Apple geht einmal mehr aufs Ganze

Die Hölle friert schon wieder zu

Apple hat heute einmal mehr eine Bombe platzen lassen und eine neue Software namens «Boot Camp» vorgestellt. Boot Camp ermöglicht eine einfache und sichere Installation von Windows XP Service Pack 2 auf Macs mit Intel-Prozessor. Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hat, wird es Zeit, die Auswirkungen, die diese beinahe unglaublichen Neuigkeit haben könnte, eingehend zu analysieren.

Thomas Zaugg

Ab sofort kann jede Besitzerin und jeder Besitzer eines Intel-Macs Windows auf seinem Rechner installieren, ohne fürchten zu müssen, dass irgendetwas schief gehen könnte. Doch was bedeutet das jetzt für uns Mac-User und für Apple?

Viele Mac-User kommen nicht umhin, zumindest gelegentlich mit Windows zu arbeiten, weil sie Software verwenden müssen, für die es keine Mac-Version gibt. Diese Gruppe von Usern dürfte also von Apples Entscheid hocherfreut sein und kann künftig auf separate PCs verzichten. Der Nutzen eines Intel-Macs hat sich dadurch deutlich erhöht, was sich positiv auf die Verkaufszahlen auswirken dürfte. Apple schafft Besitzern von PPC-Macs nämlich einen Anreiz, früher als geplant auf einen Intel-Mac umzusteigen.

Grössere Auswirkungen auf die Absatzzahlen der Computer aus dem Hause Apple dürften sich jedoch aus einem andern Grund ergeben: Es gibt viele Windows-User, die gerne einmal Mac OS X ausprobieren würden, ohne gleich «switchen» zu müssen. Bis zur Einführung der ersten Mac minis gab es dafür eigentlich keine Möglichkeit. Mit dem G4-Mac mini kam immerhin die Möglichkeit dazu, sich einen preiswerten Mac anzuschaffen, der für ein erstes Beschnuppern von OS X völlig ausreichte. Jetzt geht Apple sogar noch einen Schritt weiter, jeder Windows-User, der vor der Neuanschaffung eines PCs steht, hat jetzt die Möglichkeit, einen Mac zu kaufen. Für sein Geld kriegt er nicht nur eine Eintrittskarte ins OS X-Universum, sondern er erhält als Bonus auch noch einen schnellen und qualitativ erstklassigen Windows-PC gratis dazu. Die Hemmschwelle, die es beim Kauf des ersten Macs zu überwinden gilt, wurde deutlich gesenkt, denn ein potentieller Switcher geht beim Kauf eines Macs kein finanzielles Risiko mehr ein. Sollte er sich nicht mit OS X anfreunden können, kann er seinen Mac als normalen Windows PC weiter benutzen. Wir dürfen gespannt, wie sich die Absatzzahlen der Macs im weiteren Verlauf dieses Jahres entwickeln.

Apple hat keinen besseren Zeitpunkt für diesen Schritt wählen können. Dank iPod+iTunes ist der Name «Apple»Êin aller Munde und mittlerweile wissen auch viele Windows-User, dass Apple nicht nur iPods verkauft. Des weiteren kommt Apple entgegen, dass sich die nächste Windows-Generation «Vista» immer weiter verzögert und frühestens nächsten Januar auf den Markt kommen wird. Mancher Windows-User dürfte sich daher überlegen, auf den Mac zu switchen, anstatt auf Vista zu warten.

Wenn die Geschichte hier zu Ende wäre, könnten wir uns Apples Zukunft wohl im schönsten Rosa vorstellen. Leider hat auch diese Medaille eine Kehrseite, deren Auswirkungen sich erst im Laufe der Zeit zeigen werden. Zu erst wäre einmal die Gefahr zu nennen, dass einige kleinere Software-Firmen, die Programme für Windows und OS X schreiben, irgendwann einmal den Entscheid fällen könnten, in Zukunft nur noch die Windows-Version weiter zu entwickeln. Mac-User müssten ja lediglich Windows starten, um das Programm dennoch benützen zu können. Insbesondere im Bereich der Computer-Spiele dürfte sich das Angebot an OS-X-Titeln dank oder wegen Boot Camp reduzieren. Es gibt nun keinen Grund mehr, Spiele, die ursprünglich für Windows geschrieben wurden, in einem aufwendigen Prozess an OS X anzupassen, wenn man das gleiche Spiel unter Windows auch auf einem Mac spielen kann. Grosse Software-Hersteller wie Adobe oder Microsoft dürften hingegen in absehbarer Zeit wohl kauf auf die Mac-Kundschaft verzichten wollen, schliesslich wird wohl längst nicht jeder Mac-User Windows auf seinem Rechner installieren.

Die zweite grosse Gefahr sind die Sicherheitsprobleme, die der Betrieb von Windows mit sich bringt. Windows kann zwar ohne zusätzliche Software gar nicht auf die Mac-Partition zugreifen, sodass die Daten, die sich auf der Mac-Partition befinden, einigermassen sicher sind. Allerdings gibt es auch Viren, die Festplatten-Partitionen löschen oder gar die Hardware beschädigen können.

Überraschend kommt die Ankündigung von Boot Camp auch deshalb, weil Apple bis jetzt immer gesagt hat, man werde die Installation von Windows auf Intel-Macs nicht behindern oder gar verhindern, man werde dieses Unterfangen aber auch nicht unterstützen. Apple wird zwar auch in Zukunft weder Unterstützung für Windows bieten noch Windows-LIzenzen verkaufen, trotzdem haben die Leute in Cupertino eine Kehrtwende gemacht. Die Entwicklung von Boot Camp samt Treiber-CD für Windows zeigt deutlich, dass man eingesehen hat, dass man die grosse Chance, viele neue Kunden gewinnen zu können, nicht leichtfertig vergeben sollte.

Eines sei aber auch noch gesagt, so toll die Möglichkeit, in Zukunft sowohl OS X als auch Windows auf dem Mac booten zu können auch ist, mir wäre ein Lösung bei der ich Windows mit voller Geschwindigkeit innerhalb von OS X betreiben könnte, lieber als ein Dual-Boot-System. Wenn man ständig zwischen OS X und Windows hin und her wechseln muss, dürfte die Produktivität aufgrund der ständigen Neustarts nicht grösser werden. Zudem stellt sich immer noch das Problem des Daten-Austauschs. Windows kann ohne zusätzliche, kostenpflichtige Software keine HFS+-Partitionen benutzen und OS X hat auf NTFS-Partitionen keinen Schreibzugriff. Somit kommt nur noch das veraltet FAT32-Dateisystem, dessen maximale Grösse pro Partition jedoch auf 32 GB beschränkt ist, für den Datenaustausch zwischen OS X und Windows in Frage.

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