Parallels Desktop 6

Seit Apples Switch auf die Intel-Plattform erfreut sich Virtualisierungssoftware zum Betreiben von Windows-Programmen unter Mac OS X grosser Beliebtheit. Mit einem Marktanteil von über 70 Prozent ist Parallels der unbestrittene Marktführer auf der Mac-Plattform. Dies dürfte nicht zuletzt an einer aggressiven Entwicklungsstrategie liegen. Viereinhalb Jahre nach der Erstveröffentlichung liegt Parallels Desktop bereits in Version 6 vor.

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Parallels Desktop 6 verspricht vor allem in zwei Bereichen signifikante Verbesserungen. Erstens soll die Integration von Windows in Mac OS X nochmals verfeinert worden sein. Zweitens soll Parallels Desktop 6 erneut massive Performancegewinne bieten, insbesondere bei Programmen, welche die 3D-Beschleunigung der Grafikkarte stark beanspruchen - beispielsweise bei Spielen.

Wir haben die deutschsprachige Fassung von Parallels Desktop 6 (Build 11822) auf einem aktuellen MacBook Pro unter Mac OS X 10.6.4 getestet. Das MacBook Pro besitzt einen 2.4 Gigahertz schnellen Intel-Core-i5-Chip, eine NVIDIA-Grafikkarte des Typs GeForce GT 330M und vier Gigabyte Arbeitsspeicher. Als Betriebssystem für die Virtualisierung kam die 64-Bit-Version von Windows 7 Professional zum Einsatz.

Erste Schritte

Auf der Parallels-CD beziehungsweise dem Download-Image befindet sich neben dem Installer und einem Deinstallationsprogramm ein Benutzerhandbuch in PDF-Form. Die Installation gestaltet sich Mac-OS-X-typisch sehr einfach und dauert wenige Minuten. Anschliessend fordert Parallels den Anwender auf, die Software online zu registrieren. Zwar lässt sich die Registrierung theoretisch umgehen, ohne Registrierung erhält man aber nicht nur keinen Support, sondern auch keinen Zugriff auf Software-Updates.

Beim Start von Parallels Desktop 6 wird man mit einem Willkommensfenster begrüsst. Dem Benutzer stehen drei Optionen zur Verfügung. Man kann eine Windows-Installation von einem PC übertragen, eine neue Windows-Installation anlegen oder eine vorhandene virtuelle Maschine verwenden. Virtuelle Maschinen aus VMware Fusion oder anderen Virtualisierungslösungen können in Parallels Desktop weiter verwendet werden. Neben Windows lassen sich natürlich auch andere Betriebssysteme wie Linux, Chrome OS oder OpenSolaris installieren, der Fokus von Parallels Desktop liegt aber verständlicherweise klar beim System aus Redmond.

Legt man eine Windows-DVD ins Laufwerk des Macs ein, lässt sich Windows mit wenigen Mausklicks auf einer neuen virtuellen Maschine installieren. Gibt man den Speicherort für die virtuelle Maschine, den Windows-Produktschlüssel sowie den Benutzernamen und das Kennwort ein, führt Parallels Desktop 6 auf Wunsch eine vollautomatische Express-Installation durch. Dabei werden auch die Parallels Tools installiert, welche die Interaktion zwischen dem Gast-System und Mac OS X regeln.

In unserem Test schlug die Express-Installation von Windows 7 jedoch fehl. Inmitten des Installationsvorgangs quittierte der Windows-Installer seinen Dienst. Eine manuelle Installation von Windows funktionierte hingegen ohne Schwierigkeiten. Auch die Parallels Tools liessen sich problemlos nachträglich installieren.

