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Apple und Intel - Drei Monate danach
Heilt die Zeit wirklich alle Wunden?
Auf den Tag genau drei Monate ist es her, seit Steve Jobs während seiner Keynote zur World Wide Developers Conference (WWDC) die gesamte Mac-Szene und die gesamte IT-Welt mit der Ankündigung überraschte, um nicht zu sagen schockierte, Apple werde 2006 mit der Umstellung der Macs von PowerPC-Prozessoren auf Intel-CPUs beginnen. Schon kurz nach der Ansprache des Apple CEOs begann die Suche nach den Antworten auf die vielen Fragen, die die Ankündigung aufgeworfen hatte. Wissen wir heute, drei Monate später, mehr?
Die erste und wichtigste Frage, die die Umstellung aufwirft, ist das Warum. Steve Jobs begründete den Schritt damit, dass Apple auch in Zukunft grossartige Geräte produzieren möchte und dass sich diese Geräte mit der derzeitigen PPC-Roadmap von IBM nicht realisieren liessen. Intel hingegen verfüge über die dafür notwendige Technologie. Während unbestritten ist, dass Apples Notebooks, insbesondere die PowerBooks, dringend einen Performance-Schub nötig hätten, sieht die Situation bei den Desktop-Rechnern auf G5-Basis etwas anders aus. Der schnellste PowerMac kann immer noch gut mit aktuellen Pentium-Systemen mithalten. Zudem konnte Intel die Leistung ihrer Prozessoren auch nur noch mit Tricks wie «Hyper Threading» oder grösserem L2-Cache verbessern. Nicht nur IBM, sondern auch Intel tritt momentan an Ort. Freilich gilt dies nicht für den Pentium M-Prozessor für mobile Rechner. Stellt also Apple die ganze Plattform nur wegen der Notebooks um? Auch wenn diese immer wichtiger werden, so wird doch die Antwort auf diese Frage mit einem deutlichen Nein beantwortet werden dürfen. Seit Intel vor einigen Wochen ihre neue Roadmap veröffentlich hat, ist klar, dass Intel offenbar am grössten Problem der Pentium 4-Architektur (zu grosser Stromverbrauch und als Folge davon zu grosse Wärmeentwicklung) mit Hochdruck arbeitet und den Stromverbrauch der Desktop-Prozessoren massiv senken möchte. IBM hat mit den PPC970-Prozessoren (von Apple «G5» genannt) das genau gleiche Problem. Das ist auch der Grund, wieso das langersehnte «PowerBook G5» bis heute ein Traum geblieben ist. IBM behauptet zwar, das Problem im Griff zu haben und könne problemlos einen G5-Prozessor produzieren, der sich für den Einsatz in Mobilrechnern eigne, falls Apple dies wünsche. Diese Bemerkung wirft weitere Fragen auf. Apple hätte wohl längst ein PowerBook auf G5-Basis produziert, wenn dies technisch möglich gewesen wäre. Immerhin war Apple vor etwa drei Jahren schon einmal an diesem Punkt angelangt. Schon damals war klar, dass sich die G4-Architektur nicht in dem Masse weiterentwickeln lässt, dass Apple auch in Zukunft, was die Leistung betrifft, konkurrenzfähige Rechner würde produzieren können. Mittlerweile wissen wir, das Apple OS X von Anfang an auch für die Intel-Plattform entwickelt hat. Es ist daher sicher nicht ausgeschlossen, dass Steve Jobs und seine Leute sich schon damals den Wechsel auf die Intel-Plattform überlegten. Als IBM mit dem PPC970 eine neue Architektur entwickeln konnte, die zukünftigen Macs den nötigen Schub geben konnte, entschied sich Apple für ein Verbleib auf der PPC-Plattform. Dieser Entscheid dürfte auch durch die Tatsache, dass Intel damals keine bessere Alternative bieten konnte, wesentlich leichter gefallen sein. (Der Pentium M war damals noch im Entwicklungs-Stadium und die Pentium 4-CPUs wurden kaum mehr schneller, dafür immer heisser.) Wie bereits erwähnt, sieht die Situation heute etwas anders aus. Intel scheint die Hausaufgaben gemacht zu haben, während IBM scheinbar Probleme bei der Weiterentwicklung der G5-Chips hat. Auch wenn die PPC-Prozessoren wohl insgesamt die bessere, weil leistungsfähigere Alternative wäre, will Apple wohl nicht noch einmal den gleichen Schiffbruch wie mit Motorolas G4-Prozessoren erleiden. Wäre die Geschichte hier zu Ende, würden wir wohl mit grosser Freude und Zuversicht in die Zukunft blicken können, doch so einfach ist die Sache leider nicht.
