Cupertino, wir haben ein Problem

Der iPhone-4-Todesgriff

Das iPhone 4 beherrscht die digitalen Ressorts in allen Medien als heiss diskutiertes Thema. Das neue Apple-Mobiltelefon ist jedoch nicht nur wegen dessen erfolgreichem Verkaufsstart und dem Rätselraten wann es endlich auch in der Schweiz lanciert wird heiss im Gespräch, sondern vor allem weil es offensichtlich ziemliche Empfangs-Probleme zu haben scheint.

Stefan Rechsteiner

Das neue iPhone ist in vielerlei Hinsicht ein sehr gutes Smartphone — während Apple in einigen Hardware-Bereichen die Konkurrenz wieder einholen musste, setzt die Firma aus Cupertino in anderen Aspekten neue Standards. Dem neuen iPhone 4 wurde im Vorfeld der Marktlancierung in den grossen Märken (USA, Grossbritanien, Frankreich, Japan und Deutschland) am 23. Juni mit grosser Spannung entgegen gefiebert. Der Andrang bei der Vorbestellung einige Tage vor der Markteinführung in den USA war gar so gross, dass das komplette System bei Apple und AT&T zusammen brach. Das neue iPhone 4 wird wohl ein grosser Erfolg werden für Apple. So kam es dann auch: innert nur drei Tagen verkaufte sich das iPhone 4 über 1.7 Millionen mal! Zum direkten Vergleich: das erste iPhone benötigte 74 Tage für die erste Million abgesetzter Geräte und sowohl das iPhone 3G wie auch das iPhone 3GS wurden in den ersten drei Tagen je eine Million mal abgesetzt. Apple konnte also den Geräteabsatz gegenüber den Vorgängermodellen in den ersten drei Tagen um satte 70% seigern. Aus dem iPhone 4 wurde also wie im Vorfeld erwartet ein grosser Verkaufserfolg für Apple. Doch kurz nach der Lancierung begann die Miserie rund um die kleinen und grossen Probleme des neuen Apple Mobiltelefons.

Dabei hat alles so gut begonnen: Die zwei grossen IT-Gurus der USA Walt Mossberg vom Wall Street Journal und David Pogue von der New York Times gaben dem neuen iPhone ein überaus gutes Zeugnis ab. Beide lobten das neue Antennen-Design des iPhone 4 und sahen darin den Grund, warum beim iPhone 4 weniger Anrufe abgebrochen werden als noch bei den Vorgängermodellen. Hier sei angemerkt das in den USA und dessen AT&T-Mobilfunknetzwerk das iPhone bisher nur bedingt zum Telefonieren benutzbar war. Das Netzwerk ist dort teils so schlecht ausgebaut und/oder überlastest, dass das Mobiltelefon meist keine Verbindung aufbauen konnte und sich so sehr viele iPhone-Besitzer darüber beklagten, dass mit dem Mobiltelefon garnicht telefoniert werden könne bzw. Anrufe immer wieder abgebrochen werden. Apple ist deshalb in den USA schon mehrmals vorgeworfen worden, man solle sich doch endlich von AT&T trennen oder zumindest die Wahl auf weitere Anbieter ausweiten — anders als zum Beispiel in der Schweiz, wo neben dem Platzhirsch Swisscom auch Orange das iPhone anbietet (und künftig mit Sunrise auch noch ein offizieller dritter Anbieter im «Schweizer iPhone-Markt» mitmischen wird), gibt es in den USA also nur ein Mobilfunkunternehmen, dass das iPhone anbieten darf: AT&T.
Lange Rede, kurzer Sinn: Das neue Antennen-Design des neuen iPhone 4 beeinflusst die Signalstärke des Mobiltelefons so positiv, dass es zu besserem Empfang und weniger Unterbrüchen beim iPhone 4 gegenüber seinen Vorgängermodellen kommt.
Einzig Mossberg spricht in seinem Testbericht ein Problem an, dass das iPhone 4 gegenüber dem iPhone 3GS zum Teil weniger oder keine Balken bei der Empfangsanzeige oben links anzeige — Apple soll ihm bestätigt haben, dass es sich nur um einen Fehler bei der Anzeige der Balken handelt, nicht jedoch die Möglichkeit Telefonate zu tätigen. Mossberg bestätigt dies, da es trotz der fehlenden Balken in der Anzeige in «nahezu allen» Versuchen trotzdem noch zu erfolgreichen Telefon-Verbindungen kam.