Bevor man mit der Benutzung von Windows loslegt, muss festgelegt werden, ob sich Windows-Programme wie auf einem Mac oder wie auf einem PC verhalten sollen. Entscheidet man sich für die Mac-Variante, gleicht Parallels die persönlichen Ordner wie Dokumente oder Bilder und auch den Schreibtisch unter Windows automatisch mit dem Mac-Benutzerverzeichnis ab. Windows-Programme erscheinen im Dock und auch im Programmumschalter. Möchte man hingegen, dass sich die Windows-Programme wie auf einem PC verhalten, sind keine Daten aus dem Mac-Benutzerordner unter Windows verfügbar. Dateien lassen sich aber trotzdem bequem per Drag & Drop zwischen den Betriebssystemen austauschen. Man kann auswählen, ob man Windows in einem separaten Fenster ausführen oder den so genannten Coherence-Modus verwenden möchte. Im Coherence-Modus ist der Windows-Desktop unsichtbar und die Programme der virtuellen Maschine verhalten sich wie Mac-Programme.

Neue Funktionen

Revolutionäre neue Features bietet Parallels Desktop 6 nicht. Dies bedeutet keineswegs, dass wichtige Funktionen fehlen würden. Viel mehr bot Parallels schon mit der Vorversion ein gutes Rundumpaket an. Zentrale Punkte wie die Dateifreigabe zwischen den Betriebssystemen oder die Regelung des Zugriffes auf externe Hardware beherrscht Parallels seit längerem souverän. Auch die Unterstützung von Mac-spezifischen Hardwarefeatures wie dem Multitouch-Trackpad oder der Apple Remote zählt bei Parallels Desktop zu den Selbstverständlichkeiten.

So ist es kein Wunder, dass man viele Neuerungen erst auf den zweiten Blick entdeckt. Die Integration von Windows in OS X wurde anhand zahlreicher Details noch ein wenig weiter getrieben. Windows übernimmt auf Wunsch nun die Tastenkombinationen und die Kinderschutzeinstellungen aus dem Mac-System. Öffnet man per Rechtsklick das Dock-Menü einer Windows-Applikation, erhält man ähnlich wie auf dem Mac Zugriff auf die wichtigsten Steuerungsfunktionen des entsprechenden Programms. Neu ist auch die Möglichkeit, mithilfe von Spotlight nach Windows-Programmen zu suchen.

Ebenfalls neu in Parallels Desktop 6 ist die Option, jede virtuelle Maschine separat zu verschlüsseln. Verschlüsselte virtuelle Maschinen lassen sich nur durch Eingabe des entsprechenden Kennwortes starten. Die weiteren Neuerungen befinden sich allesamt eher unter der Programmoberfläche. Version 6 von Parallels Desktop bringt Unterstützung für 5.1-Surround-Sound und besitzt erstmals eine vollständige 64-Bit-Virtualisierungsengine.

Als Sahnehäubchen bietet Parallels unter dem Namen Parallels Mobile eine kostenlose App für das iPhone, den iPod touch und das iPad an, mithilfe derer sich eine virtuelle Maschine von einem Mobilgerät aus fernsteuern lässt. Wir haben diese App testweise auf einem iPad installiert.
Nach dem Start der App muss man sich mit seinen bei der Produktregistrierung verwendeten Logindaten auf dem Parallels-Server anmelden. Anschliessend erhält man Zugriff auf die aktiven virtuellen Maschinen. Im Grunde genommen verhält sich Parallels Mobile praktisch gleich wie andere Desktop-Sharing-Tools, beispielsweise TeamViewer. Auf dem Display des iPads sieht man den Windows-Desktop und kann mit dem Finger den Mauszeiger steuern. Dies funktioniert tadellos, allerdings stösst man sehr rasch an die Grenzen der App. Das Bedienen eines mausbasierten Betriebssystems mit dem Finger ist recht umständlich, selbst grundlegende Befehle wie das Scrollen durch ein Fenster gestalten sich mühsam. Blendet man die Tastatur ein, so nimmt diese etwa die Hälfte der ohnehin kleinen Bildschirmfläche ein. Des weiteren wirkt die App stellenweise unfertig. So ist standardmässig eine amerikanische Tastaturbelegung eingestellt, ausserdem stürzt die App bei bestimmten Operationen gerne ab. Nicht zuletzt aber mindert die schlechte Performance die Freude an Parallels Mobile. Parallels spricht davon, dass sich dank dieser App beispielsweise Flash-Videos auf dem iPad betrachten lassen. Doch selbst bei optimaler Verbindungsqualität ist die Bildwiederholrate viel zu gering, um auch nur ansatzweise an das Schauen von Videos denken zu können. Dass die App gar keine Soundausgabe besitzt, wird vor diesem Hintergrund schon fast zur Nebensächlichkeit.
Für einige spezielle Anwendungszwecke mag die Parallels-Mobile-App durchaus nützlich sein. Durch die Einschränkungen hinsichtlich Bedienkomfort und Performance sollte man sich von Parallels Mobile aber nicht mehr versprechen als von vergleichbaren Apps.

