Apples Triumph
Vom Underdog zur One-Trillion-Company
Es sei ein «signifikanter Meilenstein», den Apple gestern erreicht habe und es gäbe «einiges, worauf man bei diesem Erfolg stolz sein kann, dennoch gibt es wichtigere Gradmesser für den Erfolg des Unternehmens», so wendete sich Apple-CEO Tim Cook in der Nacht auf heute in einer Nachricht an seine Angestellten. Apple, das Computer-Unternehmen, welches 1976 von Steve Jobs und Steve Wozniak in einem Schlafzimmer gegründet und danach in einer Garage aufgebaut wurde, ist gestern zum ersten öffentlich an der Börse gehandelten US-amerikanischen Unternehmen geworden, welches eine Marktkapitalisierung von über einer Billion US-Dollar erreicht hat.
Angetrieben von den schier unfassbaren Erfolgen durch Produkte wie dem iMac, dem iPod und dem iPhone stürmte der vor 20 Jahren noch kurz vor dem Bankrott stehende Mac-Hersteller während den letzten zwei Jahrzehnten auf den gestrigen Tag zu. Vom einstigen Nischen-Anbieter zum globalen Powerhouse, welches diverse Märkte revolutioniert und ganze Wirtschaften umgekrempelt hat.
Dass das Erreichen des Meilensteins kurz bevorsteht, zeichnete sich bereits Anfang Woche ab. Nach der Bekanntgabe der starken Quartalszahlen und dem erneut sehr positiven Ausblick auf das laufende Quartal am Dienstag, schoss die Apple-Aktie im nachbörslichen Handel auf den Mittwoch in die Höhe. Am 1. August durchbrach der Kurs dann erstmals seit dem 7:1 Aktiensplit im Juni 2014 den Wert von 200 Punkten.
Die magische Zahl für den historischen Meilenstein lautete «207.05». Diesen Wert in US-Dollar musste Apples Aktienkurs erreichen, damit die Marktkapitalisierung, also der Wert aller ausstehenden Apple-Aktien zusammen, eine Billion US-Dollar überstieg.
Eine Billion: Das sind eintausend Milliarden. Oder eine Million Millionen. Oder eine Eins gefolgt von 12 Nullen.
Die Apple-Aktie erreichte diese magische Zahl gestern Donnerstag an der New Yorker Technologiebörse NASDAQ um 11:49 Uhr Ortszeit, also kurz vor 18 Uhr nach Mitteleuropäischer Sommerzeit.
Im Verlaufe des gestrigen Handelstages stieg der Kurs zwischenzeitlich sogar noch auf 208.38 US-Dollar. Zum Handelsschluss notierte das Papier bei 207.39 US-Dollar. Beides neue Allzeithochs. Die Apple-Aktie ist seit der Bekanntgabe der Quartalszahlen am Dienstag-Abend somit um über 9 Prozent angestiegen.
Von fehlerhaften Tickern
Einige Medien berichteten gestern bereits zwei Stunden vor dem Übertritt der Marke von Apples Erreichen des Meilensteines. Diese Blätter bezogen sich jedoch auf eine fehlerhafte Berechnung: In der Nacht auf den 1. August hat Apple zusammen mit dem neuesten Geschäftsbericht wie gewöhnlich auch den sogenannten «10-Q-Bericht» bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereicht (PDF). Aus diesem geht unter anderem hervor, wie stark Apple im vergangenen Quartal die Zahl ausgegebener Aktien durch sein Kapitalrückflussprogramm reduziert hat. Konkret waren am 20. Juli 2018 noch 4’829’926’000 Apple-Aktien im Handel – im Quartal davor waren es hingegen noch 4’915’138’000 Anteilsscheine.
Gestern Nachmittag bezogen sich fast alle Börsenticker noch auf die alte Anzahl Aktien – so beispielsweise auch jener von Yahoo!, welcher auch von der iOS-eigenen Aktien-App als Datengrundlage genutzt wird. Es resultierte folglich eine falsche Marktkapitalisierung. Beim alten Share-Volume brauchte die Apple-Aktie «nur» einen Kurs von 203.45 US-Dollar für den historischen Meilenstein. Die Ticker wiesen somit bereits um 9:56 Uhr bei AAPL einen Billionen-Marktwert aus.
Das achte Jahr auf dem Thron
Erstmals den Börsen-Thron bestiegen hatte Apple im August 2011. Damals kam es zur historischen Wachablösung, als Apple den Erdölgiganten «Exxon Mobil» als wertvollstes Unternehmen der Welt von der Spitze verdrängen konnte.
Ein Jahr später, im August 2012, durchbrach Apple die nächste historische Marke: Die iPhone-Company erreichte eine Marktkapitalisierung von über 620 Milliarden US-Dollar und wurde damit zum «wertvollsten US-Unternehmen der Geschichte». Der Mac-Hersteller übertraf damals den von Microsoft 1999 aufgestellten Rekord von 613 Milliarden US-Dollar Börsen-Wert.
Abgesehen von zwei längeren Durststrecken von Ende 2012 bis Mitte 2013 und in der zweiten Jahreshälfte 2015 bis im Sommer 2016 ging es seither mit AAPL munter weiter nach oben. In all dieser Zeit blieb Apple auf dem Börsen-Thron – einzig 2016, als Google Apple mal kurzzeitig überholt hatte.