Die Tests von Mossberg und Pogue erschienen einen Tag bevor das iPhone 4 in den USA offiziell in den Handel kam in den entsprechenden Zeitungen. Doch um so mehr Benutzer das iPhone 4 in den folgenden Tagen ihr Eigen nennen konnten, um so gravierender schien dieses Problem mit den «fehlenden Empfangsbalken» tatsächlich zu sein. Zahlreiche Erfahrungsberichte mit dem neuen iPhone 4 zeigten, dass je nach dem wie man das neue Apple-Mobiltelefon in der Hand hält, es auf einmal an Empfangsqualität einbüsst. Der «Todesgriff» war dann schnell entlarvt: Berührt man die Ummantelung (aka Antenne) des iPhones unten links, verschwinden plötzlich die Balken in der Empfangsanzeige und ein Verbindungsunterbruch droht. Der Grund schien schnell gefunden: Die obere/linke Ummantelung ist gleichzeitig die Antenne für Bluetooth, WLAN/WI-FI und GPS, während der Rest der iPhone-4-Ummantelung (oben Mitte über die rechte Seite bis und mit unten links) als Antenne für UMTS und GSM fungierte. Steve Jobs nannte dieses Antennen-Design über die iPhone-Ummantelung als «brillante Ingenieurleistung» für noch besseren Empfang. Berührt man nun jedoch mit dem Finger oder dem Handballen gleichzeitig beide Antennen am linken unten Rand — was automatisch der Fall ist wenn man das Smartphone in der linken Hand hält — dann verringert sich die Empfangsqualität immens oder wird unter Umständen gleich soweit sinken, dass kein Verbindungsaufbau mehr möglich ist.

Bei den meisten Mobiltelefonen befinden sich die Antennen in der unteren Hälfte des Gerätes, dies damit die Energie der Antennen weniger mit dem Kopf des Benutzers sondern eher über deren Hände abfliesst. Dies ergibt schlussendlich andere Richtwerte, da Institutionen wie die FCC die Strahlung über die Hände nicht misst, im Vergleich zu den Werten über den Kopf (Head). Entsprechend sollte eigentlich jedes Mobiltelefon am besten an dessen oberen Hälfte gehalten werden um nicht mit den eigenen Händen die Empfangsqualität zu mindern. Im Falle des iPhone 4 scheint dieses Problem nur etwas mehr Einfluss zu haben, da die Antennen ausserhalb als Teil des Gehäuses rund um das Gerät herum verlaufen und eben unten links sehr nahe aneinander kommen und man durch gleichzeitiges Berühren beider Antennen die Empfangsstärke negativ beeinflussen kann.

Steve Jobs reagierte relativ rasch auf erste iPhone-4-Benutzer, die in einem Mail an den Apple CEO dieses Problem schilderten. Jobs antwortete am 24. Juni per Mail: man solle das Gerät einfach nicht so in den Händen halten.

Natürlich war dieses «Problem» und Jobs E-Mail-Antwort Zündstoff für genervte iPhone-4-Kunden, Apple-Hasser und aber auch Apples Konkurrenten. Ein Beispiel sei Konkurrent NOKIA. NOKIA machte sofort in einem eigenen Blog darauf aufmerksam, dass man bei ihren eigenen Mobiltelefonen keine Vorschriften erlasse, wie man die Geräte in den Händen zu halten hat. NOKIA zeigte satirisch allerlei Handgriffe wie man ein NOKIA-Mobiltelefon halten kann und fragte ihre Kunden offen, wie denn sie so ihre Mobiltelefone in den Händen halten. Der Schuss ging jedoch nach hinten los, denn es dauerte nicht lange und es tauchten erste Berichte auf, die auch NOKIA-Telefonen eben dieses Problem nachsagten: Je nach dem wie man dieses oder jenes Gerät hält, beeinträchtigt es die Signalstärke ebenfalls äusserst negativ.
Andere schauten sich die offiziellen iPhone-4-Videos von Apple nochmals genauer an und entdecken, dass dort fast alle das iPhone mit dem «Todesgriff» hielten — und taten ihre Entdeckung natürlich mit einem Re-Cut der Apple-Videos im Internet kund.

