Apple TV: Gutes Konzept mit Schwächen

Apple ist wieder einmal seiner Zeit voraus

Apples Set-Top-Box «Apple TV» stand verständlicherweise im Schatten des iPhone. Nachdem das «Reality Distortion Field» seine Wirkung verloren hat, lohnt es sich, das Gerät einmal unter die Lupe zu nehmen und sich zu fragen, wie nützlich das Gerät (aus europäischer Sicht) wirklich ist. Als Steve Jobs letzten September Apple TV (noch unter dem Codenamen «iTV») vorangekündigt hat, war die Existenz eines solchen Gerätes für mich keine Überraschung. Ich hatte bereits in Kommentar #058 vorher gesagt, dass Apple einen «Wohnzimmer-iPod» vorstellen würde. Apple TV könnte gerade so gut auch «iPod TV» heissen. Der Funktionsumfang entspricht im Wesentlichen meinen Vorstellungen. Allerdings hatte ich damals auch die Hoffnung geäussert, dass das Gerät noch über weitere Funktionen (TV-Tuner, DVD-Player) verfügen werde. Diese Hoffnungen haben sich - wie erwartet - nicht erfüllt. Aus diesem Grund bin ich gespannt, wie gut sich das neue Produkt, wenn es ab Februar in den Handel kommt, ausserhalb der USA verkaufen wird.

Thomas Zaugg

Apple TV verfügt über zwei grosse Schwächen, die den Nutzen des Geräts für Nicht-US-Kunden arg reduzieren: Zum einen fehlt das notwendige Angebot an Spielfilmen und TV-Serien im iTunes Store (viele eigene Inhalte wie z. B. mit Eye TV aufgenommene TV-Programme lassen sich nicht direkt nutzen), zum anderen fehlt ein Standard-Video-Ausgang (Composite-/S-Video); weit über 80% aller TV-Geräte, die heute in Europas-Wohnzimmer stehen, sind somit nicht mit Apple TV kompatibel. Apple ist zwar bekannt dafür, dass sie Technologien - die in ihren Augen nicht mehr zeitgemäss sind - radikal über Bord schmeissen. Diese Einstellung ist zwar aus Sicht des technologischen Fortschritts begrüssenswert, in diesem Fall könnte sich diese Philosophie jedoch negativ auf die Absatzzahlen in Europa auswirken.

Etwas erstaunlich ist allerdings die Tatsache, dass Apple TV das so genannte «Full HD»-Format (1080i/p) nicht beherrscht. Der Grund dürfte wohl darin liegen, dass die verbaute Hardware über zu wenig Rechenleistung verfügt. Es gibt allerdings erst seit wenigen Monaten TV-Geräte zu kaufen, die überhaupt Full HD beherrschen, so dass Apple wohl mit dieser Einschränkung gut leben kann, zumindest in diesem Jahr.

Ein weiteres Fragezeichen wirft die Grösse der Festplatte auf: Wieso verbaut Apple nur eine 40-GB-Platte, wenn es bereits iPods mit der doppelten Speicherkapazität gibt? Diese 40 GB reichen etwa für 25, im iTunes Store gekaufte Spielfilme. Wenn man gleichzeitig noch seine ganze Musik- und Fotosammlung auf dem Gerät speichern möchte, reduziert sich diese Zahl zusätzlich. An dieser Stelle kann man natürlich argumentieren, man müsse Spielfilme ja gar nicht auf der internen Festplatte abspeichern, sondern könne diese von einem Mac (oder PC) streamen. User, welche über einen neuen Core-2-Duo-Mac (die den neuen 802.11n-Standard beherrschen) in einem benachbarten Zimmer platziert haben, dürften mit Bild- und Ton-Quailtät via Streaming zu frieden sein. Wie es jedoch aussieht, wenn der streamende Mac nur den älteren 802.11g-Standard unterstützt und/oder in einem anderen Stockwerk steht, ist fraglich.

Apple TV hat keinen direkten Zugang zum iTunes Store, es ist also nicht möglich, vom Wohnzimmer aus, im iTunes Store einzukaufen. Vor dem gemütlichen Filmabend auf der Couch, muss sich der User also zu erst an seinen Computer setzen, den Film herunterladen und ihn eventuell auch noch auf die Apple TV kopieren. Ich bin mir bewusst, dass ein direkter Zugang zusätzliche Hardware, d. h. eine andere Fernbedienung oder gar eine vollwertige Tastatur benötigen würde. Dennoch wäre diese Funktion m. E. mehr als nur «nice to have».

Die Idee, Multimedia-Inhalte vom Computer ins Wohnzimmer zu bringen ist nicht neu. Microsoft und Partner versuchten dieses Ziel zu erreichen, indem Windows ein spezieller Aufsatz («Media Center») spendiert wurde. Allerdings stellt (fast) niemand gerne eine laute, hässliche Kiste ins Wohnzimmer. Apples Ansatz, ein kleines, iPod-ähnliches Gerät dafür zu entwerfen, scheint mir grundsätzlich erfolgsversprechender. So lange man allerdings auf (Video-) Inhalte aus dem iTunes Store bzw. im entsprechenden Formt angewiesen ist und die Mehrzahl der sich in Gebrauch befindlichen TV-Geräte nicht kompatibel sind, dürfte Apple TV in Europa keinen allzu grossen Erfolg beschieden sein.

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3 Kommentare

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Kommentar von Thomas Hurlimann

@Fibu: Wenn ich die Rückseite auf den Produktfotos anschaue ist die Antwort zu Deiner Frage klar: Apple TV selbst unterstützt nur Stereo, hat aber einen optischen Audio Ausgang (für codiertes 5.1 Surround) an dem man einen Surroundsound-Verstärker anschliessen kann welcher aber einen optischen Eingang und Surround-Decodierung haben muss. Es ist ja klar dass so ein kleines Gerät wie das Apple TV selbst keine Verstärkerleistung für 5.1 Kanäle zustande bringt.

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