Performance

Das vielleicht wichtigste Kaufkriterium für oder gegen eine bestimmte Virtualisierungslösung ist die Geschwindigkeit. Parallels-Anwender durften sich in den vergangenen Jahren schon über einige Performancesprünge freuen. Version 6 von Parallels Desktop reiht sich nahtlos in diese Entwicklung ein.
Windows lässt sich ohne Verzögerungen bedienen, auch mit den Effekten der Aero-Oberfläche kommt Parallels Desktop 6 mühelos klar. Dem Hersteller zufolge wurde die allgemeine Performance gegenüber der Vorversion um 40 Prozent gesteigert. Das Kopieren von Daten, Starten von Programmen oder Abspielen von HD-Videos ging alles flott von statten. Kritisch ist allerdings die Grösse des Hauptspeichers. Betreibt man wie in unserem Fall die 64-Bit-Fassung von Windows 7 auf einem Mac mit Snow Leopard, ist der bei aktuellen Macs standardmässig verbaute Arbeitsspeicher von vier Gigabyte eigentlich immer komplett belegt. Wer häufig mit Windows arbeiten und zwischen Mac- und Windows-Programmen hin und her wechseln möchte, sollte seinem Mac mehr als vier Gigabyte Speicher gönnen.

Die erfahrungsgemäss schwierigste Anwendungsdisziplin für Virtualisierungssoftware stellen aufwändige DirectX-Spiele dar. Lange Zeit galt es als unmöglich, rechenintensive 3D-Games in einer Virtualisierung flüssig zu spielen. Unterdessen haben die Hersteller jedoch bedeutende Anstrengungen unternommen, um diesen Schwachpunkt zu beheben. Parallels Desktop 6 unterstützt DirectX 9 und Shader Model 3.

Parallels hat eine Liste von knapp 20 populären Spieltiteln veröffentlicht, die unter Parallels Desktop 6 reibungslos funktionieren sollen. Wir haben zwei davon installiert und getestet, nämlich den Microsoft Flight Simulator X und den Egoshooter Far Cry 2. Beide Spiele sind nicht mehr ganz neu, galten bei ihrem Erscheinen aber als äusserst ressourcenhungrig. Far Cry 2 erschien Ende 2008, der Flight Simulator X ist sogar noch ein wenig älter. Um die positive Nachricht vorweg zu nehmen: Beide Games liessen sich unter Parallels Desktop 6 mit zufrieden stellender Performance spielen. Es traten keine Grafikfehler und auch keine Soundaussetzer auf. Trotzdem präsentiert sich das Spielerlebnis nicht ungetrübt. Um den Flight Simulator flüssig zu spielen, muss man bei den Grafikdetails massive Abstriche in Kauf nehmen. Ausserdem reagiert selbst das Menü nur mit Verzögerung. Far Cry 2 zeigte sich von einer etwas besseren Seite. Das Spiel lief in nativer Auslösung auch bei mittlerer Detailstufe ordentlich, bei vielen bewegten Objekten nahm die Framerate allerdings merklich ab.