Auch andere Mitspieler im Rennen
Apropos Google: Auch wenn bei Apple schon seit einigen Monaten oder gar Jahren von der Möglichkeit einer «One-Trillion-Company» gesprochen wurde, war der Mac-Hersteller jüngst nicht mehr der einzige Anwärter auf diesen Meilenstein. Ebenfalls im Rennen mit dabei waren der Online-Händler Amazon, die Google-Muttergesellschaft Alphabet und der Software-Riese Microsoft. Alle sie konnten in letzter Zeit an der Börse kräftig zulegen und haben aktuell Börsen-Werte zwischen 825 und 895 Milliarden US-Dollar.
Amazon ist Apple mit einer eindrücklichen Aufholjagd am engsten aufgerückt, schaffte es aber nie näher als auf einen Abstand von knapp 50 Milliarden US-Dollar. Heute liegt Amazon mit seinem Börsen-Wert wieder über 100 Milliarden US-Dollar hinter Apple.
Entsprechend ist es aber nicht abwegig, dass nach Apple schon bald auch weitere Unternehmen den Meilenstein von einem Börsen-Wert in der Höhe von über 1 Billion US-Dollar erreichen werden.
Eindrückliche Leistung
Dass ausgerechnet Apple diese historische Marke knackte, scheint im Angesicht aller Erfolge, die Apple in den letzten zwei Jahrzehnten einfahren konnte, eigentlich fast selbstverständlich. Dass es das aber nicht ist, zeigen einige Kennzahlen.
Apple wurde mit einem eindrücklich tiefen Kurs-Gewinn-Verhältnis (kurz KGV, oder englisch P/E Ratio) zum Billionen-Dollar-Unternehmen. Bei dieser Kennzahl wird der Kurs der Aktie in das Verhältnis des Gewinns je Aktie gesetzt – also dem Gesamtgewinn des Unternehmens durch die Zahl ausgegebener Aktien. Apples KGV beträgt heute weniger als 18 und betrug zuletzt 2008 mehr als 20. Apples Verfolger Google (52), Microsoft (72) und Amazon (230!) hingegen haben alle ein um ein Vielfaches höheres P/E Ratio.
Hätte Apple die gleiche Bewertung im Bezug auf den Gewinn wie Microsoft, wäre Apple an der Börse über 3 Billionen US-Dollar schwer. Wäre Apple auf dem gleichen KVG wie Amazon, hätte Apple einen Börsen-Wert von über 10 Milliarden US-Dollar.
Zu diesen bereits eindrücklichen Gegebenheiten kommen noch zwei weitere wichtige Faktoren hinzu, die das Ganze noch eindrucksvoller machen.
Zum einen hat Apple in den letzten Jahren fast 200 Milliarden US-Dollar in Aktienrückkäufe investiert. Apple hat sozusagen also selbst dafür gesorgt, dass die historische Hürde immer weiter in die Ferne rückt. Weniger im Handel befindliche Aktien bedeuten einen höheren zu erreichenden Kurs für die historische Marktkapitalisierung von einer Milliarde US-Dollar.
Der andere Faktor sind Apples gigantische Barreserven. Berechnet man diese mit in den KGV ein bzw. zieht man diese von den Kennzahlen ab, wäre Apples PE noch tiefer und das Erreichen des Meilensteins entsprechend noch imposanter.
Aber: Apple nicht erste «One-Trillion-Company»
Trotz allem sei darauf hingewiesen, dass Apple nicht wie in vielen Medienberichten gestern und heute deklariert das erste Unternehmen überhaupt ist, welches eine Marktkapitalisierung von über einer Billion US-Dollar erreicht hat. Das erste und vor Apple einzige Unternehmen, welches diesen Meilenstein erreicht hat, ist PetroChina.
Der staatliche Ölkonzern aus China war nach seinem IPO im Herbst 2007 an der Börse während 15 Tagen über eine Billion US-Dollar wert. Damals das Resultat von hochriskanten Spekulationen in Shanghai, ging es schon kurz nach dem fulminanten Börsenstart mit dem Kurs des Unternehmens beispiellos bergab – PetroChina gilt als der grösste Aktien-Zusammenbruch der bisherigen Weltgeschichte.
Gigantismus?
Viele Marktbeobachter fragen sich, wie lange Apple noch weiter wachsen wird – schliesslich stellt das Unternehmen so auch ein grosses Klumpenrisiko dar für die Wirtschaft der USA – aber nicht nur der USA.
Einige fordern bereits ein Einschreiten der Behörden. Apple soll zerstückelt und das Risiko des Giganten für die Wirtschaft damit geschmälert werden.
Setzt man Apples Rekord-Einnahmen der letzten Jahre relativ zum Bruttoinlandsprodukt der USA, dann zeigt sich, dass Apple in eine Sphäre aufgestiegen ist, die in der jüngeren Geschichte der Menschheit nur von wenigen anderen Kolossen erreicht wurde – und überall griffen wegen der Grösse der Unternehmen die Regierungen ein.
Historisch ein prominentes Beispiel ist die britische Handelsgesellschaft «East India Company», der wegen ihrer Grösse 1813 das Monopol im Handel mit Indien entzogen werden musste.
In den USA waren es Standard Oil und US Steel – die Giganten des «Vergoldeten Zeitalters». Ersteres wurde 1911 vom obersten Gerichtshof der USA zerschlagen, gegen zweites wurden rechtliche Schritte eingeleitet.
1969 gingen die US-Behörden ausserdem auf IBM und 1974 auf AT&T los. 1998 wollten die Behörden dann auch Microsoft zerstückeln.
Wenn Geschichte als Hinweis dienen kann, dann wird Apple nicht mehr grösser.
Aber Apple hat in der Vergangenheit schon oftmals bewiesen, dass sonst gültige Wirtschafts-Gesetze für den Mac-Hersteller offenbar nicht zu gelten haben. Es bleibt spannend.
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