Technisch gesehen ist das Problem mit den Balken in der Anzeige aber sowieso eine Wissenschaft für sich. Apple räumte in einem offenen Brief Fehler bei der Berechnung und Darstellung der Balken bei (allen) iPhones ein. Jedoch gibt es für die Anzeige der Signalstärke bei Mobiltelefonen weder offizielle Richtwerte pro Balken noch sonstige Standards. Jeder Hersteller kann (und tut) die Anzeige der Balken anders berechnen, deshalb weisen verschiedene Mobiltelefone im gleichen Netz an der gleichen Position zum Teil auch verschiedene Signalstärken aus, ganz einfach weil die Anzeige anders berechnet wird. Der eigentliche Empfang also wäre bei allen Geräten der selbe, aber Berechnung der Signalstärke und deren Anzahl Balken beruht auf verschiedenen Formeln und deshalb ergibt dies eine andere Balken-Anzeige bei gleichem Empfang. Apple soll nun nun an einem Software-Update arbeiten, welches die Anzeige der Signalstärke verbessert.

Einige Experten jedoch bezweifeln dass dies die Probleme mit dem «Todesgriff» beheben könnte. Während sich Apple in den USA bereits mit mehreren Klagen konfrontiert sieht, kann das Problem vorerst mit einer Schutzhülle oder einem «Bumper» ‘gelöst’ werden. Durch die Hüllen berührt man die Antennen nicht mehr direkt, wodurch es auch zu keinen extremen Signalverlusten mehr kommt.

Das Problem ist und bleibt die Tatsache, dass man beim neuen iPhone mit der Haut in direkten, gleichzeitigen Kontakt mit beiden Antennen kommt. Während ein Software-Fix zwar die Probleme mit der Signalanzeige beheben könnte, besteht das wahre Problem eher auf der Hardware-Seite. Apple müsste die Ummantelung gegen Berührungen abschirmen, dann wäre das Problem wohl gelöst. Ob man dies als jetziger iPhone-4-Besitzer mit einer Schutzhülle, einem Klebestreifen oder Nagellack rund um die Berührungsstellen macht oder — was allgemein zu empfehlen wäre — einfach mittels den iPhone-Kopfhörern oder einem Bluetooth-Headset telefoniert, während das Gerät nicht mit der Hand berührt wird, ist jedem selbst überlassen … genau so wie der Entscheid künftiger iPhone-4-Besitzer, ob man das neue Apple Mobiltelefon bereits in der ‘jetzigen Ausgabe’ kaufen möchte (sobald es irgendwann in den nächsten Wochen auch hierzulande auf den Markt kommt) oder aber man zuerst allfällige Design-Änderungen von Apple abwarten möchte.

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94 Kommentare

Kommentar von Liongate

Ich werde mir sicher ein 4er kaufen. Ich denke sooo schlimm werden die Empfangsprobleme nicht sein. AT&T in den USA ist wirklich ein schlechtes Netz. Ich hoffe aber das man normal telephonieren kann in Europa. Das haben die Apple-Ingenieure sicher probiert. Den Bumper werde ich sowieso kaufen aber weniger wegen den Empfangsproblemen sondern um die Glaskanten zu schützen. Wenn der Bumper dann noch die Antennen rundherum isoliert umso besser denke ich.