Insgesamt fällt die Bewertung der Spielperformance gemischt aus. Hält man sich vor Augen, wie die 3D-Performance in Virtualisierungsumgebungen noch vor wenigen Jahren aussah, sind die Fortschritte absolut beeindruckend. Vergleicht man die Spiele-Leistung der heute erhältlichen Virtualisierungslösungen, dann führt an Parallels Desktop 6 kaum ein Weg vorbei. Gleichzeitig gilt nach wie vor, dass das Spielerlebnis zumindest bei aufwändigen Games auch nicht ansatzweise mit dem Spielen unter Boot Camp mithalten kann.

Licht und Schatten

Virtualisierungstools bilden eine etwas spezielle Kategorie von Software. Der Durchschnittsanwender, der gerne hin und wieder ein Windows-Programm auf seinem Mac ausführen möchte, will sich um die Software und die Technologie hinter der Virtualisierung möglichst keine Gedanken machen müssen. Virtualisierungstools sind Programme, die man als Anwender am liebsten gar nicht wahrnehmen möchte. In gewissem Sinne könnte man so weit gehen und sagen, dass jede Funktion, um die sich der Anwender kümmern muss, eine Funktion zuviel ist.

Als Hersteller steckt man damit in der Zwickmühle. Schliesslich will jede neue Softwareversion durch das Vorhandensein möglichst spektakulärer Features beworben werden.
Parallels hat sich für eine sehr aggressive Entwicklungsstrategie entschieden. Der Zyklus, in dem neue Versionen erscheinen, ist extrem kurz. Zwischen Parallels Desktop 5 und Parallels Desktop 6 liegen nur zehn Monate. Man spürt, dass Parallels Desktop 6 auf soliden Grundlagen aufbaut. Schon die Vorversionen liessen hinsichtlich ihres Funktionsumfanges kaum Wünsche offen. Die nochmals verbesserte Integration von Windows in Mac OS X offenbart sich lediglich in Details, darf aber als durchwegs gelungen bezeichnet werden. Berücksichtigt man zusätzlich die deutlich verbesserte Performance, wird einem schnell klar, weshalb sich Parallels zum Marktführer unter den Anbietern von Virtualisierungssoftware gemausert hat.

Allerdings gibt es auch Schattenseiten. Erstens wirkt die Software stellenweise unausgereift. Ein Beispiel: Beim Wechsel von der Fensteransicht in den Vollbildmodus bleibt bei QuickTime-Filmen gerne das Bild stehen. Ausserdem enthält die deutsche Fassung diverse Lokalisierungsfehler. Zweitens beherbergt die immer engere und damit komplexere Verzahnung von Windows mit Mac OS X einige prinzipbedingte Nachteile. Wer lieber eine getrennte Windows-Umgebung parallel zu OS X betreiben möchte, muss sich mit unzähligen teilweise aufdringlichen Features herumschlagen, die gar nicht benötigt werden.

Drittens sorgt auch die Preispolitik von Parallels für Gesprächsstoff. Ein Update kostet CHF 70.-, wobei nur Besitzer von Version 4 und 5 davon Gebrauch machen können. Berücksichtigt man den kurzen Update-Zyklus, dann übersteigen die Kosten für die Virtualisierung längerfristig locker diejenigen einer Windows-Lizenz, selbst wenn man alle OS-Updates mitmacht. Will man
Parallels auf mehreren Rechnern betreiben, entwickelt sich die Frage nach der richtigen Virtualierungssoftware schnell zu einer Geldfrage.

Dies alles soll jedoch nicht von der Feststellung ablenken, dass Parallels Desktop 6 ein absolut empfehlenswertes Stück Software ist. Sucht man nach dem besten Windows-Erlebnis auf dem Mac, wird man kaum an Parallels Desktop 6 vorbeikommen.

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