Während der Plattformwechsel aus technischer Sicht Chancen bietet, immerhin ist Intel der weltweit grösste Chip-Hersteller und Lieferengpässe auf der ganze Linie a la Motorola oder IBM dürfte es in Zukunft wohl nicht mehr geben, birgt dieser Schritt auch grosse Gefahren, die nicht unterschätzt werden dürfen. Obwohl Steve Jobs den Entwicklern während der WWDC-Kenyote versicherte, die Umstellung würde einfacher sein als frühere Umstellungen, wie z. B. der Übergang von OS 9 zu OS X, scheint die Wahrheit, wenn man dem CEO von Adobe glauben darf, etwas anders auszusehen. Leider kann man nicht einfach ein paar Linien Code ändern und alles funktioniert wunderbar. Der Teufel dürfte, wie überall im Detail stecken. Apple hat zwar mit «Rosetta» eine Technologie entwickelt, die es erlaubt, PPC-Programme auf einem Intel-System auszuführen. Doch wird Rosetta nur einen G3-Prozessor unterstützen, Programme, die «AltiVec» benötigen, bleiben also aussen vor. Zudem muss sich erst zeigen, wie gut Rosetta in der Praxis funktionieren wird. Dies sind zwar alles Probleme, die während der Umstellungsphase auftreten und irgendwann nicht mehr relevant sind werden. Es gibt aber weitere Probleme, die die Entwicklung der Mac-Plattform und damit der Firma Apple nachhaltig beeinflussen könnten. Zwar wird man auf einem «Mactel» auch Windows installieren und ausführen können, was grundsätzlich eine gute Entwicklung ist, doch bedeutet das auch, dass gerade deshalb der eine oder andere Entwickler, der Versionen für Mac und Windows herstellt, irgendwann die Mac-Version einstellen könnte, da man ja auch auf dem Mac Windows laufen lassen oder zumindest mittels einer speziellen Software (wie das unter Linux schon möglich ist), Windows-Programm in einer speziellen Umgebung direkt unter Mac OS X ausführen könnte. Eine solche Entwicklung wäre ganz schlecht für die Mac-Plattform, was nützt das beste Betriebssystem, wenn keine Anwendungsprogramme dafür erhältlich sind? Dieser Umstand ist schon einigen Betriebssystemen zum Verhängnis geworden. Eines darf man dabei nicht vergessen, die Mac-Plattform wird immer ein Nichen-Markt bleiben, so dass sich schon aus finanziellen Überlegungen viele Entwickler von Mac-Software überlegen werden, in Zukunft nur noch Windows-Progammme zu entwickeln. Ein weiteres Problem zeigt sich schon heute, bevor die Umstellung überhaupt begonnen hat. Über zwiellichtige Kanäle tauchen bereits Entwickler-Versionen von Mac OS X für Intel-Prozessoren auf, die aufgrund einiger Veränderung offenbar auf allen PCs ausgeführt werden können. Da Apple aufgrund der Grösse des eigenen Marktes stark auf die Einnahmen aus dem Verkauf von neuen Betriebssystem-Versionen (und anderer Software) angewiesen ist, wäre eine solche Entwicklung natürlich schlecht. Man kann jetzt natürlich argumentieren, dass diejenigen, die sich OS X auf ihren Dell-Kisten installieren, ohnehin keinen Mac, bzw. OS X kaufen würden. Dennoch besteht natürlich die Gefahr, dass dann auch treue Mac-User diesem schlechten Beispiel folgen. Der grösste Trumpf, den OS X gegenüber Windows hat, ist die Sicherheit und die grössere Immunität gegen Viren, Würmern und dergleichen mehr. Zwar kann ein Windwos-Virus auch auf einem Intel-Mac nicht ohne weiteres Schanden anrichten, doch gilt es zu bedenken, dass «Viren-Produzenten» bis heute ohne Mac praktisch nicht in der Lage sind, einen Virus zu schreiben, der Macs angreifen könnte. Mit einer illegalen Intel-OS X-Version liesse sich dies auf jedem beliebigen PC bewerkstelligen. Zwar beteuerte Apple, man werde verhindern, dass OS X auf jedem PC installiert werden könne. Welche Technik sich Apple auch immer dafür ausgedacht hat, es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis auch diese Barriere umgangen werden kann.
Auch wenn ich mich auf PowerBooks mit dem neuen Mobil-Prozessor von Intel freue (diese PowerBooks werden ihre G4-Kollegen wie lahme Enten aussehen lassen), so sehe ich doch mit sehr gemischten Gefühlen in die Zukunft, zu viele Fragen sind auch heute, drei Monate später noch unbeantwortet.