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Kommentar von schn0rkel

@Liongate - AT&T ist ein schlechtes Netz? Kennst du es? Ich war schon zig mal in den USA und habe auch mehrere Jahre dort gelebt und war immer bei AT&T - AT&T ist keinen Deut schlechter als Swisscom oder irgend ein anderer europäischer Provider. Die europäischen Medien plappern seit Jahren alles nach, was sie irgendwo mal gehört haben. Tatsache ist: AT&T ist nicht schlecht - aber sie sind unbeliebt. Deshalb sind sie zum Buhmann von alldem geworden, das mit den US Mobilfunkbetreibern falsch läuft. Das geht noch bis auf die 80er Jahre zurück, wo sie ein Quasi-Monopol hatten und die gesamte Bevölkerung abhängig war von denen. Dass ausgerechnet AT&T das iPhone exklusiv bekommen hat, hat vielen Amerikanern gar nicht gepasst - das Ansehen des Betriebs hat noch weiter gelitten.
Heute sind sie vor allem überlastet (wie bei uns auch die Swisscom) - und zwar wegen dem iPhone. Vor dem iPhone war das Netz in Ordnung. T-Mobile, die ebenfalls ein GSM Netz betreiben, haben eine ganz brutal schlechtere Netzabdeckung als AT&T, dort motzt jedoch kaum jemand.

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Kommentar von marwei

Ich habe das iPhone4 schon fast eine Woche in Deutschland im Betrieb und die Empfangsstärke ist besser als beim iPhone3S, ich habe allerdings eine Telekom-Karte.
Vielleicht liegt es auch an der schwachen Signalstärke in manchen Gegenden in den USA, mein Sohn ist in Orlando/Californien und bei ihm haut es auch tadellos hin. Aber wahrscheinlich stehen da doch mehr Funkmasten als auf dem Lande. Und die Netzabdeckung ist mit Europa überhaupt nicht vergleichbar.

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Kommentar von mkoehler

@marwel
Genau darin liegt der Knackpunkt. In Gegenden mit generell schlechter Netzabdeckung, reduziert sich der Empfang des iPhones bei bewusster Haltung an der linken unteren Ecke; und nur dann!!
Diejenigen Nutzer, die generell eine gute Netzabdeckung haben, können das Problem auch nicht nachvollziehen. Die Empfangsqualität der Antennen ist in der Tat stark verbessert worden, denn in Bereichen, in denen mit dem 3GS kein Empfang mehr möglich ist,  kann das iPhone 4 problemlos telefonieren.

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Profilfoto von JronMasteR

Kommentar von JronMasteR

Leute es ist definitiv ein Hardware Problem. Ich bin der Meinung, dass sich während der Produktion der iPhone 4 ein Fehler eingeschlichen hat. Apple hat diese Geräte aber trotzdem verkauft.
In den zahlreichen Videos der iPhone 4 Besitzern ist klar ersichtlich, dass es netzunabhängig ist. Wenn man eine Internetseite mit voll Speed lädt wenn das iPhone aufm Tisch liegt, dann den Finger auf den linken, unteren Teil der Antenne legt, so dass die Wifi,Bluetooth,GPS Antenne mit der Handynetzantenne verbunden ist, und dann die Verbindung schlagartig zusammenbricht, ist das ein schwerer Hardwarefehler.
Hier das Video:http://www.youtube.com/watch?v=YQUs3gJvuzM

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Profilfoto von JronMasteR

Kommentar von JronMasteR

Ja dieses Video ist eindeutig. Vermute auch stark, dass es sich um ein Isolationsproblem handelt. Ich hätte mir noch vorstellen können, dass das Problem nur auftritt, wenn auch Wifi aktiviert ist, da das in vielen Videos der Fall war. In diesem Video allerdings nicht.
Na ich hoffe mal, dass Apple, falls sie das Problem bis zum schweizer Launch gelöst haben, die defekten oder fehlerhaften Geräte kostenlos ersetzen. Wenn dieses Problem nicht behoben wird, werde ich bis zur nächsten iPhone Generation warten.

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Kommentar von anonymous4479

Ich stimme JronMasteR Betreff Hardwareproblem nach der Videoeinsicht zu. Sobald Strom über den Finger fliessen kann ist Schluss mit Lustig. Apropos Schluss mit Lustig: http://touch-mania.com/2010/07/technischer-fehler-iphone-4-fangt-feuer/

Jetzt fehlt nur noch, wie schon mal bei einer iPhoneserie, der explodierende Akku… und wir hätten pünktlich zum 1. August etwas was wir in den Himmel schiessen könnten… ;)

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