows-User iTunes benützen und schliesslich im abgeschlossenen Apple-Universum hängen bleiben und Apples Kassen immerfort klimpern lassen.